Donnerstag, 8. Januar 2015

Twitter-Poetik

Was mir an Twitter nicht gefällt, dass wegen der vorgegebenen Kürze eine klassische Epigramm-Form, der Vierzeiler, normalerweise nicht hineinpasst: 

Nach G. E. Lessing ist das Epigramm ein Gedicht, in welchem unsere Aufmerksamkeit und Neugierde auf irgendeinen einzelnen Gegenstand erregt und mehr oder weniger hingehalten wird, „um sie mit Eins zu befriedigen“. Erwartung und Aufschluss sind daher die beiden wesentlichen Teile des Epigramms, von denen erstere (wie ein Rätsel) durch einen scheinbaren Widerspruch gespannt, letzterer durch eine überraschende Deutung des Sinnes herbeigeführt wird. 
Immerhin ist meistens das Distichon möglich, klassische Beispiele dafür (Merkverse, beide von Schiller) sind:
"Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule,
Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab."

"Teuer ist mir der Freund, doch auch der Feind kann mir nützen.
Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll." 


 ....und von OVID:

"Nehmt euch vor allem in acht, die Gebrechen der Mädchen zu rügen,
ja, es hat manchem genützt, dass er mit Fleiß sie nicht sah."


...oder gar von mir:

"Tage und Wochen und Jahre vergehen rascher im Alter,
Nur die Monate sind - leider - um vieles zu lang"
(lhttp://kumpfus.blogspot.co.at/2008/01/neige.html)

So sind wenigstens nicht nur platte, eindimensionale Sätze möglich (die man natürlich auch "spicken" kann), obwohl sich ein Distichon in TWITTER sicher nicht wohl fühlt.


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