Freitag, 30. März 2018

Nobelpreis für Weisheit

.... auf einen Nobelpreis, den es vorläufig noch gar nicht gibt, nämlich den Nobelpreis für Weisheit. Denn Weisheit ließe sich definieren als Wissen und das gleichzeitige Bewußtsein von den Grenzen solchen Wissens.
V. E. Frankl

Der Philosoph muß also bestimmen können, erstens: die Quellen des menschlichen Wissens; zweitens: den Umfang des Wissens, und endlich drittens: die Grenzen der Vernunft. Das letztere ist das nötigste, aber auch das schwerste. 
I. Kant

Mittwoch, 28. März 2018

Zauberformel

Ohne Wehmut auf das Vergangene schauen, 
 ohne Angst dem Kommenden entgegen blicken
+
den Augenblick dazwischen 
munter und gelassen annehmen.

Dienstag, 20. März 2018

Pharmaka

"….. die Medikamente und ganz sicher nicht unsere Gespräche hatten diesen Patienten geheilt. Sie hatten nicht seine Freiheit eingeschränkt, sondern im Gegenteil, sie hatten ihm wieder die Freiheit gegeben, das denken zu können, was er selbst denken wollte. Denn die irrsinnigen kranken Wahngedanken hatten ihn ja am freien eigenständigen Denken gehindert.
Psychopharmaka müssen so eingesetzt werden, dass sie befreiend wirken. Alles andere wäre in der Tat unverantwortliche Manipulation. Ähnliches wie von der Schizophrenie gilt von schweren Depressionen, die mit antidepressiven Medikamenten geheilt werden können. Neuroleptika und Antidepressiva, die es seit über 50 Jahren gibt, machen niemals abhängig, und die modernen Präparate haben viel weniger Nebenwirkungen als ihre älteren Vorgänger. Das gilt bei Neuroleptika von einem kurzfristig auftretenden vorübergehenden Parkinson-Syndrom (Steifigkeit, Unbeweglichkeit und Zittern) sowie einer Gehunruhe und vor allem von unwillkürlichen Bewegungen, die nach langer Gabe auftreten können. Natürlich gibt es Fälle, wo jemand zu viele Medikamente bekommt. Dann wirken Patienten tatsächlich so, als seien sie »mit Medikamenten vollgestopft«, als seien sie »ruhiggestellt«, wie ein anderer schrecklicher und oft gehörter Ausdruck heißt. Neuroleptika und Antidepressiva stellen aber, richtig eingesetzt, nicht ruhig. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn durch richtig eingesetzte Medikamente ein schizophrener Patient von seinen entsetzlichen Wahnvorstellungen geheilt ist, dann kann er wieder aktiv am Leben teilnehmen. Wenn ein schwer Depressiver von seiner Depression befreit ist, dann ist er nicht »ruhiggestellt«, sondern er kann wieder vitaler und dynamischer auf andere Menschen zugehen. Zu allem Überfluss können sie in gesunden Phasen auch vorbeugend wirken. So gilt in diesen wie in vielen anderen Fällen: Medikamente, also Psychopharmaka, können bei einigen psychischen Erkrankungen eine wichtige Option sein. Auf ihre Gabe zu verzichten, wäre unterlassene Hilfeleistung.
Wenn freilich nur allgemein über Psychopharmaka geschimpft wird, dann schimpfe ich immer gern mit. Denn die Psychopharmaka, die immer noch am meisten genommen werden, sind die so genannten Benzodiazepine, Beruhigungs- und Schlafmittel mit zum Teil hohem Abhängigkeitspotenzial. Die aber nehmen viele Menschen völlig kritiklos ein, obwohl schon eine 4-wöchige Einnahme in einigen Fällen zur Abhängigkeit führen kann. Zwar gibt es auch für diese Medikamente eine »Indikation«, das heißt einen medizinischen Grund, sie zu verordnen. Man kann sie zeitweilig bei schweren Ängsten und anderen Unruhezuständen, aber auch bei erheblichen Schlafstörungen einsetzen. Freilich nur so lange wie unbedingt nötig. Doch gerade bei solchen »happy-pills« wird oft hemmungslos bagatellisiert. Auf Dauer aber machen Benzodiazepine nicht glücklich, sondern süchtig." 

Aus: Manfred Lütz, "Irre!"

Getrennte Seelenfächer

Egon Friedell:

Die Seele des Engländers
In ihr gibt es keine moralischen Konflikte; infolgedessen hat er die Welt erobert. Er ist in ethischen Dingen ein unerreichter Virtuose der doppelten Buchführung. Er ist ebenso fromm wie geschäftstüchtig, man kann gar nicht sagen, was von. beidem er in höherem Maße ist. Nur befindet sich beides bei ihm in vollkommen getrennten Seelenfächern. Wenn er das eine Öffnet, ist das andere fest geschlossen, ja er erinnert sich gar nicht, daß das andere überhaupt existiert. Er glaubt an den Feiertagen an Gott und die Ewigkeit und Während der Woche an die Physik und den Börsenbericht, und beide Male mit der gleichen Inbrunst. Am Sonntag ist die Bibel sein Hauptbuch und am Wochentag ist das Hauptbuch seine Bibel. 

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Ich würde sagen, das trifft mindestens genauso gut auf die Amerikaner zu:
Amerika spricht viel von Gott.
Ich denke mir - ganz ohne Spott:
Sie meinen damit sicher nur
Den Gott der Kaufleute, Merkur.
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Und das hier münzte Theodor Fontane auf die Niederländer und erntete dafür im 19. Jh., was man heute einen veritablen 'shitstorm' nennen würde:

Die Balinesenfrauen auf Lombok.

           Unerhört,
Auf Lombok hat man sich empört,
Auf der Insel Lombok die Balinesen
Sind mit Mynheer unzufrieden gewesen.
Und die Mynheers faßt ein Zürnen und Schaudern:
»Aus mit dem Brand, ohne Zögern und Zaudern!«
Und allerlei Volk, verkracht, verdorben,
Wird von Mynheer angeworben,
Allerlei Leute mit Mausergewehren
Sollen die Balinesen bekehren.
Vorwärts, ohne Sinn und Plan;
Aber auch planlos wird es getan:
Hinterlader arbeitete gut,
Und die Männer liegen in ihrem Blut.
Die Männer. Aber groß anzuschaun
Sind da noch sechzig stolze Fraun,
All eingeschlossen zu Wehr und Trutz
In eines Buddhatempels Schutz.
Reichgekleidet, goldgeschmückt,
Ihr jüngstes Kind an die Brust gedrückt,
Hochaufgericht't eine jede stand,
Den Feind im Auge, den Dolch in der Hand.
Die Kugeln durchschlagen Trepp und Dach -
»Wozu hier noch warten, feig und schwach?«
Und die Türen auf und hinab ins Tal,
Hoch ihr Kind und hoch der Stahl
(Am Griffe funkelt der Edelstein),
So stürzen sie sich in des Feindes Reihn.
Die Hälfte fällt tot, die Hälfte fällt wund,
Aber jede will sterben zu dieser Stund,
Und die Letzten, in stolzer Todeslust,
Stoßen den Dolch sich in die Brust.
Mynheer derweilen in seinem Kontor,
Malt sich christlich Kulturelles vor.

Freitag, 16. März 2018

Rückkehr

"....es handelt sich dabei um den tiefen Gram, den der Tod einer über alles geliebten Person auslösen kann. Nichts mehr hat einen Sinn; mit dem Toten ist alles Schöne und lebenswerte verschwunden - und auf Grund dieses Weltbildes könnte nur die Rückkehr des Toten dem eigenen Leben wieder Sinn verleihen. Frankl deutet die Situation mit einer Frage um: Der Patient stelle sich vor, dass Frankl zwar den Toten selbst nicht wiedererwecken, ihm aber einen anderen Menschen zuführen kann, der dem Verstorbenen nicht nur körperlich auch in der kleinsten Einzelheit gleicht, sondern auch sonst in jeder Hinsicht; der über das Leben des Toten so genau Bescheid weiß, dass er daher mit dem Patienten über jedes Detail der gemeinsam verlebten Jahrzehnte sprechen könnte - würde der Patient diesen Menschen als vollgültigen Ersatz annehmen? Indem Frankl ihn mit dieser Frage dazu bringt, sich mit dem Verlust aus einer etwas anderen Perspektive als dem Teufelskreis seiner Depression auseinanderzusetzen, hat er meines Erachtens die Möglichkeit des Andersseins in die Situation eingeführt, und wie er berichtet, ist die Antwort des Patienten verneinend. Damit aber hat sich der Leidende zum ersten Mal zur Unabänderlichkeit seines Schicksalsschlages bekannt und Distanz zu ihm gesetzt." 

P. Watzlawick zitiert V. E. Frankl

Dabei hatten Frankl, aber auch Watzlawick, keinerlei Vorstellung über künftige Klon-Möglichkeiten. Ich glaube aber, die Antwort wird auch dann NEIN lauten. Vielleicht nicht bei Amerikanern.

Unvermeidliches

Wer sich mit dem Unvermeidlichen anfreundet, wird unvermeidlich glücklich.

Karl Jaspers

Freitag, 9. März 2018

Überwindung der Physik

Es ist eine oft beobachtete Tatsache, daß gerade die hellsichtigsten Köpfe in reifen Jahren zu einer Art Köhlerglauben zurückkehren, über den sich der »vorurteilslose« Positivist nur deshalb erheben zu können glaubt, weil er ein moralischer und intellektueller Parvenü ist. ..... Er hat einige ungereimte Vorurteile abgelegt und sich einige nützliche Kenntnisse zugelegt, aber er ist viel zu eingebildet auf diese kleinen provisorischen Errungenschaften, um sich über sie stellen zu können, um zu wissen, daß es gewissermaßen nur punktierte Hilfslinien sind, nützlich und unentbehrlich wie alle Hilfslinien, aber schließlich doch nur dazu da, um eines Tages ausradiert zu werden. Die Physik ist etwas, das überwunden werden muß, und zwar - durch Physik. 
Es ist entweder alles rätselhaft oder nichts. Die Frage, was die Dinge wirklich sind, ist natürlich für jedermann »zu hoch«, Alles ist ein Symbol, ein Gleichnis, ein Bild, daher letzten Endes unerklärlich, wie man ja auch ein Gemälde nicht »erklären« kann. Aber mit welchen Farben und in welcher Technik es gemalt ist, kann man sehr wohl sagen, wenn man etwas von Malerei versteht. Das Phänomen des Magnetismus ist das verwirrendste Geheimnis, das sich denken läßt, und auch der größte Naturforscher kann es nicht enträtseln. Aber eine mathematische Formel kann er dafür finden! Das Empirische einer Erscheinung muß allemal zu ergründen sein, das ist immer nur eine Frage der Urteilskraft und der Sachkenntnis. Man darf und soll also alles für erforschbar halten, nur soll man nicht glauben, dann habe man den Schlüssel des Weltgeheimnisses, wie das die törichten Monisten tun. Gottesfurcht und Demut vor den ewigen Rätseln läßt sich mit wissenschaftlicher Neugierde und Glauben an die menschliche Vernunft sehr wohl vereinigen. 

E. Friedell

Donnerstag, 8. März 2018

Rodeo

Wie ich da beim Frühstück sitze und dem dissonanten Konzert der Botenstoffe in mir zuhöre, frage ich mich, wer da eigentlich dirigiert. Und wer ist der, der darüber nachsinnt?
Mir kommt das Bild eines Rodeo-Reiters in den Sinn: Die Vernunft sitzt oben, unter dem Arsch den schopenhauerschen "Willen" -  und der versucht andauernd, mich abzuwerfen. Momentan kann ich mich noch oben halten...

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"Das Gehirn ist ein Organ, mit dem wir denken, dass wir denken".

A. Bierce
    "Wer ist dieser Ich"?
G. Ch. Lichtenberg 

Verkleidung

 Was sich sagen läßt, kann niemals ganz wahr sein. Kleide einen Gedanken in Worte, und er verliert alle Bewegungsfreiheit. 
E. Friedell
Der Sinn, der sich aussprechen läßt, ist nicht der ewige Sinn. Der Name, der sich nennen läßt, ist nicht der ewige Name.
Laotse