Freitag, 25. Februar 2011

Assange - der Testfall für die wirklichen Machtverhältnisse

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wer die wirkliche Macht in dieser Welt besitzt: Solange Assange nur die Geheimnisse der Politiker ausplauderte, passierte ihm nichts. Kaum drohte er  dasselbe den Bankern an, geht es ihm an den Kragen.

Gelassenheit

Ich versuche ...  meinem Geist und meiner Seele die Gelassenheit zu erhalten,

"Cum semper natura, tum etiam aetate jam quietus;" 
("Immer schon ruhig von Natur aus, heute aber mehr noch durch das Alter" --- Cicero, De Petit. Consul., c. 2.)


und wenn sie sich von einem plötzlichen und überwältigenden Eindruck zuweilen aus der Fassung bringen lassen, so wahrhaftig gegen meinen Willen.
Montaigne III/10
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Leider macht es das Alter aber nicht immer leichter, gelassen zu bleiben, weil die Nerven schwächer werden.

Zu viele Köpfe...

"Alle öffentlichen Handlungen unterliegen vielfältigen und nicht voraussehbaren Auslegungen, denn zu viele Köpfe urteilen darüber".
Montaigne III/10
Das ist die Kehrseite der "Pressefreiheit".

Montag, 14. Februar 2011

NIX wissen

NIX wissen!

Was wir nicht alles zu wissen haben! Die Informationslawine schüttet uns zu. Doch je mehr wir wissen können und sollen, desto weniger gelingt es, Erkenntnisse zu gewinnen. Wie kann ich mir noch eine Meinung bilden? Wie noch denken, begreifen?

Von Franz Schandl (Beilage) der Presse Febr.2011)

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Wissen ist Ohnmacht. Wir ken­nen uns nicht mehr aus. Das Wissen, das nötige und noch mehr das unnötige, erdrückt zusehends jede mögliche Re­flexion des Gewussten. Kenntnis zerstört Er­kenntnis. Wir sind dem einfach nicht ge­wachsen. Was wir nicht alles zu wissen ha­ben. Die Fülle der Beeindruckungen ist jen­seits unserer geistigen Kapazität. Jene ver­kleistert das Hirn, man ist nie frei, sondern immer beschlagnahmt. Wir können bei bes­tem Willen nicht rezipieren, was uns gebo­ten oder besser aufgedrängt wird. Wir haben nicht die Zeit, uns zu konzentrieren, besten­falls gelingt uns eine Hinnahme, zur Aufnah­me selbst sind wir nicht mehr fähig.

Dass Kapieren und Reflektieren nicht un­bedingt identisch sind, will manchem Kopf gar nicht erst kommen. Wissen, obwohl Vo­raussetzung der Reflexion, beseitigt sie im­mer mehr. Je mehr wir wissen können und sollen, desto weniger gelingt es, Erkenntnis­se zu gewinnen. Unsere Aufmerksamkeiten bewegen sich in einem Brei. Wir sind über­fordert, geben das Tempo nicht vor, sondern hecheln hinten nach. Der Geschwindigkeit nicht gewachsen, versuchen wir doch ir­gendwie mitzukommen. Irgendwie.

„Daher darf man den ganzen Müll, den man täglich hört und liest, auf keinen Fall abspeichern", schlägt Karli Sackbauer alias Klaus Rott im „VOR-Magazin" vor. Das wäre einfach. Denkste, wir verfügen über keine Knöpfe und auch keine Säcke, die den Abfall ausschalten oder Wegsperren könnten. Wir entscheiden nicht, was gemerkt und verges­sen werden soll. „Bei einem Ohr rein, beim anderen wieder raus" funktioniert so nicht. Stets bleibt was hängen, mögen wir uns da­rüber Rechenschaft ablegen oder nicht. Der Zugriff ist nicht unserer, aber er hat uns fest im Griff. Wenn ich etwas nicht wissen will, heißt das nicht, dass ich es nicht weiß.

Wie komme ich eigentlich dazu, Richard Lugner und alle seine Frauen kennen zu müssen? Warum bin ich informationspflich­tig? Fällt das unter Medienfreiheit? Wenn nicht, worunter dann? - Was sich an uns als Wissenspartikel festmacht, das entscheidet die jeweilige Energie der Aufdringlichkeit. Auf jeden Fall haben wir gegen diese Pene­tranz keinen Schutzschild. Sie prasselt auf uns nieder.

Denken braucht Ruhe und Entspan­nung, Distanz und Abgehobenheit. Es muss sich von den eigenen Erfahrungen und un­mittelbaren Gewissheiten absetzen können, darf kein affirmatives Verhältnis zu diesen Kriterien aufweisen. Hören meint mehr als Zuhören, Sehen meint mehr als Zusehen. Doch dieser eigenständige Teil individueller Rezeption, wird er nicht zusehends unmög­licher? Erkennen ist im Gegensatz zum ledi­gen Wissen ohne aktive Muße nicht zu ha­ben. Nur in ihr kann jenes reifen. Der gesun­de Zweifel an all unserem Wissen ist somit die Bedingung der reflexiven, insbesondere auch der selbstreflexiven Auseinanderset­zung: Warum sehe ich etwas so und nicht anders? Welche konstitutionellen Kräfte be­reiten mich auf und richten mich zu? Was ist Ich an mir?

Doch kommen wir überhaupt so weit? Streicht die Dichte des Alltags, der Stress, nicht alle diese Fragen einfach durch und letztlich aus dem Gedächtnis? Ist bewusstes Begreifen nicht eine Geschäftsstörung, so­mit eine Gesellschaftsstörung, somit über­flüssig, somit zu beseitigen?

Die Informationsindustrie ordnet Infor­mationen nach den Gesetzen der Public Relations: Nicht was ist, in­teressiert, sondern was absetzbar ist. Aufbau­schen, abwiegeln, zu­spitzen, entsorgen, tot­schweigen, nach solchen und ähnlichen Mustern formiert der Medien­markt Nachrichten gleich Spots. Vorrangig geht es um Erregungen und Em­pörungen. Und selbst die

Kritik kann sich nicht anders ausdrücken als in der Übertreibung, will sie überhaupt wahrgenommen werden. Kommt man ihr dann auf die Schliche, etwa wenn Klima­forscher sich bewusst verrechnen, dann wird gleich der ganze Klimawandel in Fra­ge gestellt. Doch auch jene sind dem kom­merziellen Wettbewerb um Forschungs­gelder ausgeliefert, und da ist Dramatisie­rung jenseits des Dramas angesagt. Eine Nachricht, die kein Spektakel ist, ist keine Nachricht. Was nicht auffällt, fällt unter den Tisch.

Natürlich ist es banal zu behaupten, dass Informationen (wie andere Waren auch) auf ihre Verkaufbarkeit dimensioniert werden. Aber dieser Umstand hat fatale Konsequen­zen. Wahrheit und Wirklichkeit verschwin­den zwar nicht völlig, aber sie sind unterge­ordnete Materialien medialer Rekonstruk­tion. Keineswegs sind hier die aggressiven Sender ohne die grenzenlose Bereitschaft der Empfänger zu denken. Und damit ist nicht nur ein leicht abzufütterndes Massen­publikum gemeint.

Beispiel: Im Gegensatz zum Erdbeben in Haiti, das immerhin ein elementares und folgenschweres Ereignis gewesen ist und bleiben wird, sind Katzi, Bambi und Mausi nie wirkliche Ereignisse gewesen, auch wenn sie sich bis zum Erbrechen ereigneten. Ihre Storys sind lediglich winzigste Exkre­mente emotioneller und emotionalisierter Katastrophen aus den Schluchten der Inti­mität. Aber medial aufbereitet, hatten Lug­ners Puppen hierzulande eine höhere Quo­te: Was ist die Zerstörung von Port-au-­Prince gegen die neueste Schnulze von Bambi oder deren Embryo auf Vaterschafts­suche, das Nightclubben von Katzi oder de­ren Tablettenkonsum, das Schlangenfressen von Mausi oder deren Einkaufstouren? Es ist schon irre, von alledem überhaupt eine Ah­nung haben zu müssen. Indes wenn das Un­wirkliche und Irrelevante sich derart in Sze­ne setzen kann, sind sie wirklich und rele­vant geworden.

Dem Taumel ist ja auch kaum zu entge­hen, an jeder Straßenecke grinst es, aus je­dem Lautsprecher schallt es. Es krallt und klettet, wohin wir uns auch wenden. Es rüt­telt aber nicht auf, es rüttelt nur durch. Nichts ist in seiner Wirkung so betäubend wie das Spektakel. Je lauter es schrillt, desto tauber werden wir, je bunter es glotzt, desto blinder. Wer taub und blind ist, wird auch stumm. Wir können in diesem Zusammen­hang durchaus von einer Anästhesie der Aufdringlichkeiten oder eine Implosion der Auf­merksamkeiten spre­chen. Dass wir in einer Epoche der Aufklärung leben, ist sowieso ein hartnäckiges Gerücht. Dass die selbstverschul­dete Unmündigkeit zu Ende ist, ebenso. Wir leben immer noch in finsteren Zeiten massen­wirksamer Verzauberungen. Aber was heißt immer noch? Mehr denn je!

„Schweinegrippe explodiert", titelte eine Tageszeitung am 10. November des Vorjah­res. Auf dem Cover führte sie den eben ge­impften Bundespräsidenten vor. Eine Leid­tragende von alledem war - man soll nicht immer in die Weite blicken - meine jüngste Tochter. Valentina hatte an einem Freitag Fieber bekommen und wurde von der Schu­le nach Hause geschickt. Nun, nichts Beson­deres, sollte man meinen, zumal die Höhe der Körpertemperatur sich in Grenzen hielt und keine Gliederschmerzen sich einstell­ten. Ein grippaler Infekt halt. Da jedoch der Schularzt an besagtem Freitag zufällig zuge­gen war, entnahm er meiner Tochter eine Speichelprobe und ließ diese untersuchen. Mehr hatten wir nicht gebraucht, denn nun hatten wir sie prompt: die Schweinegrippe. Als man uns am Montag informierte, war das Kind schon fieberfrei, und zwei Tage später wäre wohl alles vergessen gewesen. Jetzt aber, mit dieser Diagnose gezeichnet, ging es Valentina gleich schlechter: Sie begann wie­der zu leiden, war ganz unzufrieden mit sich, bildete sich gar manches ein und konn­te ihre schulfreien Tage nicht genießen. Die­ser Befund hatte sie mehr getroffen als ihre Befindlichkeit.

Jede Krankheit bringt spezifische ökono­mische Interessen und Interessenten hervor. Ist eine Impfung in Sicht, ist die Erkrankung schon in der Nähe. Mehr als umgekehrt. Ob die Bedrohung nun real, marginal oder gar irreal ist, ist sekundär. An Krankheiten inter­essiert nicht vorrangig Diagnose und Thera­pie, sondern ihre Verwertbarkeit durch die Gesundheitsindustrie.

Staunend sitze ich vor „Le Monde diplo­matique", wo ich einer Statistik über die Ver­wendung staatlicher Entwicklungshilfe ent­nehme, dass im Jahr 2007 für AIDS/HIV mehr als für Malaria, Tuberkulose und alle anderen Infektionskrankheiten zusammen ausgegeben wurde, insgesamt über sieben Milliarden Dollar. Das ist übrigens der mit Abstand größte Posten. Fließt der Großteil der Entwicklungshilfe über afrikanische Umleitungen in die Zentralen der Pharma­konzerne? Zweifellos, der Virus ist keine Ba­gatelle, aber folgt daraus die Apokalypse? AIDS könnte tatsächlich eine große Gefahr sein, aber ebenso die größte Geldbeschaf­fungsaktion der Gesundheitsindustrie. Zu­mindest hatte ich beim HIV-Virus zumeist das Gefühl, dass dessen Lobby stark ist. Ma­laria oder Tuberkulose vermitteln da einen gegenteiligen Eindruck. Gelder für For­schung, Medikamente und Betreuung kön­nen nur lukriert werden, wenn den öffentli­chen Stellen und den privaten Spendern ein ausreichendes Bedrohungsszenario angebo­ten wird.

Die Grundlagen zur Bildung einer soli­den Meinung, woher soll ich die nehmen? Scio, nescio. Ich weiß, dass ich nicht weiß, aber ich weiß nicht, was ich nicht weiß. Doch die Philosophie hilft hier auch nicht viel wei­ter. Dezidierte Aussagen werden schwieri­ger. Das mag eine skeptizistische Deutung sein, aber alles andere erscheint mir inzwi­schen als Anmaßung. Treffe ich Leute vom Fach, also Überzeugungstäter, muss ich pas­sen, denn gegen die Borniertheit eines Standpunkts ist die Haltlosigkeit haltlos.

Watend durch den Morast der Infos, wer­de ich immer argwöhnischer. Keiner Entwar­nung ist zu trauen und keinem Alarm. Mit solcher Einsicht muss das Vertrauen auf der Strecke bleiben, weil es als Naivität erscheint. Die Kehrseite zur notorischen Leichtgläubig­keit ist sodann das ständige Misstrauen. Es ist nicht leicht, den gesunden Zweifel richtig zu positionieren, ohne in ein Extrem zu ver­fallen. Doch der Extremismus regiert, aus Mücken werden Elefanten und aus Elefanten Mücken. Denken wir an die unbeeindruck­bare Bagatellisierung, die in jeder Krise Ent­warnung gibt. Oder an die Inflationierung der Apokalypse, die stets den Weltuntergang vor sich sieht. Gelegentlich sind es sogar dieselben Organe, die diese Manuale bedienen. Man erinnere nur an Aufstieg und Nieder­gang der Schweinegrippe.

Verharmlosung und Übertreibung lau­fen als Zwillingspaar von Event zu Event. Sie schaukeln auf, und sie schaukeln ab. Von ih­nen nicht verschaukelt zu werden ist schwierig. Aufbauschen und abwiegeln sind obligat. Maß- und Rücksichtslosigkeit gehö­ren dazu. Wo freilich alles sein kann, wird einem vieles egal. Die permanente Be­schwichtigung erzeugt Lethargie, der galop­pierende Alarmismus gebiert Indifferenz. Beide wiederum produzieren Fatalismus: Wir können eh nichts tun, und daher tun wir eh nichts, erfüllen eh unsere Pflicht und hal­ten eh den Mund. Eh. Vielleicht denken wir uns noch unseren Teil, aber meistens den­ken wir, was wir zu denken haben. Die ande­ren denken nichts anderes. Vielleicht ist Denken sowieso was für Verrückte.

Freitag, 4. Februar 2011

Fontane über Kunst und Künstler

"Die Vorstellung, daß ein Dichter, Maler oder überhaupt ein Künstler etwas Besonderes sei,  während die ganze Gesellschaft (und so war es immer) auf der niedrigsten Stufe steht, ist so niedrig, daß die meisten übergelegt werden  müßten. Von dieser Regel gibt es nur sehr wenig Ausnahmen,  Scott z. B., aber Byron ist schon wieder entsetzlich. Man muß den Künstlern gegenüber, wenn es wirkliche Künstler sind, Verzeihung üben und fünfe gerade sein lassen, aber ihre Mischung von Blödsinn, Sittenfrechheit und Arroganz auch noch zu feiern, ist mir widerwärtig. Schon die bloßen Redensarten, »meine Kunst ist mir heilig« (namentlich bei Schauspielerinnen), bringt mich um.
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In Anschauungen bin ich sehr tolerant, aber Kunst ist Kunst. Da versteh ich keinen Spaß. Wer nicht selber Künstler ist, dreht natürlich den Spieß um und betont Anschauung, Gesinnung, Tendenz...."

Th. Fontane an seine Frau,  im Juni.1883 aus Thale.
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Und da finden Kritiker und Kulturpolitiker nichts dabei, daß im  Burgtheater ein Schauspieler mit Sprachfehler auftreten oder ein Theaterdirektor ein traditionsreiches Haus ungestraft herunterwirtschaften kann - sie haben ja die rechte linke Gesinnung.