Donnerstag, 26. August 2021

Zeitungen

"Zeitungen sind der Sekundenzeiger der Geschichte. Derselbe aber ist meistens nicht nur von unedlerem Metalle als die beiden andern, sondern geht auch selten richtig. - Die sogenannten »leitenden Artikel« darin sind der Chorus zu dem Drama der jeweiligen Begebenheiten. - Übertreibung in jeder Art ist der Zeitungsschreiberei ebenso wesentlich wie der dramatischen Kunst, denn es gilt, aus jedem Vorfall möglichst viel machen. Daher auch sind alle Zeitungsschreiber, von Handwerks wegen, Alarmisten: Dies ist ihre Art, sich interessant zu machen. Sie gleichen aber dadurch den kleinen Hunden, die bei allem, was sich irgend regt, sogleich ein lautes Gebell erheben. Hiernach hat man seine Beachtung ihrer Alarmtrompete abzumessen, damit sie keinem die Verdauung verderbe, und soll überhaupt wissen, daß die Zeitung ein Vergrößerungsglas ist, und dies noch im besten Fall: Denn gar oft ist sie ein bloßes Schattenspiel an der Wand." 


Stammt - natürlich - von Arthur Schopenhauer


https://kumpfuz.blogspot.com/2018/06/zeitungen.html

MORALIT®

In der Flüchtlingsfrage werden mittlerweile schon alle möglichen Invektiven und Verunglimpfungen als Kampfmittel eingesetzt, wenn es  von den Guten  gegen die Nichtsoguten geht. Und zwar handelt es sich dabei um Blendgranaten mit dem hochwirksamen  Kampfstoff MORALIT®. Zur Erhöhung der Durchschlagskraft werden die Geschosse vorher noch mit Slogans in grüner oder roter Farbe verziert und von Priestern gesegnet.

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Dienstag, 24. August 2021

Mehr Licht!

 Painfully to pore upon a book

To seek the light of truth.


 (Shakespeare, LLL)

Freitag, 20. August 2021

So entstehen allgemeine Meinungen

 SchopenhauerEristische Dialektik 

oder: Die Kunst, Recht zu behalten.

Kunstgriff 30

Das argumentum ad verecundiam [an die Ehr­furcht gerichtetes Argument]. Statt der Gründe brauche man Autoritäten nach Maßgabe der Kenntnisse des Gegners.

Unusquisque mavult credere quamjudicare [jeder will lieber glauben als urteilen]: sagt Seneca [De vita beata, Ι, 4]; man hat also leichtes Spiel, wenn man eine Autorität für sich hat, die der Gegner respektiert. Es wird aber für ihn desto mehr gültige Autorit­äten geben, je beschränkter seine Kenntnisse und Fähigkeiten sind. Sind etwa diese vom ersten Rang, so wird es höchst wenige und fast gar keine Autoritäten für ihn geben. Allenfalls wird er die der Leute vom Fach in einer ihm wenig oder gar nicht bekannten Wissenschaft, Kunst, oder Hand­werk gelten lassen: und auch diese mit Mißtrauen. Hingegen haben die gewöhnlichen Leute tiefen Respekt fü die Leute vom Fach jeder Art. …. Allein für das Vulgus [Volk] gibt es gar viele Autoritäten die Respekt finden: hat man daher keine ganz passende, so nehme man eine scheinbar passende, führe an, was Einer in einem andern Sinn, oder in andern Verhältnissen gesagt hat. ….. Auch sind allgemeine Vorurteile als Autoritäten zu gebrauchen. Denn die meisten denken mit Aristoteles ά μεν πολλοις öοκει ταυτα γε εινειφαμεν [was vielen richtig scheint, das, sagen wir, ist]: ja, es gibt keine noch so absurde Meinung, die die Menschen nicht leicht zu der ihrigen machten, sobald man es dahin gebracht hat, sie zu überreden, daß solche allgemein angenommen sei. Das Beispiel wirkt auf ihr Denken, wie auf ihr Tun. Sie sind Schafe, die dem Leithammel nachgehn, wohin er auch führt. Es ist sehr seltsam, daß die Allgemeinheit einer Meinung so viel Gewicht bei ihnen hat, da sie doch an sich selbst sehn können, wie ganz ohne Urteil und bloß kraft des Beispiels man Meinungen annimmt. Aber das sehn sie nicht, weil alle Selbst­kenntnis ihnen abgeht. - Nur die Auserlesenen sagen mit Plato τοις πολλοις πολλα öοκει [Die Vielen haben viele Meinungen] …..

Die Allgemeinheit einer Meinung ist, im Ernst geredet, kein Beweis, ja nicht einmal ein Wahr­scheinlichkeitsgrund ihrer Richtigkeit. Die, welche es behaupten, müssen annehmen, daß die zeitliche Entfernung jener Allgemeinheit ihre Beweiskraft raubt: sonst müßten sie alle alten Irrtümer zurückrufen, die einmal allgemein für Wahrheiten galten….

Was man so die allgemeine Meinung nennt, ist, beim Lichte betrachtet, die Meinung Zweier oder Dreier Personen;* und davon würden wir uns überzeugen, wenn wir der Entstehungsart so einer allgemeingültigen Meinung zusehn könnten. Wir würden dann finden, daß zwei oder drei Leute* es sind, die solche zuerst annahmen oder aufstellten und behaupteten, und denen man so gütig war, zuzutrauen, daß sie solche recht gründlich geprüft hatten: auf das Vorurteil der hinlänglichen Fähigkeit dieser nahmen zuerst einige Andre die Meinung ebenfalls an; diesen wiederum glaubten viele andre, deren Trägheit ihnen anriet, lieber gleich zu glauben, als erst mühsam zu prüfen. So wuchs νon Tag zu Tag die Zahl solcher trägen und leichtglaubigen Anhänger: denn hatte die Meinung erst eine gute Anzahl Stimmen für sich, so schrieben die Folgenden dies dem zu, daß sie solche nur durch die Triftigkeit ihrer Gründe hatte erlangen können. Die noch ϋbrigen waren jetzt genötigt, gelten zu lassen, was allgemein galt, um nicht für unruhige Köpfe zu gelten, die sich gegen allgemeingültige Meinungen auflehnten, und naseweise Bursche, die klüger sein wollten als alle Welt.  Jetzt wurde die Beistimmung zur Pflicht. Nunmehr müssen die Wenigen, welche zu urteilen fähig sind, schweigen: und die da reden düfen, sind solche, welche völlig unfähig sind,  eigne Meinungen und eignes Urteil zu haben, das bloße Echo fremder Meinung sind; jedoch sind sie desto eifrigere und unduldsamere Verteidiger derselben. Denn sie hassen am Andersdenkenden nicht sowohl die andre Meinung, zu der er sich bekennt, als die Vermessenheit, selbst urteilen zu wollen; was sie ja doch selbst nie unternehmen und im Stillen sich dessen bewußt sind. - Kurzum, Denken können sehr Wenige, aber Meinungen wollen Alle haben: was bleibt da anderes iibrig, als daß sie solche, statt sie sich selber zu machen, ganz fertig νοn Andern aufnehmen? - Da es so zugeht, was gilt noch die Stimme νοn hundert Millionen Menschen? - So viel wie etwa ein histo­risches Faktum, das man in hundert Geschichts­schreibern findet, dann aber nachweist, daß sie alle einer den andern ausgeschrieben haben, wodurch zuletzt alles auf die Aussage eines Einzigen zuriicklauft.

«Dico ego, tu dicis, sed denique dίxit et ille : Dictaque post toties, nil nisi dicta vides.»

[Ich sag' es, du sagst es, doch schließlich sagt es auch jener; Hat man so oft es gesagt, bleibt nur noch Gesagtes übrig.]

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Q.E.D.

oder: Besser geht's nicht!

 * Auf die heutige Zeit aktualisiert sollte man hier wohl „Organisationen  oder „Interessengruppen“ einsetzen.

 

Bequemlichkeit

 Lichtenberg spricht mir wieder einmal aus der Seele:

Bei aller meiner Bequemlichkeit bin ich immer in Kenntnis meiner selbst gewachsen, ohne die Kraft zu haben mich zu bessern, ja ich habe mich öfters für alle meine Indolenz dadurch entschädigt gehalten, daß ich dieses einsah, und das Vergnügen, das mir die genaue Bemerkung eines Fehlers an mir machte, war oft größer, als der Verdruß, den der Fehler selbst bei mir erweckte.

Ich habe oft stundenlang allerlei Phantasien nachgehängt in Zeiten, wo man mich für sehr beschäftigt hielt. Ich fühlte das Nachteilige davon in Rücksicht auf den Zeitverlust, aber ohne diese Phantasien-Kur, die ich gemeiniglich stark um die gewöhnliche Brunnenzeit gebrauchte, wäre ich nicht so alt geworden.

📚🕮📖


 

 

Montag, 16. August 2021

Gleichnisse

Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;

Das Unzulängliche,
Hier wird's Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist's getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.

Goethe, Faust II

Dazu noch vom selben Autor ...

Proömion

Im Namen dessen, der Sich selbst erschuf
Von Ewigkeit in schaffendem Beruf;
In Seinem Namen, der den Glauben schafft,
Vertrauen, Liebe, Tätigkeit und Kraft;
In Jenes Namen, der, so oft genannt,
Dem Wesen nach blieb immer unbekannt:

So weit das Ohr, so weit das Auge reicht,
Du findest nur Bekanntes, das Ihm gleicht,
Und deines Geistes höchster Feuerflug
Hat schon am Gleichnis, hat am Bild genug;
Es zieht dich an, es reißt dich heiter fort,
Und wo du wandelst, schmückt sich Weg und Ort;
Du zählst nicht mehr, berechnest keine Zeit,
Und jeder Schritt ist Unermeßlichkeit.

Was wär ein Gott, der nur von außen stieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So daß, was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt.

Im Innern ist ein Universum auch;
Daher der Völker löblicher Gebrauch,
Daß jeglicher das Beste, was er kennt,
Er Gott, ja seinen Gott benennt,
Ihm Himmel und Erden übergibt,
Ihn fürchtet und wo möglich liebt.

🔆

Und dazu noch weiteres Tiefgründiges von mir selbst:



Montag, 9. August 2021

Weltanschauung

 



Präsentiert von Prof. Dr. Marlen Urner im SWR

Zwischentöne

WZ-Post von  kumpfuz  09.08.2021, 13:52 Uhr:

Durch das ohrenbetäubende Trommelfeuer der Massenmedien ist den Menschen die Fähigkeit abhanden gekommen, Zwischentöne wahrzunehmen. Die Wirklichkeit besteht aber wesentlich nicht aus Minima, Maxima und Mittelwerten, die zudem fast ausscließlich falsch angewendet werden, sondern aus unzähligen Abstufungen dazwischen. Und was die Zukunft betrifft, so ist sie überhaupt nur in Wahrscheinlichkeiten zu beschreiben. Damit können die Menschen aber nichts mehr anfangen, sie verlangen Gewißheiten.

"Ins Sichere willst du dich betten!
Ich liebe mir inneren Streit:
Denn wenn wir die Zweifel nicht hätten,
Wo wäre denn frohe Gewißheit ? "

(J. W. Goethe).

😰😣😩

Und weil soviel von Wissenschaft die Rede ist: Eine wissenschaftliche These, die keinen Widerspruch zuläßt und Zweifel nicht erträgt, ist nicht seriös. Dies gilt besonders für Prognosen, die ja auf Rechen-Modellen basieren und nur eine bestimmte Wahrscheinlichkeit unter! 100% haben können. Es kann überhaupt nur "bedingte Prognosen" geben und also keine "Beweise". Dass auf dem Weg von der Wissenschaft zu den Medien der Konjunktiv (=Wenn-Form)  verloren geht, darf einen nicht wundern. Dass aber viele "Experten" diesen vorsorglich gleich weglassen, spricht für den qualitativen und moralischen Niedergang der Wissenschaft.

 



Revolutionäre

"Es war in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Man muß sich nur einmal vorstellen, was das für eine Zeit war, die achtziger Jahre: letzte Blüte des finstersten alten Österreich, Königgrätz war lang vorbei, die bürgerlichen Revolutionäre von 1848 waren bereits Regierungsräte, Landesgerichtsräte oder Staatsanwälte, hatten ihre Jugend restlos verraten. Die schwache Arbeiterschaft war vielfach gespalten...."

Geschrieben im 20. Jh. von Siegfried Weyr

Kommt mir doch irgendwie bekannt vor .....

Mittwoch, 4. August 2021

Rahmen und Stupsen

 Es ist - je nach framing? - erheiternd oder ernüchternd, dass man häufig zu Anglizismen Zuflucht nehmen muss, wenn man gängige gesellschaftliche Zu- und Umstände ("Narrative") mit  kurzen Worten beschreiben will. Hier half mir der folgende  Auszug aus einem Blog von

Kai Bargmann  [https://www.better-media.de/bmwp/author/bargmann/]

 "Aus dem Schulunterricht erinnern Sie sich vielleicht noch an die englische Vokabel Frame. Sie bedeutet auf deutsch Rahmen. Das können Sie sich sowohl konkret (wie in Bilderrahmen) als auch im übertragenen Sinn vorstellen – Dingen einen Rahmen geben. Die zweite Bedeutung kommt hier zum Zug. Ziel ist es, öffentlichen Debatten eine andere Richtung zu geben oder ihren Akzent zu verschieben. Damit ist das Framing dem Derailing verwandt, über das ich schon einmal gebloggt habe. Auch das Nudging spielt hier mit hinein.


Dahinter steht eine Theorie der Kommunikationswissenschaft: Über ein Problem wird unterschiedlich entschieden, je nachdem, wie es geschildert wird. M.a.W.: Mit Framing können Sie Probleme aufblasen oder verniedlichen. Damit hilft es nicht gerade, sich zurechtzufinden. Ganz im Gegenteil: Es stiftet Verwirrung. Umstritten ist, wie stark sich diese Technik auf das Wahlverhalten auswirkt. Denn darauf kommt es den Verwendern, namentlich Politiker oder andere, denen es nützt, eigentlich an."

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"Derzeit macht ein schneidiger Zweisilber die Runde: Nudging. Ein neues Wort aus dem Englischen, das die Politik erobert. Was ist damit gemeint? Wörtlich bedeutet es, jemand sanft in die Rippen zu knuffen (Stupsen), damit er etwas richtig macht. Richtig verstanden als: Jemanden auf den gewünschten Weg bringen, den er selbst nicht genommen hätte, aber den er nehmen soll, ohne dass er sich bevormundet oder gegängelt fühlt. Kein Zwang, keine Sanktionen, ganz sanft ein freundlicher Hinweis auf wünschenswertes Verhalten. Das macht Nudging zum idealen Anwendungsgebiet für die Politik, gerade in Deutschland, wo man gern versucht, Menschen zu ihrem eigenen Wohl oder dem aller zu anderem Verhalten anzuleiten." 

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Den folgenden Blog-Eintrag verfasste ich vor 10 Jahren aus Anlaß der "Finanzkrise", aber die Symptome sind den aktuellen ziemlich ähnlich:

https://kumpfuz.blogspot.com/2011/11/absetzbewegungen.html