Dienstag, 29. Oktober 2019

Denkbehinderung

 "Dem ungestörten seelischen Leben steht das Denken über philosophische und religiöse Fragen zur Verfügung, dem krankhaft gestörten Seelenleben unserer depressiven Kranken ist dieses Denken nicht verfügbar, aber die Hoffnung dieser Kranken kommt nach deren Gesundung ohne das Denken, gewissermaßen von Natur aus wieder. Man muß diese Kranken tröstend darauf hinweisen, daß die Krankheit vorübergehen wird und daß der Sinn sich dann als etwas Selbstverständliches wieder einstellt. Das ist eine Hilfe, die man geben kann und muß."

Hans Müller-Fahlbusch

Freitag, 25. Oktober 2019

Geheilt

Als Forain mit der letzten, tödlichen Krankheit zu Bett lag, redete ihm sein Arzt ein, daß es ihm besser gehe, immer besser, bis Forain eines Tages die Geduld verlor und nach einem dieser hoffnungsvollen Sprüche sagte:

»Mit einem Wort, Herr Doktor ich sterbe geheilt"

Infeliciter, in re tristi.

Follower of fashion

...wir müssen der Mode die Schleppe tragen, wenn wir eingelassen sein wollen, sie mag so schwer oder so unrein sein als sie will. Haben wir ja einen Gedanken, so darf er nicht so wie er ist ausgegeben werden, um ihn nicht überall ausgeschossen zu sehen, muß er das Gepräge der Zeit haben.

Ich mag immer den Mann lieber, der so schreibt, dass es Mode werden kann, als den der so schreibt, wie es Mode ist.

Lichtenberg

Rezensenten

"Wenn er eine Rezension verfertigt, habe ich mir sagen lassen, soll er allemal die heftigsten Erektionen haben."

Lichtenberg


"Der Tausendsakerment! Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent."
Goethe 

Freitag, 11. Oktober 2019

So läuft es in der Wissenschaft

Und das ist ein Ergebnis des inquisitorischen Gesinnungsdrucks, das auf Dauer gefährlicher ist als die spektakulären Fälle von Zensur: Daß ganze Fachbereiche sich daran gewöhnen, fünf gerade sein zu lassen. Halb zog sie ihn, halb sank er hin. Zum einen sind die Wünsche ja verständlich und nicht unberechtigt. Zum anderen hat man ein ebenso verständliches Interesse daran, Scherereien aus dem Weg zu gehen und sich nicht etwa von Flugblättern oder Sprechchören als Rassist oder Sexist oder ?? anspucken zu lassen. So lernt ein ganzes Fach nach und nach,
  •        daß es besser ist, Forschungsprojekte, bei denen das Falsche herauskommen könnte, gar nicht erst in Angriff zu nehmen,
  •        daß bestimmte Fragen besser ausgeklammert bleiben, um in Ruhe den übrigen nachgehen zu können,
  •        daß bestimmte Autoren besser nicht zitiert werden, andere aber bei jeder Gelegenheit,
  •        daß bestimmte Kollegen besser nicht berufen oder zu den Fachtagungen eingeladen werden,
  •        daß man ihren Arbeiten Formfehler ankreiden muß, die man jedem anderen achselzuckend durchgehen ließe,
  •        daß man scheinbar kompromittierende Zitate eines in Verruf geratenen Kollegen unentwegt voneinander abschreiben darf, ohne jemals nachzuprüfen, ob sie dessen Meinung richtig spiegeln,
  •        daß man ihn vielleicht sogar aus dem Fachverband ausschließen und damit Wissenschaftlich zur Unperson machen kann,
  •       daß man sich zu bestimmten Fragen klugerweise überhaupt nicht äußert,
  •        daß man besser durch irgendein Denkopfer die Harmlosigkeit der eigenen Position demonstriert und im weiten Umkreis sehen alle betreten weg, um nicht selber noch in Sachen hineingezogen zu werden, die ja gar nicht die ihren sind.
 Niemand hat etwas Unredliches getan, zumindest ist ihm nichts Unredliches nachzuweisen, es wurde nur die Form der Bewahrheitung still und unauffällig ein wenig verändert, aber schon neigt sich die Wahrheit ein wenig, biegt sich, verbiegt sich, kippt. Und die Medien können melden, die einhellige Meinung der Experten sei die und die!

D. E. Zimmer

Trifft sich ganz mit den eigenen Erfahrungen aus meiner "wissenschaftlichen" Zeit.



Dienstag, 1. Oktober 2019

Fundamentales

Das genaue Gegenteil der Wissenschaftlichen Haltung ist jeder Fundamentalismus, nicht weil Fundamentalisten eine Wahrheit haben, an die sie fest glauben (die können auch Wissenschaftler haben) oder weil es eine irrationale Wahrheit ist (sie ist gelegentlich durchaus rational), sondern weil es eine letzte und absolute Wahrheit ist, die Gegengründe nicht nur selber nicht sucht, sondern auch dann nicht zur Kenntnis nimmt, wenn andere sie geltend machen. Der Fundamentalismus ist keine bestimmte religiöse oder weltanschauliche Glaubensdenomination. Er ist eine Geisteshaltung, Vielleicht eine Charaktereigenschaft: lauter Antworten zu wissen und nie Fragen. Fundamentalisten sind im doppelten Sinn unbeirrbar: «nicht bereit, die Möglichkeit ins Auge zu fassen, daß sie im Irrtum sein könnten » (J. Rauch). Der Stil der Wissenschaft dagegen ist unbegrenzte Skepsis: Alles mag sich als falsch erweisen.

Dieter E. Zimmer

Kindly Inquisitors

 « In Amerika . . . und anderswo wird das alte Prinzip der Inquisition wiederbelebt: daß Menschen, die falsche und schädliche Ansichten hegen, zum Wohle der Gesellschaft bestraft werden sollten. Wenn man sie schon nicht ins Gefängnis werfen kann, dann sollten sie immerhin ihrer Arbeitsstelle verlustig gehen, organisierten Beschimpfungskampagnen ausgesetzt, zu Entschuldigungen und zum Widerruf gezwungen werden. Und wenn der Staat die Bestrafung nicht übernehmen kann, sollten private Institutionen und Interessengruppen es tun, eine auf Gedanken Jagd machende Bürgerwehr. » 
Jonathan Rauch