Montag, 30. April 2018

Sozialdemokratie

"Lediglich 5 der 28 EU-Staaten haben künftig noch eine sozialdemokratisch geführte Regierung."
"Und überall scheint das Problem ähnlich: Intern zerrissen zwischen links und rechts, fällt es der Sozialdemokratie in polarisierten Zeiten wie diesen schwer, glaubwürdig zu bleiben. Erst vergraulte sie die Mehrheit der Arbeiter durch zu viel Ideologie und zu wenig Pragmatik bei der Zuwanderung. Dann funktionierte auch ihr Gerechtigkeitsthema als Evergreen nur mehr bedingt. Denn wer zwar für Tarifverträge und Lohnabschlüsse kämpft, aber das größer werdende Heer der unfreiwillig Selbstständigen bei Uber, Foodora und wie sie alle heißen im Stich lässt, verkennt den Lauf der Zeit. Und die Chance, die sie Sozialdemokraten böte. Die Schere zwischen digitalen Krösussen und analogen Habenichtsen geht immer weiter auf. Die Unsicherheit in der Arbeitswelt wächst, Mieten steigen. Anständig und in Würde zu leben ist für viele kaum mehr leistbar. Die Vermögensverteilung nähert sich wieder der Epoche an, in der Charles Dickens seine Romane schrieb. Doch die einst stolzen Arbeiterparteien versagen nicht nur darin, all das zu bekämpfen, sie waren in vielen Ländern gar selbst Mitwirkende dieser Entwicklung. Nun fehlt es ihnen an Ideen und Rezepten dagegen, aber auch an starken Personen, die diese glaubhaft verkörpern würden."
 von 

Dienstag, 24. April 2018

Erlebnis

Ist ein Erlebnis nur ein Erlebnis, wenn ich es jemanden mitteilen kann?
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Am einem Tag Ende März, dem ersten schönen Tag nach einer längeren Kälteperiode, setzte ich mich zum Ausruhen nach einem längeren Fußmarsch auf eine Bank in Freilassing (Obb). Vor meinen Augen der Untersberg (s.o.) und ein Baum, der gerade aus dem Winterschlaf erwachte - es war einfach schön, das was man ein Erlebnis nennt. 
Unwillkürlich drängte es mich, dieses Erlebnis jemandem mitzuteilen, also mit jemandem zu teilen -  nicht einfach elektronisch zu "teilen", wie es heute "in" ist. Als meine Frau noch lebte, rief ich sie in so einem Fall mit dem Handy an und sie freute sich mit mir. Als ich nun überlegte, wen ich jetzt  und wie in dieses Erlebnis einbeziehen könnte, kam mir in den Sinn, dass ich mich eigentlich auch ganz allein freuen könnte - nur für mich. Da musste ich feststellen, dass ich das gar nicht richtig konnte, sondern jede starke Emotion immer sofort irgendwohin "ableiten" muss. Offenbar prüfe ich sie immer "intern" darauf ab, ob ich sie jemanden jetzt oder später jemandem mitteilen kann und wenn nicht, werte ich sie ab. Es muss aber doch möglich sein, zuerst einmal für sich zu "erleben" und dann erst darüber nachzudenken, ob ich es an die Mitwelt weiterleite; ein "2-Phasen-Erlebnis" sozusagen. Oder: Zuerst zwischenspeichern, dann erst forwarden.

Das erinnerte mich ein wenig an die Zeit, als ich intensiv in der Photographie engagiert war: Jeder schöne Anblick wurde immer wie durch einen Sucher-Rahmen gesehen. Schön war die optische Wirklichkeit nur, wenn sie ein schönes Bild ergab. Es dauerte lange, bis ich die Realität auch ohne "Spiegel-Reflex" zu genießen lernte.

Natürlich gilt nach wie vor, dass geteilte Freude doppelte Freude ist, aber man muss sich auch allein richtig freuen können. Vielleicht ist sie dann auch wertvoller für die Weitergabe.

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Ich fand eine Feldblume, bewunderte ihre Schönheit, ihre Vollendung in allen Teilen, und rief aus: "Aber alles dieses, in ihr und tausenden ihresgleichen, prangt und verblüht, von niemandem betrachtet, ja oft von keinem Auge auch nur gesehn!" - Sie aber antwortete: ,,Du Tor, meinst du, ich blühe, um gesehn zu werden? Meiner und nicht der andern wegen blühe ich, blühe, weil's mir gefällt: darin, daß ich blühe und bin, besteht meine Freude und meine Lust." 
A. Schopenhauer

Sonntag, 22. April 2018

Wollen wollen

"Es gibt nun einmal Phänomene, die sich nicht wollen lassen: ich kann nicht glauben wollen, ich kann nicht lieben wollen, ich kann nicht hoffen wollen, und am allerwenigsten kann ich wollen wollen. Diese und verwandte Phänomene lassen sich nämlich nicht manipulieren.  
Was not tut, ist der Mut zur Einsamkeit, die schöpferische Gestaltung der Einsamkeit, die Verwandlung der negativen Abwesenheit von Mitmenschen in die positive Gelegenheit zur Meditation. Die Industriegesellschaft legt einseitig Wert auf die vita activa, und diese Einseitigkeit bedarf ihrer Kompensation: der vita contemplativa. Das Gegenteil von Aktivität muß jedoch keineswegs Passivität sein, sondern kann auch Rezeptivität sein. Tatsächlich braucht der Mensch heute mehr denn je ein Gleichgewicht zwischen den schöpferischen Möglichkeiten, dem Leben einen Sinn zu geben, und den Gelegenheiten, die ihm Begegnung und Liebe geben, und....."
.. .die Fähigkeit, äußere Tragödien in innere
Triumphe zu verwandeln …

V. E. Frankl


Hinweis auf die "Sei-Spontan-Paradoxie" bei Paul Watzlawick:

Prediger

Obwohl nun schon seit geraumer Zeit Journalisten und Publizisten das Predigeramt ausüben, hat sich die die Moral der Gesellschaft nicht verbessert. Während beim Klerus nur einige als Moralapostel nicht glaubhaft waren, sind die meisten Schreiberlinge und Künstler auf diesem Feld schlichtweg deplaciert.

Ihnen ins Stammbuch einige Auszüge aus Simrocks "Deutsche Sprichwörter":

7989. Viel Predigen macht Kopfweh. 
7991. Wer zuviel predigt, verjagt die Zuhörer. [Rot/Grün]
7992. Das kommt vom langen Predigen. 
7993. Eine gute Predigt muß nicht zu breite Tressen haben, das Tuch muß noch daran zu sehen sein. 
7994. Der beste Prediger ist die Zeit. 
7995. Prediger haben Gehalt fürs Predigen, nicht fürs Tun. 
7996. Andern ist gut predigen. 
7997. Viel Prediger sind, die selbst nicht hören.

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Von Chr. Morgenstern stammt der Ausdruck "Schreibrichkeit" - offenbar im Anklang zu "Geistlichkeit".

Dienstag, 3. April 2018

Unerklärlich

Mir tun die Leute leid, die mit dem Unerklärlichen nicht leben können. Ich kann aber auch jene nicht leiden, die Kapital daraus schlagen.