Freitag, 25. September 2020

Vermessen

 »Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt; sie ist die messbare Seite derWelt«

meint der Frankfurter Philosoph Martin Seel.

 👉 https://kumpfuz.blogspot.com/2017/04/eigenma.html

Ich gestatte mir eine Variation:

Die mediale Sicht der Welt ist nicht die Welt; sie ist die mediale Sicht der Welt.

Mittwoch, 23. September 2020

Nation und Demokratie

"Zu diesen Lehren muß aber auch die Erkenntnis gehören, daß in der bisherigen Geschichte Nation und Demokratie immer eng verbunden waren, so daß man Gefahr für die Demokratie wittern sollte, wenn es, wie manche wünschen und schon bald erreicht zu haben meinen, mit den Nationen zu Ende geht." 

G. de Bruyn



Solche Hitze

"Solche Hitze bringt mich um und ist für mich gleich bedeutend mit völliger Brachlegung meiner leiblichen und geistigen Kräfte."

Th. Fontane (wer sonst?) Ein Hitzehasser wie ich.....


Donnerstag, 17. September 2020

Wegbereiter

Das Gemeinsame der großen Maler, Denker und Dichter besteht darin, daß die Nachkommen mehr Erfahrungen machen können, weil jene lebten. Ich glaube, Freud gehörte zu dieser erlauchten Schar. Allerdings macht erst das Alter eines Werks einen solchen Glauben zu einem Dekret des Weltgerichts.

L. Marcuse 

Da macht es auch nichts aus, dass sie jeder Menge Irrtümer erlegen sind, aber sie haben Türen geöffnet, die nie mehr geschlossen werden können.



"Tugendboldschaft"

 ...ist eine Wortschöpfung von Th. Fontane. 

Noch besser:

"Tugendpriester und Gesinnungstrampel"

oder

"Gesinnungstüchtige Großmäuligkeit"

Da befallen mich aber sofort heftigste Assoziationen!

Und gleich noch was Schönes:

"…. ist es gar nichts, aber journalistisch-moralisch angesehn, wenn sich diese beiden Adjektiva so dicht nebeneinander vertragen"

👀

Diese Verb-Schöpfung ist auch merkenswert:

"Zu den Merkwürdigkeiten, gehört auch, daß sich der Sprechanismus als Bekehrungsopfer immer solche aussucht, die auf bestimmten Gebieten eine größere oder kleinere Autorität sind. So daß man von ihm sagen darf: er hat sich nıe mit Kleinigkeiten abgegeben, er ist wählerisch, noblesse oblige. Er sucht sich seinen Mann, und wenn er ganz echt ist, so wird er einen Generalstäbler über die Fehler, die bei Mars-la-Tour gemacht wurden, und Mommsen über Geschichtschreibung bestandpunkten...."

Dienstag, 15. September 2020

Genußunfähig?

»In der Musik bin ich fast genußunfähig«‚ heißt es in einem Bekenntnis  Sigmund Freuds. Weshalb? Kunstwerke »erfassen« heißt: »mir begreiflich machen, wodurch sie wirken«. Aber muß man Kunst "erfassen", um sie zu genießen? Eine Wirkung vor diesem Sich-begreiflich-Machen zog er offenbar nicht in Betracht; Kunstgenuß war ihm erst möglich, nachdem er begriffen hatte, warum er berührt worden war. Man könnte einfacher sagen: er wurde gar nicht ursprünglich berührt. Er brauchte die Rationalisierung des Eindrucks als Vermittler zum Genuß. Erst die Einordnung schuf das Erlebnis. 

... es kommt bei der Musik besonders deutlich diese Unfähigkeit heraus, weil ihr prinzipiell fehlt (wenn man von dem bißchen TonMalerei absieht), was Freud den »Inhalt« nennt. Dieser Inhalt besteht in allen andern Künsten fast ausschließlich aus Elementen, welche Reales abbilden -zum Beispiel Formen, Farben, Gegenstände und Kreaturen; außerdem noch aus Begriffen. Reales und Begriffliches kann man be-greifen und begreifen; die Musik allein hat diese Elemente nicht. Freuds Vorstellung, daß die Freude am "Begreifen" eines Kunstwerks -Kunstgenuß ist, beweist, wie wenig er diesen spezifischen Genuß kannte. 

Ludwig Marcuse

Ich halte das für eine überzeugend gelungene Beschreibung jener Leute, die "Genuß" am Opern-Regietheater haben.


😝

Dazu ein Leserbrief von mir aus 2018:

 Im Musiktheater ist Regie heute wichtiger als Musik

Die Regisseure heften sich ihre Buhs an die Brust wie die russischen Generäle ihre Orden. Speziell was das Musiktheater betrifft, kalkulieren die Intendanten: Diejenigen, welche wegen der Musik kommen, kommen sowieso. Deshalb konzentrieren sie sich auf jene mit anderen Prioritäten.

Ich persönlich gehe nicht in die Oper um des intellektuellen Vergnügens willen, sondern sitze oder stehe dort "mit sinnlichem Interesse und geistiger Aufmerksamkeit" (Zitat Thomas Mann). Unbeschreiblich auf die Nerven gehen mir "Regisseure, die nicht eigentlich ein Stück, sondern ihren Kommentar zum Stück inszenieren" (Zitat Friedrich Dürrenmatt), auf Wienerisch gesagt: mir irgendwas "einidruckn" wollen.


Freitag, 11. September 2020

Andacht

 »Man sage nicht, daß eine Stimme uns heimlich und deutlich anvertraue, was recht sei. Dieselbe Stimme, die dem Christen zuruft, seinem Feinde zu vergeben, ruft dem Seeländer zu, ihn zu braten, und mit Andacht ißt er ihn auf.«

H. v. Kleist



Mittwoch, 9. September 2020

Das frühere Leben

"Wenn ich mein Leben noch einmal zu leben hätte, würde ich wieder so leben, wie ich gelebt habe: ich bedaure nicht, was vergangen ist, und ich fürchte nicht, was noch kommen soll; und wenn ich mich nicht täusche, ist mein Leben innerlich etwa ebenso abgelaufen wie äußerlich. Ich bin meinem Schicksal zu besonderem Dank verpflichtet, daß in meiner körperlichen Entwicklung jede Veränderung zu ihrer Zeit eingetreten ist; ich habe das junge Grün und die Blüten und die Frucht erlebt, und jetzt sehe ich, wie es allmählich vertrocknet: so ist es beglückend, weil es natürlich ist. Das Leid, das ich zu tragen habe, trage ich leicht, kommt es doch zu seiner Zeit und wird es doch gemildert durch die Erinnerung an das lange Glück meines früheren Lebens."

Montaigne 



Gipfel der Verlogenheit

 

Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als die Angst am Leben zu erhalten ... es ist ihr Geschäftsmodell.

Zuerst erzeugen sie Angst und dann schüren sie sie.

"Wie auch heute noch üblich, lenkte man die Volksmeinung unter dem Vorwand, sie wiederzugeben." (G.d.Bruyn)
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Mein Problem mit den Medien: Sie servieren die reinen Tatsachen mit schmutzigen Händen und auf schmutzigem Geschirr. Zum Beispiel würde ich manche Erzeugnisse der Wissenschafts-Küche viel bereitwilliger goutieren, wenn sie nicht von Kellnern mit schmutzigen Fingernägeln aufgetragen würden....

Und hier ein Musterbeispiel, ganz aktuell:


Wen wundert's? Wird ihnen ja täglich eingebleut.

Perversion XXI

No commemt. 

Mittwoch, 2. September 2020

Und wenn mich auch niemand liest...

 "Und wenn mich auch niemand liest, kann ich die Zeit als verloren ansehen, die ich zu so nützlichem und zugleich angenehmem Nachdenken verwendet habe, in all den Stunden, wenn ich nichts anderes zu tun hatte? "

Montaigne


Siehe auch:


Dienstag, 1. September 2020

Quis deus incertum est

 "So sage ich, Lucilius: Ein heiliger Geist sitzt in uns, als Beobachter und Wächter über unser Übel und Gutes; je nachdem er von uns behandelt wird, so behandelt uns dieser selbst. Ohne Gott ist aber niemand ein guter Mann: ob sich irgendjemand über das Schicksal erheben kann, wenn er nicht von ihm unterstützt wird? In jedem einzelnen der guten Männer wohnt Gott; welcher Gott, ist unsicher."

"....sacer intra nos spiritus sedet....Bonus vero vir sine deo nemo est....In unoquoque virorum bonorum quis deus incertum est habitat deus...."

Seneca, Ep.m.41

Mit der Übersetzung tun sich manche schwer und müssen ein Komma vor "quis" zu Hilfe nehmen! 😈