Samstag, 26. November 2022

Zuviel ist zu viel.

 Seneca:


Hier muss noch ein Link zu Watzlawick eingefügt werden.....

Die Besten

 Wenn man bedenkt, daß einst das ganze Altertum in seiner ökonomischen Situation, in seinen Herrschaftsverhältnissen auf der Sklaverei aufgebaut war, wenn man bedenkt, daß vielleicht die meisten der jetzt lebenden Menschen aus einer Sklavenfamilie stammen, wenn man sich vorstellt, daß Jahrhunderte verflossen sind, in denen zwei in so krassem Widerspruch zueinander stehende Klassen gelebt haben und daß auch heute noch bei gewissen Völkern der Kastengeist noch ganz prinzipiell durchgeführt ist, dann kann man schon verstehen, daß das Prinzip der Unterordnung und die Forderung danach noch immer in den Gemütern der Menschen rege ist und einen Typus zu formen vermag. Bekanntlich bestand im Altertum die Anschauung, daß die Arbeit als ein verhältnismäßig schmähliches Gewerbe von Sklaven zu verrichten sei, daß sich der Herr durch Arbeit nicht beschmutzen dürfe, daß er ferner nicht nur Befehlshaber war, sondern alle guten Eigenschaften in sich vereinige. Die herrschende Klasse bestand aus den »Besten« und das griechische Wort »aristos« bedeutet beides. Aristokratie war die Herrschaft der Besten. Entschieden wurde das aber natürlich nur durch Machtmittel, nicht etwa durch eine Prüfung der Tugenden und Vorzüge. Eine Prüfung und Klassifikation fand höchstens bei Sklaven, also bei Dienenden statt. Der beste war aber derjenige, der die Macht ausübte.

A. Adler

 

Ultimativ

 

Weder leugnen noch glauben. 


Lichtenberg

Sonntag, 20. November 2022

die Ersten

... die Erfahrung lehrt uns, daß es ım Leben nicht darauf ankommt, der Erste zu sein. Besser ist es, hier eher etwas zu übertreiben und zu sagen: 

Wir brauchen keine Ersten. Vor ihnen ist uns eigentlich schon übel.


Alfred Adler

Donnerstag, 17. November 2022

Der feststehende Punkt, den es in Wirklichkeit nicht gibt

Im Sinne einer Fiktion, in einer Art von wirklicher Schöpferkraft hängen wir uns an einen feststehenden Punkt, den es in der Wirklichkeit nicht gibt. Diese Annahme, eigentlich bedingt durch eine Mangelhaftigkeit des menschlichen Seelenlebens, gleicht vielen Versuchen in Wissenschaft und Leben, wie etwa dem, die Erdkugel ın Meridiane einzuteilen, die es nicht gibt, aber als Annahmen großen Wert haben. In allen Fällen seelischer Fiktionen haben wir es mit Erscheinungen folgender Art zu tun: wir nehmen einen fixen Punkt an, obwohl wir uns bei näherer Betrachtung überzeugen müssen, daß er nicht besteht. Wir tun das aber nur, um eine Orientierung im Chaos des Lebens zu gewinnen, um eine Rechnung ansetzen zu können. Alles, von der Empfindung angefangen, wird von uns in ein berechenbares Gebiet hineinversetzt, ın dem wir handeln können.

A. Adler

Samstag, 5. November 2022

Sanfte Forderung

 Lesen und Schreiben ist für ihn so nötig als Essen und Trinken, er hofft es wird ihm nie an Büchern fehlen. An den Tod denkt er sehr oft und nie mit Abscheu, er wünscht daß er an alles mit so vieler Gelassenheit denken könnte, und hofft sein Schöpfer wird dereinst sanft ein Leben von ihm abfordern, von dem er zwar kein allzu ökonomischer, aber doch kein ruchloser Besitzer war.

Lichtenberg

Das wünsche ich mir auch.....

Vexor

 Non tempestate vexor, sed nausea.

Seneca

...denn meine Kabinengenossin ist NICHT seekrank.

Montag, 31. Oktober 2022

Eine Lichtenberg-Sammlung...

...die ich noch nicht ordnen konnte. Vielleicht gebe ich zu einigen noch einen Kommentar dazu.

👬👬👬👬👭👭👭👭😙😙😙👊👊👊

Die Haare stehen einem zu Berge, wenn man bedenkt: was für Zeit und Mühe auf die Erklärung der Bibel gewendet worden ist.  Und was wird am Ende der Preis dieser Bemühungen nach Jahrhunderten oder -tausenden sein? Gewiß kein anderer als der: die Bibel ist ein Buch von Menschen geschrieben, wie alle Bücher. Von Menschen die etwas anderes waren als wir, weil sie in etwas andern Zeiten lebten; etwas simpler in manchen Stücken waren als wie wir, dafür aber auch sehr viel unwissender; daß sie also ein Buch sei worin manches Wahre und manches Falsche, manches Gute und manches Schlechte enthalten ist.

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Ich wüßte nicht welches angenehmer und nützlicher wäre, die Bewegung aller Planeten zu kennen, oder diese Annalen einiger vorzüglicher Menschen. Die Welt würde dadurch sehr gewinnen.

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Ob ich gleich weiß, daß sehr viele Rezensenten die Bücher nicht lesen die sie so musterhaft rezensieren, so sehe ich doch nicht ein was es schaden kann, wenn man das Buch lieset, das man rezensieren soll.

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Der schwächste aller Menschen ist der Wollüstling, der nach dem Leibe sowohl als der nach dem Geist, ich meine der Hurer und der Betbruder, der der mit Mädchen und der mit Religion hurt. Gott bewahre alle Menschen vor einem so hurenden Könige und Minister. Und Gott behüte einen solchen König und Minister vor vernünftigen Untertanen.

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Die Träume können dazu nützen, daß sie das unbefangene Resultat, ohne den Zwang der oft erkünstelten Überlegung, von unserm ganzen Wesen darstellen. 

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Ein Schullehrer und Professor kann keine Individuen erziehn, er erzieht bloß Gattungen

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Wenn man alt wird, muß man sich wieder junge Katzen und junge Ziegen anschaffen, um das bißchen Konsonanz das sich noch in den weichsten Fibern findet wieder zu erwecken.

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Verhunzdeutschen. Er hat es verhunzdeutscht.

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Es ist eine schöne Ehre die die Frauenzimmer haben, die einen halben Zoll vom Arsch abliegt!

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Das Höchste wozu sich ein schwacher Kopf von Erfahrung erheben kann, ist die Fertigkeit die Schwächen besserer Menschen auszufinden.

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Ich vergesse das meiste was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe, ich weiß aber so viel, beides trägt nichts desto weniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei.

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Was man so sehr prächtig Sonnenstäubchen nennt sind doch eigentlich Dreckstäubchen.

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Der Mann machte sehr viel Wind. B.O nein! wenn es noch Wind gewesen wäre, es war aber mehr ein wehendes Vakuum.

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Die Superklugheit ist eine der verächtlichsten Arten von Unklugheit.

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Wenn nur der Scheidepunkt erst überschritten wäre. Mein Gott wie verlangt mich nach dem Augenblick wenn die Zeit für mich aufhören wird Zeit zu sein, in dem Schoß des mütterlichen Alles und Nichts, worin ich damals schlief als der Hainberg angespült wurde, als Epikur, Cäsar, Lukrez lebten und schrieben und Spinoza den größten Gedanken dachte der noch in eines Menschen Kopf gekommen ist.

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Ich glaube von Grund meiner Seele und nach der reifsten Überlegung, daß die Lehre Christi, gesäubert von dem verfluchten Pfaffenschmier, und gehörig nach unserer Art sich auszudrücken verstanden, das vollkommenste System ist, Ruhe und Glückseligkeit in der Welt am schnellsten, kräftigsten, sichersten und allgemeinsten zu befördern, das ich mir wenigstens denken kann. Allein ich glaube auch daß es noch ein System gibt, das ganz aus der reinen Vernunft erwächst und eben dahin führt, allein es ist nur für geübte Denker und gar nicht für die Menschen überhaupt, und fände es auch Eingang, so müßte man doch die Lehre Christi für die Ausübung wählen. Christus hat sich zugleich nach dem Stoff bequemt, und dieses zwingt selbst dem Atheisten Bewunderung ab. Wie leicht müßte es einem solchen Geist gewesen sein ein System für die reine Vernunft zu erdenken, das alle Philosophen völlig befriedigt hätte. Aber wo sind die Menschen dazu? Es wären vielleicht Jahrhunderte verstrichen, wo man es gar nicht verstanden hätte, und so etwas soll dienen das menschliche Geschlecht zu leiten und zu lenken und in der Todesstunde aufzurichten? Ja was würden nicht die Jesuiten aller Zeiten und aller Völker daraus gemacht haben? Was die Menschen leiten soll muß wahr aber allen verständlich sein. Wenn es ihm auch in Bildern beigebracht wird, die er sich bei jeder Stufe der Erkenntnis anders erklärt. 

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Eine ganze Milchstraße von Einfällen.

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Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, eben so viel ohne allen Sinn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zu Hülfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir müssen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können.  So suchen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vieles Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ist. So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften usw. die sicherlich nicht die Absicht dieser Lagen sind. Symmetrie gehört auch hieher. Silhouette im Dintenfleck pp. Auch die Stufenleiter in der Reihe der Geschöpfe, alles das ist nicht in den Dingen, sondern in uns. Überhaupt kann man nicht gnug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unsere Ordnungen beobachten.

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Die Fliege, die nicht geklappt sein will, setzt sich am sichersten auf die Klappe selbst.

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Man kann würklich nicht wissen ob man nicht jetzt im Tollhaus sitzt.

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Die meisten Glaubens-Lehrer verteidigen ihre Sätze, nicht weil sie von der Wahrheit derselben überzeugt sind, sondern weil sie die Wahrheit derselben einmal behauptet haben.

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Was mögen wohl die Huren in den alten Zeiten geworden sein? Ob es da wohl auch Betschwestern gab?

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Die Vorstellung, die wir uns von einer Seele machen, hat viel Ähnliches mit der von einem Magneten in der Erde. Es ist bloß Bild. Es ist ein dem Menschen angebornes Erfindungsmittel sich alles unter diesen Formen zu denken.

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Wer eine Scheibe an seine Garten-Tür malt, dem wird gewiß hineingeschossen.

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Die Dinge außer uns sind nichts anderes als wir sie sehen, für uns wenigstens nicht, denn wir können bloß Relationen bemerken, weil die beobachtende Substanz ja beständig in das Mittel tritt. Gott selbst sieht in den Dingen nur sich.

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Sehr viele und vielleicht die meisten Menschen müssen, um etwas zu finden, erst wissen, daß es da ist.

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Es gibt große Krankheiten, an denen man sterben kann; es gibt ferner welche die (man), ob man gleich nicht eben daran stirbt, doch ohne viel Studium bemerkt und fühlt; endlich gibt es aber auch welche, die man ohne Mikroskop kaum erkennt, dadurch nehmen sie sich aber auch recht abscheulig aus und dieses Mikroskop ist Hypochondrie. Ich glaube, wenn sich die Menschen recht darauf legen wollten die mikroskopischen Krankheiten zu studieren, sie würden die Satisfaktion haben, alle Tage krank zu sein.

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Man hat vieles über die ersten Menschen gedichtet, es sollte es auch einmal jemand mit den beiden letzten versuchen.

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Um den Menschen nützliche Wahrheiten zu predigen ist alles erlaubt, was niemanden schadet oder kränkt, also auch Feenmärchen. Kein Mensch findet es mehr absurd daß die Tiere in der Fabel sprechen, warum sollte er es abgeschmackt finden, daß es Perlen regnet? Ein weiser Mann wird mehr tun, als mancher Zauberer in einem Feen-Märchen, wenn er einen Dumpfkopf weise machen könnte, warum soll er nicht in der Absicht etwas dichten?

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Bei einem Menschen, der mit Gottesfurcht prahlt, muß man nie eigentliche christliche Gesinnungen suchen.

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Es gibt sehr viele Menschen, die unglücklicher sind als du - gewährt zwar kein Dach darunter zu wohnen, allein sich bei einem Schauer darunter zu retirieren ist das Sätzchen gut genug.

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Neue Bäder heilen gut.

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Vom Wahrsagen läßt sichs wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheit sagen.

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Sympathie ist ein schlechtes Almosen.

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Die Menschen, die erst die Vergebung der Sünden durch lateinische Formeln erfunden haben, sind an dem größten Verderben in der Welt schuld.

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Da gnade Gott denen von Gottes Gnaden.

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Ora & non labora.

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Selbst unsere häufigen Irrtümer haben den Nutzen, daß sie uns am Ende gewöhnen zu glauben, alles könne anders sein, als wir es uns vorstellen. Auch diese Erfahrung kann generalisiert werden, so wie das Ursachen-Suchen, und so muß man endlich zu der Philosophie gelangen, die selbst die Notwendigkeit des principii contradictionis leugnet.

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Die beiden Begriffe von Sein und Nichtsein sind bloß undurchdringlich in unsern Geistes-Anlagen. Denn eigentlich wissen wir nicht einmal was Sein ist, und so bald wir uns ins Definieren einlassen, so müssen wir zugeben daß etwas existieren kann was nirgends ist. Kant sagt auch so was irgendwo.

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Es ist doch fürwahr zum Erstaunen, daß man auf die dunkeln Vorstellungen von Ursachen den Glauben an einen Gott gebaut hat, von dem wir nichts wissen, und nichts wissen können, denn alles Schließen auf einen Urheber der Welt ist immer Anthropomorphismus.

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Ich habe das Register der Krankheiten angesehn, und habe die Sorgen und traurige Vorstellungen nicht darunter gefunden, das ist sehr unrecht.

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Gott, der Vergelder alles Guten.

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Im Namen des Herrn sengen, im Namen des Herrn brennen morden und dem Teufel übergeben, alles im Namen des Herrn.

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Viel Hasen sind der Hunde Tod, sagt der Oberförster, dem man seinen Hund aus Versehen tod geschossen hatte weil der Schützen zu viele waren.

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Wir nehmen Dinge wahr vermöge unsrer Sinnlichkeit. Aber was wir wahrnehmen sind nicht die Dinge selbst, das Auge schafft das Licht und das Ohr die Töne. Sie sind außer uns nichts. Wir leihen ihnen dieses. Eben so ist es mit dem Raume, und der Zeit. Auch wenn wir die Existenz Gottes nicht fühlen, beweisen können wir sie nicht. 

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Für die Seele sorgen nur allein die Pastoren und die Philosophen, die sich oft den Handel einander verderben; für den Leib, außer dem Arzt und Apotheker, die Feldbauern, Müller, Bäcker, Brauer, Fleischer und Brannteweinbrenner, für das adoptierte Fell unzählige Weber, Schneider, Schuster, Hutmacher, Gerber, und dann endlich für das Wohnhaus der Schnecke der Baumeister, Zimmermann, Tischler, Schlosser, also für die Seele der Pastor allein. Freilich müssen hier noch die Wissenschaften eingewebt werden!

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Für den Verlust von Personen, die uns lieb waren, gibt es keine Linderung als die Zeit, und sorgfältig und mit Vernunft gewählte Zerstreuungen, wobei uns unser Herz keine Vorwürfe machen kann.

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Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, ebensoviel ohne allen Sınn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zuhilfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir mussen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können. Dieses ist schon längst gesagt, man kömmt aber von allen Seiten wıeder darauf. So suchen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vieles Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ıst, So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften u.s.w. die sicherlich nicht die Absicht dieser Lagen sind. Symmetrie gehört auch hieher. Silhouette im Tintenfleck pp. Auch die Stufenleiter ın der Reihe der Geschöpfe, alles das ist nicht in den Dingen, sondern ın uns. Überhaupt kann man nicht gnug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unsere Ordnungen beobachten. 

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Mancher Schriftsteller sobald er ein bißchen Beifall erhält glaubt alles von ihm interessiere die Welt, Der Schauspiel-Schmierer Kotzebue hält sich sogar berechtigt dem Publico zu sagen, daß er seiner sterbenden Frau ein Klistier gesetzt habe.

        Daran muß ich immer denken, wenn ein Schauspieler seine politischen Ansichten zum Besten gibt....


 

Sonntag, 2. Oktober 2022

Die Gelassenheit

 Die Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewußtseins.

M.v.Ebner-Eschenbach

Samstag, 24. September 2022

Überflüssiges

 Tagsüber manchmal ein Staunen, daß ich noch bin. 

Und der Wille, bis zum letzten Augenblick etwas zu »leisten« — die täglichen Pflichten oder auch anderes, Überflüssiges 

Solange ich es vermag, nicht aufhören.


Marai Sandor

Montag, 19. September 2022

Manier-ismus

 Mein verstorbener Freund nannte mich einmal einen "freundlichen Misanthropen". Da ist was Wahres dran: Wenn ich so meiner Öffi-Leidenschaft fröne und dadurch notgedrungen auch durch die Ameisenhügel der Bahnhöfe hindurch muss, so sehe ich fast nur Leute, mit denen ich nichts zu tun haben möchte. Läßt es sich aber nicht vermeiden, so trete ich mit Freundlichkeit  in Vorlage, ganz gleich wie unsympathisch mir das Gegenüber anfangs ist. Dann gibt es ein paar Möglichkeiten: 

  • Mein Gegenüber benimmt sich schlecht: Dann werde ich höflich und schaue, dass ich schleunigst  wegkomme. Das kann allerdings schwierig sein, vor allem dann, wenn man auf ihn angewiesen ist. Wichtig dabei ist immer, dass man auf Provokationen nicht reagiert und so dem Gegenüber keinen Anlaß gibt, seinen Frust loszuwerden.
  • ...oder er hat Manieren und ist offen und kommunikativ, dann bin ich es auch - manchmal sogar bis zur Herzlichkeit.
Insgesamt ist meine Grundhaltung ganz entgegen dem Mainstream: Ich bin skeptisch oder ablehnend gegenüber der Masse, dem Individuum gegenüber aber zumindest manierlich. Ähnlich ist es mit meiner Einstellung zur Immigration: Ich lehne die ungeregelte Zuwanderung grosso modo ab, aber ein großer Teil meiner Freunde waren und sind Zuwanderer. Auch hier hält es die sog. "Öffentlichkeit" anders.
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Freuds Märchen

 Es ist das Paradox der Wissenschaft, daß sie nur insoweit »exakte« Wissenschaft ist, als sie »Natur«-wissenschaft bleibt - sich also mit der physikalisch-chemischen Natur beschäftigt, in der ja der Mensch ein Fremdling ist. Je näher sich die Wissenschaft an den Menschen heranarbeitet, um so mehr hört sie auf, Wissenschaft zu sein, und wird bloße Spekulation. Geschichte, Ökonomie, Soziologie, Politologie, Psychologie - das alles nennt sich zwar heute Wissenschaft, ist es aber ebensowenig wie Philosophie und Theologie. 

Freuds Märchen zum Beispiel sind nicht wissenschaftlicher als Grimms Märchen; das Überich, das Ich, das Es, der Ödipuskomplex und der Todestrieb - alles Mythen und Symbole wie Dornröschen und Schneewittchen, voll ahnungsvoll-poetischen Tiefsinns, aber ohne jeden wissenschaftlichen Erkenntniswert.


Sebastian Haffner

Verdampft

 Marai Sandor:

Aus der institutionalisierten Religion verdampft genau das, was die Religion ist. 

Wie aus der Literatur und der Kunst der Inhalt verdampft, sobald sie institutionell sind.

Sonntag, 18. September 2022

Making of(f)....

 Es soll Leute geben, die mit den Stücken William Shakespeares nichts anfangen können, weil man über das Leben des Autors so wenig weiß.

Ja, man weiß ja nicht einmal, ob er ein Antisemit war oder nicht - das ist heutzutage das wichtigste Kriterium überhaupt.

👇👎👇

https://kumpfus.blogspot.com/search?q=making

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Die Kritik ist von geringer Qualität, die meint, ein Kunswerk nur dann richtig beurteilen zu können, wenn se die Verhältnisse kennt, unter denen es entstanden ist.

M.v.Ebner-Eschenbach


Gewußt wo

 Ob es dem Neurophysiologen hilft, wenn er seinen Liebeskummer im Hirn lokalisieren kann?

Donnerstag, 1. September 2022

Flickwörter

....merkt ıhr nicht deutlich daß vielen unserer Landsleute die Sprache schon zu kurz geworden ist, daher sie ın ihren Aufsätzen nicht allein die längst erlaubten Füll-Flick und Streckwörter, sondern sogar die sogenannten Flick-Bemerkungen nötig haben, während welcher dann der Geist die Zunge wieder einholt....

 [ Lichtenberg E 160)

Montag, 29. August 2022

Gutbuch

 Ein sicheres Zeichen von einem guten Buch ist, wenn es einem immer besser gefällt je älter man wird.


Lichtenberg

Montag, 22. August 2022

Einflüsse

 Wenn wir darin übereinstimmen, daß die ideale Methode, Wissenschaft zu lehren, darin besteht, dem Schüler die Möglichkeit zu geben, Newtons Gesetze von der Bewegung mehr oder weniger selbständig neu zu entdecken — kann man dieselbe Methode dann auch beim Vermitteln ethischer und moralischer Werte anwenden? Zunächst meinen wir unwillkürlich, daß Ethik im normalen Lehrplan nichts zu suchen hat, es sei denn, man spezialisiert sich auf Philosophie oder Theologie. Diese Antwort ist jedoch übereilt, denn bei allem, was wir in irgendeinem Fach unterrichten oder schreiben, vermitteln wir stillschweigend oder sogar ausdrücklich moralische Prinzipien und Werturteile. Der größte Aberglaube unserer Zeit ist der Glaube an die Wertfreiheit der Wissenschaft. Schon das Schlagwort Wertfreiheit beinhaltet ein  Programm und ein Credo.

Kein Schriftsteller oder Lehrer oder Künstler kann der Verantwortung entrinnen, andere zu beeinflussen, ob absichtlich oder nicht, ob bewußt oder nicht. Dieser Einfluß beschränkt sich nicht auf seine explizite Botschaft; er ist um so stärker und heimtückischer, als er größtenteils implizit ausgeübt wird - ein verborgener Verführer, dessen Lehren unbewußt aufgenommen werden,

A. Koestler

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Jedem Kenner des Menschen ist es bekannt, wie schwer es ist, Erfahrungen so zu erzählen, daß sich in die Erzählung kein Urteil einmischt. 

G. Ch. Lichtenberg



Zeitgeistige Schlüsse

 ... weil ich unterstreichen möchte, daß man präzise neurophysiologische Daten unterschiedlich interpretieren kann. Es ist, mit anderen Worten, einfach nicht wahr, daß die von der Wissenschaft gelieferten Daten automatisch zu dem Schluß führen, das Leben sei ohne Sinn und Zweck, sei nichts als Brownsche Bewegung in den Zufallsströmungen des kosmischen Wetters. Wir sollten vielmehr sagen, daß der Zeitgeist dazu neigt, voreingenommene Schlußfolgerungen aus den Daten zu ziehen, eine Tendenz zur Entwertung der Werte und zur Eliminierung von Sinn aus der Welt um uns und in uns besitzt.

 A. Koestler

So ist es auch mit der Wissenschaft und dem Thema Klimawandel!

Generalisierer

 »Die Gefahr liegt also gar nicht darin, daß sich die Forscher spezialisieren, sondern darin, daß die Spezialisten generalisieren

V. Frankl

Sonntag, 21. August 2022

Die letzte Ideologie

 

 

Eine Allzweckwaffe für alle, Jörg Scheller

Moral in voller Konsequenz zu leben, auch was den moralischen Gebrauch der Mittel betrifft, wäre die höchste Form der Lebenskunst. Doch beim Versuch, Moral gänzlich durchzusetzen, fallen die Mittel erfahrungsgemäss eher unmoralisch aus - es sei denn, man hat das Menschenverachtende vorausschauend als Teil menschenfreundlicher Moral legitimiert.

Schuldig durch Anklage, Alexander Wendt

Aus einer Bewegung, die angetreten war mit dem erklärten Ziel, Stigmatisierung zu beenden, ist ein Machtkomplex geworden, dem die Stigmatisierung von anderen längst nicht genügt. Das Stigma markiert Gegner, um sie anschliessend zu marginalisieren und schliesslich unsichtbar zu machen.

Macht der Maschinenmoral, Karsten Weber

Manche neigen dazu, bestimmte Formen der ( algorithmischen) Manipulation als Nudging zu bezeichnen -Algorithmen stupsen uns in die richtige Richtung, ob nun bei Ernährung, Fitness oder anderen moralisch hochgradig aufgeladenen Verhaltensweisen. Doch Nudging bleibt Manipulation, wenn auch in einem liberalen Gewand. Da kaum jemand von uns weiss, wie Algorithmen funktionieren und wessen (moralische) Urteile und Werthaltungen in deren Gestaltung einfliessen, sollten wir daher ins Grübeln kommen.

Moralismus ist der Borkenkäfer, Vera Lengsfeld

Auch als in der Coronakrise Grenzschliessungen angeordnet wurden, ist die illegale Einwanderung davon ausgenommen worden. Wer Asyl sagen kann, wird reingelassen, auch wenn er IS-Terrorist ist. Durchgesetzt wird das mit einem rigiden Moralismus, der auch die leiseste Kritik als fremden- oder gar menschenfeindlich stigmatisiert.

Der Gell-Mann-Amnesia-Effekt

 Der "Gell-Mann-Amnesia-Effekt"

bezieht sich auf die Medienrezeption:

Wer sich in einem Fachgebiet gut auskennt, empfindet die Berichterstattung darüber meist als verzerrt, fehlerhaft und verständnislos. Sobald die Person aber mediale Beiträge zu anderen Themen wahrnimmt, verschwindet dieser Eindruck: Das Vertrauen in die journalistische Arbeit ist wieder hergestellt ( deshalb »Amnesia«),

Herkunft

Den Effekt hat der Schriftsteller Michael Crichton in einer Rede von 2002 zum ersten Mal beschrieben. Er bezieht sich dabei auf seinen Freund und Physiker Murray Gell-Mann.

Briefly stated, the Gell-Mann Amnesia effect is as follows. You open a newspaper to some subject you know well....You read the article and see the journalist has absolutely no understanding of either the facts or the issues. Often, the article is so wrong, it actually presents the story backward - reversing cause and effect. I call these the "wet streets cause rain" stories. Paper's full of them.

In any case, you read with exasperation or amusement the multiple errors in a story, and then turn the page to national or international affairs, end read as if the rest of the newspaper was somehow more accurate about Palestine than the nonsense you just read. You turn the page, and forget what you know.

That is the Gell-Mann-Amnesia effect. I'd point out it does not operate in other arenas of life:. In ordinary life, if somebody consistently exaggerates or lies to you, you soon discount everything they say. In court, there is the legal doctrine of falsus in uno, falsus in omnibus„ which means untruthful in one pattern, untruthful in all. But when it comes to the media, we believe against evidence that it is probably worth our time to read other parts of the paper. When, in fact, it almost certainly isn't. The only possible explanation for our behavior is amnesia.


 

Umwandlung von Begriffen

Typisch dafür, wie wissenschaftliche Entdeckungen von den Medien und dem Laienpublikum aufgenommen werden, scheint zu sein. daß bestimmte, ungenau oder schlicht falsch interpretierte Begriffe oftmals das einzige sind, was auf dem Weg von der Fachzeitschrift zur Illustrierten oder zum Taschenbuch übrigbleibt. Die wichtigen Einschränkungen und Unterscheidungen, manchmal sogar die eigentliche Idee, gehen unterwegs leicht verloren. Man denke nur an den weitverbreiteten Gebrauch so beliebter Begriffe wie »Ökologie« oder »Quantensprung«, ganz zu schweigen von dem New-Age-Ausdruck »Energiefeld«. Natürlich kann man einwenden, daß Begriffe wie »Chaos« und »Energie« schon vor ihrem fachsprachlichen Gebrauch in Umlauf waren. doch werden ja gerade diese fachsprachlichen und nicht etwa die ursprünglichen Bedeutungen entstellt wiedergegeben.

Angesichts immer wirkungsvollerer schriftstellerischer Methoden, mit denen sich bestimmte nützliche Begriffe in nichtssagende Klischees verwandeln lassen, sollten wir unbedingt vermeiden, daß die verschiedenen Komyplexitätsbegriffe dasselbe Schicksal erleiden. 

M. Gell-Mann. 

________________

>>> "schriftstellerisch" - im Original heißt es 'literary' - und das finde ich nicht gut übersetzt; allerdings fehlt mir auch das entsprechende deutsche Wort dafür. Aber wörtlich "literarisch" wäre immer noch besser.

Sonntag, 7. August 2022

30 % der Autos müssen weg!

 Leserbrief an WZ wg. Artikel am 30.7.22 mit der Überschrift:  "30 Prozent der Autos müssten weg….."

(abgeschickt, aber nicht veröffentlicht).

 …. gemeint sind natürlich damit die Menschen, die sie fahren und die damit gefahren werden – nur darf man das halt so nicht sagen.

Die vielzitierte Gentrifizierung tritt in mancherlei Gestalt auf, gemeinsames Ziel ist in jedem Fall die Verdrängung der Alt-Mieter aus ihren Altbauwohnungen, wobei „alt“ hier sowohl die Mietdauer als auch des Lebensalter der Bewohner bedeutet. Im Wesentlichen gibt es zwei Methoden: Die eine ist die offene und brutale "kapitalistische", wie sie von sog. Investoren gehandhabt wird; dagegen kann man sich u. U. mit Rechtanswälten wehren, wenn man dazu das Geld hat. Gegen das andere Verfahren, ich nenne es das versteckte "ideologische",  ist man wehrlos, denn wie soll man sich gegen politischen Druck wehren - außer einmal alle heiligen Zeiten an der Urne?  

In meinem konkreten Fall „sitze“ ich seit über 50 Jahren in einer ursprünglich devastierten Wohnung im Herzen der Leopoldstadt, die im Laufe der Jahrzehnte mit viel Aufwand immer wohnlicher gemacht wurde; naturgemäß ist der Mietzins für die neuerdings "hippe" Gegend niedrig und aus Sicht der Vermieter skandalös.

Von Anfang an war ich ein eingefleischter Öffi-Benutzer, ein sog. ‚early adopter‘ der Sparangebote wie Jahreskarte, Vorteilskarte und  jetzt Ö-Klimaticket. Daneben hielt ich mit aber auch seit fast 50 Jahren ein Automobil, das mit den Jahren immer kleiner – sprich kürzer – wurde und anfangs meinen nicht-beruflichen Aktivitäten (Ferien, Urlaub) diente und jetzt, da ich am rechten Fuß der Alterspyramide angelangt bin, meine verbliebenen sozialen und touristische Aktivitäten unterstützt; wohlgemerkt nur jene, die öffimäßig nicht zu realisieren sind. Dafür zahle ich natürlich seit Jahren die nicht gerade wohlfeile Parkgebühr der Gemeinde Wien, die ich aber immer öfter als eine offene Verhöhnung empfinde - wenn ich z. B. 20 Minuten und mehr im Grätzel um die Praterstraße herumkurven muß, um ein bescheidenes Plätzchen für mein Minigefährt zu finden.

Das Interregnum der Grünen in der Bezirksverwaltung Leopoldstadt war zwar nur von kurzer Dauer, aber offenbar sehr nachhaltig. Teils haben sie noch selber die Parkplätze weggeschmolzen, teils haben sie offenbar die Bestands-Beamtenschaft unterwandert oder wirksam umerzogen. Jedenfalls wird seit dieser Zeit der Parkraum permanent und systematisch verringert, sei es durch sehr großzügige Gewährung von Sperren zugunsten der Baufirmen (ein Schelm, wer....) oder durch gezielte Parkraumvernichtung zugunsten aberwitziger Fahrradspuren gegen die schmale Einbahn. Es ist mir durchaus klar, dass man der zunehmenden Fahrrradbegeisterung Rechnung tragen muss, aber bitte nicht durch fanatische, praxiswidrige Ho-ruck-Aktionen!

Gegen die Immobilienhaie, in deren Beuteschema ich natürlich ideal passe und die gerade in der Leopoldstadt aus historischen Gründen sehr aktiv sind, kann ich mich mit Hilfe von Rechtsanwälten (noch) wehren, aber was soll man gegen die Vertreibungstaktik einer  Stadt- und Bezirksverwaltung machen, die auf einer grünen Hype-Welle stimmenheischend dahinsurft und dabei die alteingesessenen Bewohner unter sich begräbt?  Denn offenbar arbeiten die Kräfte der Biologie für manche zu langsam.

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Eine "lustige" Episode an der Kreuzung Novaragasse mit der Weintraubengasse: 

Ein junger E-Scooter-Fahrer fährt in der Mitte der Novaragasse gegen die Einbahn mit full-speed, obwohl es dort ausnahmsweise gar keine Fahrrad-Markierung gibt. Von der Weintraubengasse, die an und für sich Vorrang gegenüber der Novaragasse hat, kommt ein  älterer Radler in der Einbahnrichtung auf einem alten Fahrrad, ganz normal und korrekt auf der rechten Seite der Straße. An der Kreuzung stossen die beiden zusammen - gottseidank ohne ernste Folgen außer einem heftigen Schimpfduell: Der E-Mensch beruft sich auf den Rechtsvorrang....


Käme die Sache vor Gericht, käme es hauptsächlich auf die "Gesinnung" der Richter*In an ...... oder ?

??? 

Man darf ja davon ausgehen, dass für die Propheten und Adepten der neuen Mobilitätsformen die STVO für anachronistisch gilt.

Journalisten ...

 Karl Kraus:

Den Journalisten nahm ein Gott, zu leiden, was sie sagen.

Samstag, 7. Mai 2022

Sachen

 ....dass ich keine positive Idee des Unendlichen haben kann, weil ich selbst ein sehr endliches Wesen bin.

...dass ich keine Substanz erkennen kann, weil ich bloß eine Idee von ihren Eigenschaften haben kann, und weil tausend Eigenschaften einer Sache mir noch nicht die Erkenntnis der Sache selbst verschaffen können, und welche überdies noch zehntausend andere unbekannte Qualitäten haben kann. 

Voltaire

Headline

Wie doch Bangen mich bindet!

Sorg und Furcht

fesseln den Sinn.

Wagner, Rheingold

Posthume Version:

"In Ängsten findet manches statt, 
was sonst nicht stattgefunden hat." 
(W.Busch)



Massenmörder oder Kritiker

 There is, perhaps, no more dangerous man in the world than the man with the sensibilities of an artist but without creative talent. With luck such men make wonderful theatrical impresarios and interior decorators, or else they become mass murderers or critics.

Barry Humphries


Freitag, 8. April 2022

Die Wahrheit hat ihre Hindernisse....

 Denn das ist nichts Neues bei den Weisen, uns die Dinge so zu predigen, wie sie nützlich, nicht, wie sie wirklich sind. Die Wahrheit hat ihre Hindernisse, Unbequemlichkeiten und Unvereinbarkeiten für uns. Man muß uns oft täuschen, damit wir uns nicht selber täuschen, und unsere Augen verbinden, unsern Verstand betäuben, um sie zu bilden und zu bessern. »Die Unerfahrenen unterfangen sich zu urteilen; man muß sie daher oft betrügen, damit sie nicht irregehen.« (Quintilian, Inst., II, 17) Wenn sie uns befehlen, drei, vier, fünfzig Kategorien von Dingen mehr als uns selbst zu lieben, so machen sie es wie die Bogenschützen, die, um ins Ziel zu treffen, sehr hoch darüber zielen.


Montaigne

 

I am fond of pigs

 I am fond of pigs. Dogs look up to us. Cats look down on us. Pigs treat us as equal.

W. Churchill

Mittwoch, 6. April 2022

Gegenwart

 Für Leute, die nur Vergangenheit und Zukunft kennen und nicht in jedem Momente der Gegenwart eine Ewigkeit leben können, ja für solche muß der Tod schrecklich sein! Wenn ihnen die beiden Krücken Raum und Zeit entfallen, dann sinken sie ins ewige Nichts.


H. Heine

Dienstag, 5. April 2022

Katzen: Wunderwesen auf leisen Pfoten

 Von Georg Biron, geboren 1958, lebt als Schriftsteller, Reporter, Regisseur und Schauspieler in Wien.

Zur Natur-, Kultur- und Mediengeschichte des sagenumwobenen, einzelgängerischen Pelztiers.
WZ vom 04.09.2021, 08:00 Uhr I Update: 04.09.2021, 08:11 Uhr

Die geheimnisvolle Katze ist aber nicht nur auf der Musicalbühne zu finden, sondern in fast jeder Kultur, und schon früh wurde sie als Vermittlerin zwischen den Welten bewundert.

Die Katze begleitet die Götter auf leisen Pfoten, sie wandelt als Botschafterin zwischen Heiligen und Menschen umher, sie streift durch die gespenstischen Landschaften unserer Träume und schützt uns vor den Mächten des Bösen. Sie hütet die alten Geheimnisse der Natur, und manchmal kann sie sogar Tote wieder zum Leben erwecken. Ganz nebenbei tragen Katzen die Weisheiten aller großen Philosophien in sich.

Der amerikanische Poet Dilys Bennett Laing berichtet von einem Gespräch mit seiner Vertrauten: "Ich ließ das Buch ,Die Bedeutung des Zen' sinken und sah die Katze in ihr Fell lächeln, während sie es sorgsam mit ihrer rosa Zunge kämmte. ,Katze, ich würde dir dieses Buch zum Lernen leihen, aber es scheint, als hättest du es schon gelesen.' Sie hob ihren Kopf und sah mich direkt an: ,Sei nicht albern', schnurrte sie, 'ich habe es geschrieben'.

Es ist wie mit den Beatles und den Rolling Stones. Wie mit Georg Danzer und Wolfgang Ambros. Wie mit Austria und Rapid. Oder wie mit Hund und Katz'. Es sind unterschiedliche Weltanschauungen, die die Menschen in zwei Gruppen teilen - und am Ende doch ein Ganzes ergeben. "Ein Hund ist Prosa", sagt ein Sprichwort, "eine Katze Poesie." Jedenfalls teilen diese rätselhaften pelzigen Wesen seit vielen Jahrtausenden mit uns Haus und Hof - und doch wissen wir relativ wenig über diese einzelgängerischen Tiere.

Meine Kätzchen lieben mich. Sie stammen von einem steirischen Bauernhof, heißen Che und Chica und haben eine neue Qualität in mein Leben gebracht. Katzen sind perfekte Partner für einen lebenslustigen, verspielten Schriftsteller und dienen als sinnlich- luxuriöse Musen und emotionale Energiespender gegen Mangelerscheinungen des modernen Lebens. Kollegin Eva Demski hat einmal notiert: "Katzen sind das fellgewordene Lob der Geduld, der Ruhe und der Einkehr. Sie sind die besten Genossen, wenn man allein ist und nicht allein sein will."

....ihre Liebe beschämt mich an manchen Tagen. Ich habe diese Zuneigung nicht verdient, denke ich - und stehe augenblicklich in ihrer Schuld. Beschämt eile ich zum Kühlschrank, gefolgt von Che und Chica, um ihnen Essen und Trinken zu servieren, und als Zeichen ihrer Zuneigung und Liebe kommen sie nachts zu mir ins Bett und legen mir ihre Pfötchen auf die Schultern.

"Auf Katzenpfaden"

Viele Frauen werden auch heute noch mit dem Vergleich mit einer Katze konfrontiert - nicht nur in Österreich, wo der Ausdruck ''klasse Katz" erotisches Verlangen in die Augen mancher Männer zaubert.

Auch die schöne Carmen aus Spanien soll viel von einer stolzen Katze an sich gehabt haben, die niemals kommt, wenn man(n) nach ihr ruft, sondern sich nur dann nähert, wenn sie selbst es will. Und natürlich ist Carmen in der Vorstellung von Frauenhassern falsch und treulos, wie eine Katze eben, die sich an ein und demselben Tag mehreren Katern lustvoll hingibt.

In der männlichen Phantasie ist die Katze eben mehr als nur ein schmeichlerisches Wesen mit exzentrischem Sexualtrieb. Die Katze erscheint dann als die Frau schlechthin. Und in der Geschichte ist sie oft auch die Begleiterin von sehr eigenständigen Frauen, die ihren Willen nicht von Männern, sei's Geliebter oder Vater, brechen lassen wollen. Schöne Feen, tapfere Göttinnen und verfluchte Hexen treiben sich mit Katzen herum - Frauen eben, die sich nicht so leicht besitzen lassen.

Die Kulturgeschichte der Miezen ist auch Religionsgeschichte. Buddhisten beispielsweise sind davon überzeugt: "Indem man das Wesen einer Katze meditiert, vermag man die Erleuchtung zu erlangen." Zu sehr sollte man sich in Katzen aber nicht verlieben, weil eine solche Liebe vom Nirwana ablenkt. Deshalb hat der Dalai Lama vor kurzem eine kleine Katze weggegeben, die ihm zu sehr ans Herz gewachsen ist.

Die alten Ägypter sahen in den Veränderungen an der Pupille im Katzenauge das Zunehmen und Abnehmen des Mondes. Auch die Inder, die schon vor mehr als 5.000 Jahren die pelzwangigen Raubtiere zu schätzen wussten, brachten sie mit dem Mond in Verbindung, den sie sich als weiße schlafende Katze vorstellten. Weil sich Katzen beim Schlafen zusammenrollen, gelten die kleinen heiligen Tiere als Symbol des Lebensflusses schlechthin, als Verbindung zwischen Ende und Anfang. Und natürlich auch als nützliche Hausgeister, die plündernde Nagetiere von gefüllten Vorratskammern fernhalten.

Der Maler Hieronymus Bosch, Schöpfer üppiger, wilder Welten auf Leinwand, zeigt uns im Garten Eden die Katze als gnadenlose Jägerin von Ungeziefer. Und auch Albrecht Dürer lässt zwischen Adam und Eva in paradiesischer Ruhe eine Katze schlummern.

In den dunklen Zeiten der Hexenverbrennungen warf man Millionen von Katzen auf die Scheiterhaufen, um die Verbündeten der ''Teufelsweiber" auch gleich mit auszurotten. Der "Ketzer" und die "Katze", das klang für die katholischen Inquisitoren verdächtig ähnlich. Verschont wurden nur Tiere, deren Fellzeichnung auf der Stirn ein "M" zeigte - "M" wie Maria, die heilige Jungfrau. Die anderen Katzen waren durch die Gottesmutter nicht geschützt: Sie starben in den Flammen, gemeinsam mit den Hexen.

"Darum spielen die Katzen in den Hexensagen eine so wichtige Rolle. Entweder sie bilden das Gespann der Hexen, oder die Hexen nehmen die Gestalt dieser Tiere an", meinte der tschechische Forscher Friedrich Nork. Die Verfolgung der Hexen und ihrer heiligen Katzen war nur der schreckliche und sichtbare Ausdruck für das Zurückdrängen einer Seite des menschlichen Wesens. Diese wurde von Priesterinnen, Sippenmüttern, Heilkundigen und Hebammen bis ins Mittelalter vertreten. Die "heilige Hatz auf die Katz" ist heute zwar vorbei, der Volksmund weiß aber immer noch Bescheid über den sagenhaft unheilvollen Zusammenhang zwischen Katze und Frau: "Auch die kleinste Katze kratzt!" und: "Erst leckt die Katze, dann krallt sie!"

"Unter sämtlichen Geschöpfen gibt es nur eines, das nicht zum Sklaven der Peitsche gemacht werden kann", notierte der Literat Mark Twain. "Dieses Geschöpf ist die Katze. Wenn der Mensch mit der Katze gekreuzt werden könnte, dann würde der Mensch wohl verbessert, die Katze aber verschlechtert werden."

Noch nie gab es in Österreich so viele Haustiere wie heute: mehr als vier Millionen. Ein gutes Drittel davon sind Katzen. Allein in Wien lebt in fast jedem dritten Haushalt eine Katze, und fast jedes zweite goldene Wienerherz ist davon überzeugt, dass ein Tier mehr Wert hat als ein Mensch.

Wer im Alltag mit vielen Menschen zu tun hat, wendet sich in seiner Freizeit oftmals Tieren zu - und fühlt sich dort weitaus besser verstanden als in menschlicher Gesellschaft. Katzenliebhaber sind vielleicht sogar zärtlichere Menschen. Sie sind kühne Abenteurer im Geiste und sind fasziniert vom weltumspannenden Freiheitsgedanken.

"Selbst die kleinste Katze ist ein Wunderwerk", bemerkte Leonardo da Vinci voller Ehrfurcht. Sie sind empfindliche Tiere, sehen sechsmal besser als der Mensch und hören auch mit den Augen, weil sie beim Schauen bestimmte Frequenzen spüren, die außerhalb unserer Wahrnehmung liegen. Bei Dunkelheit sehen sie ihre Umgebung wie mit einer Infrarotbrille. Außerdem können sie ihre Ohren wie Antennen einstellen und damit mehr Laute wahrnehmen als der Mensch. Und in der Nasenspitze sind 19 Millionen Nervenenden - beim Mensch nur fünf Millionen.

Immer wieder werden Katzen auch als therapeutische Heilmittel eingesetzt - mit erstaunlichen Erfolgen. Kranke Menschen, die eine Katze an ihrer Seite haben, so berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", werden nachweislicher schneller gesund, und deshalb empfehlen 75 Prozent der Ärzte ihren Patienten in erster Linie Katzen als Haustiere. Das Katzenfell ist eine Art Mikrowellenstrahler, der in einem für Pflanzen, Tiere und Menschen besonders günstigen Frequenzbereich von 1,5 bis 6 Gigahertz wirkt. Fühlen wir uns gerade deshalb in Gesellschaft von Katzen so wohl?

"Die Katze wird als ein Kunstwerk der ganzen Schöpfung erlebt, deren Schönheit sogar Götter und Feen begeistert", weiß Sergius Golowin, der über die "Göttin Katze" ein beeindruckendes Buch geschrieben hat. Tausende Sagen und Märchen hat Golowin gelesen, um die Seele der Katze zu erforschen. Bis zu seinem Tod vor 15 Jahren hat er sich mit den kleinen "Glückssternen auf der Erde" befasst - und konnte ihr Geheimnis doch nicht lüften: "Bei all den schönen Überlieferungen und Regeln darf man niemals vergessen: Meistens sind es gar nicht wir, die die Katze unseres Lebens finden. Sie findet uns! Auf einmal haben wir sie, obwohl sie oft gar nicht so aussieht, wie wir es uns vorher gewünscht haben."

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Und hier Beiträge von mir:

UNTERSCHIED.

Dem Herrchen parieren:

Oberste Hundepflicht!

Derlei Manieren

Braucht mein Kater nicht.

(aus https://kumpfus.blogspot.com/ )


oder aus meinem Twitter:

https://twitter.com/kumpfuz/status/1507754155301027847?s=20&t=MX34hL-rpt-T3qsW10bbGw



Regietheater ... zum x-en Mal.

Heinz Friedrich

(anläßlich eines lang zurückliegenden Theaterskandals in Stuttgart durch Neuenfels 🕀 )

……….. Die Feuilletonisten brannten Brillantfeuerwerke fortschrittlich-kulturrevolutionärer Schlagworte ab, um für die bedrohte künstlerische Freiheit zu demonstrieren und das repressive Verhalten eines verstockten Kulturestablishments zu brandmarken.………….. Auseinandersetzungen dieser Art gab es beim Theater schon immer - und sie werden auch in Zukunft nicht ausbleiben. Sich deshalb ideologisch zu verausgaben erscheint müßig. Aber Sachlichkeit und vernünftige Gelassenheit ist offenbar nicht das Gebot der feuilletonistischen Stunde. Jede Andeutung eines Skandals wird gern und willig aufgegriffen, um die tierisch-ernste Streiterpose des Gerechtigkeitsfanatikers einzunehmen und meinungsöffentliche Gardinenpredigten vom Stapel zu lassen. 

Neuenfels aber, auf theatralische Aggression versessen…… terrorisiert auch die Phantasie des Zuschauers, indem er ihr die vordergründigste und gemeinste Interpretation des Stoffes agitatorisch aufzwingt. ……………. oder zumindest zu einem Stichwortgeber für unkontrollierbaren Theaterzirkus herabwürdigt. Denn schließlich soll und muß sich der Theaterregisseur (wie jeder Interpret) am Beginn seiner schöpferischen Auseinandersetzung mit einem vorgegebenen Stoff die Frage stellen, welchen Absichten den Autor gefolgt sei. Die Antwort auf diese Frage läßt ohnehin schon Spielraum genug für künstlerische Mißverständnisse, Fehlleistungen und Eigenmächtigkeiten, die nicht mit dem Urheberrecht in der Hand geahndet werden können. Wird dieser Spielraum durch die ideologische Willkür des Regisseurs jedoch noch zusätzlich ausgenutzt, so steigert sich die Interpretation zur brutalen Vergewaltigung.

Allerdings ist das Stuttgarter Theatermißgeschick kein Einzelfall, sondern es veranschaulicht im Gegenteil nur ein Symptom gegenwärtiger Theaterpraxis: Vergewaltigungen dieser und ähnlicher Art ereignen sich nämlich allenthalben auf unseren Bühnen; nur kann sich die Mehrzahl der Autoren…., nicht mehr wehren, weil sie längst unter der Erde modert und auch kein finanziell interessierter Sachwalter und kein Urheberrecht für ihre postumen Interessen eintritt - wir meinen die Klassiker, die mehr und mehr dem ideologischen Regietheater zum Opfer fallen. In der ebenso flachen wie irrigen Meinung, die Klassiker seien gesellschaftlich überholt oder repräsentierten gar den Höhepunkt bürgerlicher Repression, kühlen zahlreiche Jung-Regisseure ihr szenisches Mütchen an den Uropas der Schaubühne. ….. Schließlich stellt man gotische Madonnen ja auch nicht in öffentlichen Bedürfnisanstalten aus, um auf ihre Kritisierbarkeit aufmerksam zu machen ...

Gewiß: Kunstwerke sind keine starren Denkmalgrößen, die unreflektierte Bewunderung erheischen. Sie müssen sich, wollen sie lebendiger Wirkung nicht entraten, späteren Generationen stets erneut zur Auseinandersetzung stellen. Aber es ist immerhin ein Unterschied, ob diese Auseinandersetzung auf gleichrangigem Niveau oder in Form gemeiner Notzucht erfolgt. Politisch-tendenziöse Verfälschung eines Kunstwerkes aber ist Notzucht, weil sie die freie Meinungsäußerung des Autors manipuliert oder gar verhindert (ob der Autor längst tot ist oder noch unter den Lebenden weilt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle). Steht es den kultur- und sozialrevolutionären Provokateuren doch frei, sich ihre Stücke selbst zusammenzuzimmern oder sie zusammen mit einem gleichgesinnten Autorenteam zu erarbeiten. Niemand wird sie daran hindern, dann von ihrer so mimosenhaft verteidigten Gedankenfreiheit praktischen Gebrauch zu machen und ihre szenischen Visionen in dem geistigen Parterre vorzuführen, das ihnen gemäß erscheint.

Um so nachdrücklicher aber scheint angesichts solcher Toleranz Achtung vor den Werken anderer Autoren geboten; denn wie soll Diskussion entstehen, wenn alle Texte über den gleichen ideologischen Theaterleisten manipuliert werden? Nur die Werktreue garantiert die geistige Auseinandersetzung, weil sie dem Autor ohne selbstherrliches Dreinreden das entscheidende Wort läßt. In diesem Sinn ist Werktreue kein leerer oder gar repressiver Wahn, sondern ein Gebot, durch dessen Nichtachtung künstlerische Interpretation sich selbst stranguliert………... Oder sollte gar zutreffen, daß künstlerische Freiheit nur dem zusteht, der sich modisch-progressiv gebärdet? Dann allerdings wären wir bald an dem Punkt angelangt, an dem die Freiheit, die solche Fortschrittler meinen, ihre repressiven, terroristischen Züge zynisch enthüllt nach dem Motto: Willst du nicht meiner Meinung sein, so schlag ich dir den Schädel ein.

 

Heinz Friedrich: Weitere Zitate zum "modernen" Theater:

... selbstgefällig projizieren sie ihre eigenen Hirngespinste an das Zeltdach und behaupteten keck, dies sei die Wirklichkeit. Nun aber, da diese Wirklichkeit nicht standhält und die Trapeze über leeren Sitzreihen schaukeln, predigen sie Besinnung und begeben sich ins Parterre, um den verachteten Brüdern die Hand zu reichen und der engagierten Subkultur das Wort zu reden. So geraten sie von einem Extrem ins andere. Denn sowenig die Kunst im luftleeren Raum über den Köpfen der Gesellschaft sich etablieren kann, so wenig sollte sie sich unmittelbar mit der Gesellschaft gemein machen und mit ihr auf die Barrikaden der alltäglichen Bedürfnisse (oder auch nur Scheinbedürfnisse) steigen. Kunst manifestiert sich nämlich weitaus häufiger in einem Spannungsverhältnis zur Gesellschaft als in Übereinstimmung mit ihr. Das liegt nicht zuletzt in der anthropologischen Tatsache begründet, daß der täterische Mensch geschichtlich bestimmender auf die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse einwirkt als der schöpferisch reflektive, dessen geistiger Einfluß sich in der Regel nur allmählich (und oft erst über Generationen hinweg) durchsetzt.

Viele Parnass-Wanderer litten an ihren Zeitgenossen, die für sie nur die Qual der Ignoranz bereithielten. Genies sind gesellschaftlich unbequem. Seit den Tagen der Renaissance, als sich die Künstler ihrer schöpferischen Individualität bewußt wurden, kämpfen die Dichter, Komponisten und Maler nicht nur um ihr Publikum, sondern meist auch gegen ihr Publikum. Wer nicht bereit ist, sich der Tagesrhetorik zu unterwerfen und dem Für und Wider der Meinungen zu huldigen, kurzum: wer sich gesellschaftsideologisch nicht integrieren läßt, dem wird erbarmungslos die Außenseiterrolle zugewiesen; um den Preis der Einsamkeit und Verkennung muß er sein Werk schaffen.

Denn große Kunst strebt, und zwar auch dort, wo sie sich zu engagieren scheint, stets nach Ausdruck überzeitlicher Sachverhalte; die Bindung an das Zeitliche widerstrebt ihrem innersten Antrieb und Auftrag. Aus dem Sieg über die Zeit bezieht sie ihre Faszination und ihre Dauer über den Tag hinaus. Wäre die Schilderung gesellschaftlicher Verhältnisse das Hauptmerkmal Shakespearescher Trauerspiele, so würden uns heute kaum noch die Schicksale Hamlets, Othellos oder Romeos erschüttern - ganz zu schweigen von den Inhalten der antiken Tragödie, die mit unserer modernen Gesellschaftsstruktur ebensowenig oder ebensoviel gemein haben wie ein Überschallflugzeug mit dem Schneider von Ulm. Auch der Apoll von Belvedere, auf seine gesellschaftliche Aussagekraft beschränkt, erschiene uns lediglich als kunstfertig gerundeter Marmor und nicht als Inkarnation vergöttlichter und zum geistig-sinnlichen Leitbild erhobener Menschengestalt.

Es sind also kaum die gesellschaftlichen Konstellationen vergangener Epochen, die uns in den überlieferten Kunstwerken ergreifen. Ebensowenig aber ist bildungsbürgerliche Kulturheuchelei für die Präsenz künstlerischer Überlieferung verantwortlich: musealer Kunstgenuß, zum Statussymbol erhoben, würde unweigerlich in interesseloser Langeweile versanden, falls ihm nicht eine aktivierende Kraft antwortete.

Was vielmehr aus den Kunstwerken der Vergangenheit in die Gegenwart hineinspricht, das ist ihr überzeitlicher Gehalt an menschlicher Wahrheit - einer Wahrheit, die, in welcher gesellschaftlichen Konstellation auch immer, seit den Tagen, in denen der Mensch seinen geschichtlichen Weg antrat, die gleiche geblieben ist: das tragische Bewußtsein der zeitlichen Existenz und damit die individuelle Absonderung von dem universalen Gang des Weltganzen.

Dieser Einsicht freilich widersetzten sich die Verfechter der totalen Gesellschaft mit dialektischer Leidenschaft. Verstrickt in die Utopie zukünftiger Sozialparadiese und überzeugt von dem spätkapitalistisch-repressiven Charakter der Kultur, erblicken sie im überzeitlichen Wahrheitsanspruch der Kunst einen Feind des Fortschritts. Größe ist ihnen als Ausdruck autoritären Machtanspruchs verdächtig, und das Ergreifende oder Erschütternde bietet sich ihnen nur dar als Manipulation der Gefühle zum Zweck gesellschaftlicher Unterdrückung.

 …..weiblicher Winkelried in Unterwäsche....Nacktheit auf der Bühne:

..... die Frage einer Schauspielerin.....vielleicht fragte sie sich, warum auf der Bühne, wo nichts echt ist, kein Thron, kein Tod und keine Träne, ausgerechnet die Nacktheit echt sein muß.  Vielleicht wollte sie in zarten Dessous erst erspielen, was ohne Dessous keine Aufgabe wäre: den Akt als Kunst-Akt.

 Seitdem sich die Nacktheit als Bühnenkostüm durchgesetzt hat, erregt sie den Zuschauer nicht heftiger als ein Kostümzipfel oder eine Gewandfalte. Das ist ein beklagenswerter Verlust: Sittsamkeit ist durch Obszönität erst möglich. Ein bißchen Verlegenheit beim Zuschauen wäre schon besser als gar nichts.

 In Dänemark, heißt es, sei nach der Freigabe der Pornographie sogar den Lustmördern die Lust vergangen.

Bauchrednertum

Ich wollte Mißtrauen erwecken gegen jene transzendente Ventriloquenz, wodurch mancher glauben gemacht wird, etwas das auf Erden gesprochen ist, käme vom Himmel; Ich wollte hindern, daß, da grober Aberglaube aus der feineren Welt verbannt ist, sich nicht ein klügelnder an dessen Statt einschliche, der eben durch dıe Maske der Vernunft, die er trägt, gefahrlicher wırd, als der grobe.

 Nichts setzt dem Fortgang der Wissenschaft mehr Hindernis entgegen als wenn man zu wissen glaubt, was man noch nicht weiß. In diesen Fehler fallen gewöhnlich die schwärmerischen Erfinder von Hypothesen. 

Lichtenberg

Sinn ist Ordnung

 Lichtenberg:

Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, eben so viel ohne allen Sinn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zu Hülfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir müssen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können. Dies ist schon längst gesagt, man kömmt aber von allen Seiten wieder darauf. So suchen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vielen Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ist. So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften usw. die sicherlich nicht die Absichten dieser Lagen sind. Symmetrie gehört auch hieher. Silhouette im Dintenfleck pp. Auch die Stufenleiter in der Reihe der Geschöpfe, alles das ist nicht in den Dingen, sondern in unsÜberhaupt kann man nicht genug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unsere Ordnungen beobachten.



Einige Brocken Wahrheit

 Erich Fromm:

Unsere bewußten Motivationen, Ideen und Überzeugungen sind eine Mischung aus falschen Informationen, Vorurteilen, irrationalen Leidenschaften, Rationalisierungen und Voreingenommenheit, in der einige Brocken Wahrheit schwimmen, die uns die (freilich falsche) Gewißheit geben, daß die ganze Mischung real und wahr sei. Unser Denkprozeß ist bestrebt, diesen ganzen Pfuhl voller Illusionen nach den Gesetzen der Logik und Plausibilität zu organisieren….


Bedacht im Erkundigen B. Gracian – (Schopenh Übs.)

Man lebt hauptsächlich auf Erkundigung. Das Wenigste ist, was wir sehn; wir leben auf Treu und Glauben. Nun ist aber das Ohr die Nebentüre der Wahrheit, die Haupttüre der Lüge. Die Wahrheit wird meistens gesehn, nur ausnahmsweise gehört. Selten gelangt sie rein und unverfälscht zu uns, am wenigsten, wenn sie von weitem kommt: da hat sie immer eine Beimischung von den Affekten, durch die sie ging. Die Leidenschaft färbt alles, was sie berührt, mit ihren Farben, bald günstig, bald ungünstig. Sie bezweckt immer irgendeinen Eindruck.


Wahre Liebe

 Erich Fromm:

Die Bereitschaft zu schenken manifestiert sich in jedem, der wirklich liebt. »Falsche Liebe«, das heißt Egoismus zu zweit, macht die Menschen noch selbstsüchtiger (und das ist oft genug der Fall). Wahre Liebe vermehrt die Fähigkeit, zu lieben und anderen etwas zu geben. In der Liebe zu einem bestimmten Menschen liebt der wahre Liebende die ganze Welt.

Journalisten....

 Karl Kraus:

  •  „Keinen Gedanken haben und ıhn ausdrücken können — das macht den Journalisten.“
  • „Journalisten schreiben, weil sie nichts zu sagen haben, und haben etwas zu sagen, weil sie schreiben."
  •  „Ein Feuilleton schreiben, heißt, auf einer Glatze Locken drehen.“
  • „Presse gegen Unrecht schützen, heißt, einen Blatternkranken von Hühneraugen befreien, nein, einen, der Cholerabazillen entwendet hat, gegen die Einschränkung der persönlichen Freiheit schützen, nein, einen Falschmünzer gegen Diebstahl, nein, einen Raubmörder gegen Ehrenbeleidigung.” 

Dienstag, 22. Februar 2022

Rätsellöser

Welche Fackel wir auch anzünden und welchen Raum sie auch erleuchten mag; stets wird unser Horizont von tiefer Nacht umgrenzt bleiben. Denn die letzte Lösung des Rätsels der Welt müßte notwendig bloß von den Dingen an sich, nicht mehr von den Erscheinungen reden. Aber gerade auf diese allein sind alle unsere Erkenntnisformen angelegt: daher müssen wir alles uns durch ein Nebeneinander, Nacheinander und Kausalitäsverhältnisse faßlich machen. Aber diese Formen haben bloß in Beziehung auf die Erscheinung Sinn und Bedeutung: die Dinge an sich selbst und ihre möglichen Verhältnisse lassen sich durch jene Formen nicht erfassen. 
Daher muß die wirkliche, positive Lösung des Rätsels der Welt etwas sein, das der menschliche Intellekt zu fassen und zu denken völlig unfähig ist; so daß wenn ein Wesen höherer Art käme und sich alle Mühe gäbe, es uns beizubringen, wir von seinen Eröffnungen durchaus nichts würden verstehn können. 
Diejenigen sonach, welche vorgeben, die letzten, d.i. die ersten, Gründe der Dinge, also ein Urwesen, Absolutum, oder wie sonst man es nennen will, nebst dem Prozeß, den Gründen, Motiven, oder sonst was, infolge welcher die Welt daraus hervor geht, oder quillt, oder fallt, oder produziert, ins Dasein gesetzt ..... , zu erkennen, - treiben Possen, sind Windbeutel, wo nicht gar Scharlatane.

A. Schopenhauer