Dienstag, 31. Juli 2018

Wallungen

 Ich glaube nicht, daß Künstler die richtigen Leute sind, ihre Hervorbringungen zu interpretieren. Sie erzeugen sie im Zustande einer gewissen psychischen Wallung und sind also kaum imstande, sie objektiv zu beurteilen.
Paul Flora

Daran halten sich leider ganz wenige Künstler, vor allem die aus dem Literatur- und Theaterbetrieb fühlen sich bemüßigt - von den Medienleuten dazu aufgefordert, der Öffentlichkeit zu erklären, was sie ausdrücken wollten. Wahrscheinlich haben sie kein Vertrauen darauf, dass ihre "Hervorbringungen" für sich selber sprechen. Meistens haben sie auch recht damit. Am ärgsten finde ich Schauspieler und Sänger, die ihre politischen oder gar philosophischen "Gedanken" zur jeweiligen Rolle absondern.

Freitag, 27. Juli 2018

Zeitverlust

Im Augenblick seines Absterbens verliert der Mensch nicht nur das Bewußtsein, nicht nur das Bewußtsein der Zeit, sondern er verliert auch die Zeit selbst. Er verliert sie im Tode ganz genau so, wie er sie im Zeitpunkt seiner Geburt überhaupt erst gewinnt. Nur Dasein in Raum und Zeit und, in einem damit, im Leibe - nur solches Dasein »hat« die Zeit, »hat« eine Vergangenheit und eine Zukunft. Geistiges Sein jedoch, als geistiges, »ist« nicht »da«; es ist, im Gegensatz zum »da-sein«, ein Sein jenseits von Raum und Zeit.

Wo es keine Zeit, wo es weder Vergangenheit noch Zukunft gibt, dort verliert aber auch alles Gerede von »früher« oder »später«, »vor« oder »nach«, »prä« oder »post« seinen Sinn. Was »Prä-« oder »Post-« ist, ist eo ipso nicht »Existenz«. Geistige Existenz ist uns nicht anders bekannt als in Ko-existenz mit dem Psychophysicum. Jede Aussage über geistige Existenz jenseits dieser Ko-existenz, jenseits von Leib, Raum und Zeit, entbehrt des Sinnes. Wir können um geistige Existenz nur wissen, sobald und solange sie mit Leib und Seele ver-ein-t, sobald und solange sie durch Leib und Seele er-gänzt ist zur Einheit und Ganzheit des Wesens »Mensch«. Was darüber hinaus ist, was jenseits von Leib, Raum und Zeit ist, was sich im Bereich des reinen Seins abspielt - darum zu wissen ist unmöglich.

Daß so etwas wie eine »Seelen«-Wanderung unmöglich ist, haben wir gehört: wir sehen aber auch, daß ein Fortleben des Geistigen un»denkbar« ist: es kann nicht gedacht werden, es läßt sich nicht vorstellen. Dennoch könnte es möglich sein - und es ist nicht nur möglich, sondern auch notwendig; denn das Gegenteil davon wäre ja keinesfalls möglich: daß nämlich dasjenige, was wesentlich jenseits von Raum und Zeit ist, jemals sterben können sollte. In diesem Sinne schlage ich vor, an Stelle von Fortleben der Person von Überleben zu sprechen - aber nicht so, als ob damit gemeint wäre, daß die geistige Person ihren leiblich-seelischen Tod überlebt, sondern in dem Sinne, in welchem wir bereits einmal von »Übersinn« gesprochen haben - worunter wir »einen über menschliches Fassungsvermögen wesentlich hinausgehenden Sinn« verstanden haben -, also im Sinne eines über-Lebens, das heißt eines Modus des Lebens, von dem wir uns keinen Begriff mehr machen, den wir nicht mehr fassen können.
V.  E.  Frankl 

Es ist irgendwie beglückend, wenn man in der Literatur etwas ausgedrückt findet, das man selber zwar ähnlich gedacht, aber nie hätte formulieren können.

"Der Begriff "Leben nach dem Tod" hat eine zeitliche Dimension, die ich nicht für richtig halte. Ich glaube, dass es ein Leben außerhalb der materiellen Welt gibt. Es gibt eine geistige Welt außerhalb der materiellen Existenz. Aber mit Physik hat das nichts zu tun, sondern das ist nur meine persönliche Ansicht."

A. Zeilinger, Quantenphysiker

Mittwoch, 25. Juli 2018

Die Alpen

"Die Alpen sind zu groß, um uns zu etwas nützlich zu sein."
schrieb Gustave Flaubert im 19. Jhdt. 
Wenn der wüsste, dass heute hundert Tausende, wenn nicht Millionen, davon leben!

Freitag, 20. Juli 2018

Erfindungen

 "Die Leute erfinden einfach Dinge. Wir können es an immer mehr staatlich geförderter Propaganda beobachten. Wir sehen es an vom Internet verbreiteten erfundenen Geschichten. Wir sehen es an einer immer verschwommeneren Grenze zwischen Nachrichten und Unterhaltung. Und wir sehen es an dem völligen Verlust der Scham von politischen Führern, die bereits der Lüge überführt wurden und dann einfach noch mehr und weiter lügen. Nun, Politiker haben immer gelogen, aber früher, wenn man beim Lügen erwischt wurde, da hat man noch gedacht "Oh Mann". Aber heutzutage da lügen sie einfach weiter."

B. Obama

Montag, 16. Juli 2018

Intellectus

'Intellectus luminis sicci non est recipit infusionem a voluntate et affectibus.'

"Der Intellekt ist kein Licht, das ohne Öl brennt, sondern speist sich aus dem Willen und den Leidenschaften."


Schopenhauer zitiert F. Bacon


So ähnlich habe ich auch immer über die Verstandestiere gedacht:
https://kumpfus.blogspot.com/2008/01/business-class.html


Samstag, 14. Juli 2018

Meinungen

Die meisten denken mit Aristoteles: „Was vielen richtig scheint, das, sagen wir, ist“: ja, es giebt keine noch so absurde Meinung, die die Menschen nicht leicht zu der ihrigen machten, sobald man es dahin gebracht hat sie zu überreden, daß solche allgemein angenommen sei. Das Beispiel wirkt auf ihr Denken, wie auf ihr Thun. Sie sind Schaafe die dem Leithammel nachgehn, wohin er auch führt: es ist ihnen leichter zu sterben als zu denken. Es ist sehr seltsam daß die Allgemeinheit einer Meinung so viel Gewicht bei ihnen hat, da sie doch an sich selbst sehn können, wie ganz ohne Urtheil und bloß kraft des Beispiels man Meinungen annimmt....
Die Allgemeinheit einer Meinung ist, im Ernst geredet, kein Beweis, ja nicht einmal ein Wahrscheinlichkeitsgrund ihrer Richtigkeit. Die welche es behaupten, müssen annehmen 1) daß die Entfernung in der Zeit jener Allgemeinheit ihre Beweiskraft raubt: sonst müßten sie alle alten lrrthümer zurückrufen, die einmal allgemein für Wahrheiten galten: z.B. das Ptolemäische System, oder in allen protestantischen Ländern den Katholicismus herstellen: - 2) daß die Entfernung im Raum dasselbe leistet: sonst wird sie die Allgemeinheit der Meinung in den Bekennern des Buddhaismus, des Christenthums, und des Islams in Verlegenheit setzen.
Was man so die allgemeine Meinung nennt, ist, beim Lichte betrachtet, die Meinung Zweier oder Dreier Personen; und davon würden wir uns überzeugen, wenn wir der Entstehungsart so einer allgemeingültigen Meinung zusehn könnten. Wir würden dann finden, daß Zwei oder Drei Leute es sind, die solche zuerst annahmen oder aufstellten und behaupteten, und denen man so gütig war zuzutrauen, daß sie solche recht gründlich geprüft hätten: auf das Vorurtheil der hinlänglichen Fähigkeit dieser nahmen, zuerst einige Andre die Meinung ebenfalls an: diesen wiederum glaubten Viele andre, deren Trägheit ihnen anrieth, lieber gleich zu glauben, als erst mühsam zu prüfen. So wuchs von Tag zu Tag die Zahl solcher trägen und leichtgläubigen Anhänger: denn hatte die Meinung erst eine gute Anzahl Stimmen für sich; so schrieben die Folgenden dies dem zu, daß sie solche nur durch die Triftigkeit ihrer Gründe hätte erlangen können. Die noch Uebrigen waren jetzt genöthigt gelten zu lassen was allgemein galt, um nicht für unruhige Köpfe zu gelten, die sich gegen allgemeingültige Meinungen auflehnten, und naseweise Bursche, die klüger seyn wollten als alle Welt. Jetzt wurde die Beistimmung zur Pflicht.
Nunmehr müssen die Wenigen welche zu urtheilen fähig sind, schweigen: und die da reden dürfen, sind, solche, welche völlig unfähig eigne Meinungen und eignes Urtheil zu haben, das bloße Echo fremder Meinung sind: jedoch sind sie desto eifrigere und unduldsamere Vertheidiger derselben. Denn sie hassen am Andersdenkenden nicht sowohl die andre Meinung zu der er sich bekennt, als die Vermessenheit selbst urtheilen zu wollen; was sie ja doch selbst nie unternehmen und im Stillen sich dessen bewußt sind. - Kurzum Denken können sehr Wenige, aber Meinungen wollen Alle haben: was bleibt da anderes übrig als daß sie solche, statt sie sich selber zu machen, ganz fertig von Andern aufnehmen? 

Schopenhauer, Eristische Dialektik

https://kumpfus.blogspot.com/search?q=Regal

Regungen

„…die selbe Erscheinung erscheint diesmal angenehmer, jenes Mal unangenehmer. Jetzt bin ich zu allem aufgelegt, und jetzt wieder zu gar nichts; was mir zu dieser Stunde Spaß macht, wird mir zu einer andern zum Verdruss. Es gehen tausend unbedachte und zufällige Regungen in mir vor. Entweder es wandelt mich eine schwermütige oder wieder eine gallige Laune an; und bald herrscht ungebeten und eigenmächtig der Trübsinn, bald die Fröhlichkeit in mir vor.“
Montaigne

Dienstag, 10. Juli 2018

Zweifeln

"Zweifeln kann man an allem, und unter zehnmal zweifelt man neunmal gewiss mit vollem Recht." 

J.  Nestroy

Freitag, 6. Juli 2018

Ojeh!

"Ein schwacher Mathematikus wird nie ein starker Philosoph"
B. Bolzano

Das deprimiert mich aber jetzt....

Donnerstag, 5. Juli 2018

Offene Grenzen

   Ich habe die Politik der offenen Grenzen im Sommer 2015 für falsch gehalten. Natürlich ist das, was man tun muss, wenn man die Frage der Sicherung der Außengrenzen ernst nimmt, unschön, hässlich und wider­wärtig.  Aber ein verantwortungsethischer Politiker muss auch die Konsequenzen se­hen. Der Aufstieg der AfD mit diesen Inhal­ten war ein vorhersehbares Phänomen. Auch der Brexit ist für alle ein Schock. In meinen Augen waren es miese Demagogen, die ihn angeheizt haben, denn er bringt Großbritannien in die größten Schwierig­keiten. Letztlich ist er aber auch ein Ergeb­nis der Unsensibilität der Politik gegen die Massenimmigration. Wer, wie die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, glaubt, "Wir schaffen das", ist schlicht ein Idiot. Es kommt zu Spannungen, wenn  Millionen aus einem vollkommen anderen Kulturkreis sehr rasch in Sozialstaaten einwandern. Das hat mit Fremdenfeindlichkeit nichts zu tun, nur mit einem nüchternen Urteil. Hier haben wir es mit einem tatsächlichen Verlust historischer Erfahrung zu tun.
... das führt zu Ausschlägen in Richtungen, die niemandem gefallen; etwa das Auftauchen von rechtspopulistischen Parteien wie der AfD in Deutschland. Wobei "rechtspopulistisch" ein polemischer Begriff ist, wie alle politischen Begriffe polemisch sind. Nur dadurch leben sie. Der deutsche Soziologe Ralf Dahrendorf antwortete auf die Frage, was Populismus sei: "Populismus ist eine beliebige Bezeichnung für Politiker, die anderer Meinung sind".

Rudolf Burger in der "Presse" vom 30.6.2018