Samstag, 14. November 2020

Coronartiges

  • Jetzt  ist die große Zeit der Blockwarte, Hilfssheriffs, Besserwisser, Mahner, Unheilspropheten, Zeigefinger-Prognostiker, der privaten und medialen Angstmacher angebrochen - jener Zeitgenossen also, die die Kirche partout nicht im Dorf lassen wollen und können, weil sie außerhalb mit ihr bessere Geschäfte machen.
  • Jetzt leben jene auf, die "immer schon dagegen" waren und sind - gegen Alles, aber ganz besonders, wenn es "von oben" kommt. Und nun gar vom politischen Gegner! Leider ist "dagegen sein" bis jetzt auch der einzige Beitrag, der von der Opposition kommt.
  • Es ist aber auch die Zeit derer, die auch am Telefon den Mund-Nasen-Schutz tragen und in der Nacht aufstehen, um sich die Hände zu waschen.
  • Und leider ist es aber auch eine Zeit der realen Angst, dem stärksten Gift überhaupt für Gesellschaft und Individuen. Und die Medien sorgen dafür, dass sie nicht erlischt, denn:  'fear sells'!
  • Und die Wissenschaft? Einerseits erbringt sie favelhafte Leistungen durch Entwicklung und Bereitstellung eines Impfstoffs, andererseits ist sie zerstritten über die richtigen sozialen und finanziellen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Man glaubt es nicht, wie eitel und eifersüchtig die diversen Professoren von den diversen Universitäten und den diversen Lehrkanzeln sich einander belauern, verleumden und bekämpfen. Sicher ist, dass es nicht nur eine richtige Strategie gibt, aber völlig unklar, welche die richtige ist. Verschiedene Länder haben verschiedene Vorgangweisen gewählt, aber nirgenwo ist es eklatant besser verlaufen. Aber die wissenschaftlichen Meinungsunterschiede - ein völlig normaler Vorgang in diesem Bereich - liefern natürlich jede Menge Munition für frustgeborene Empörungen und somit für alle jene Kräfte, die mit der Krise  ihr politisches oder noch häufiger kommerielles Süppchen kochen.
Leider haben die sog. "Verweigerer" auch den Begriff "Querdenker" in Verruf gebracht (s.u.).Dabei sind das in meinen Augen  nur  "Verquer-Denker"  sowie "Engdenker", die sich eine Welt außerhalb ihres Scheuklappen-Sichtfeldes  nicht vorstellen können bzw. nur in der Form von diffusen Ängsten und Verschwörungstheorien: Wenn etwas auftritt, dass sie in ihrem Denkapparat nicht unterbringen können, dann ist es erstens grundverdächtig und muß zweitens durch finstere, geheime Absichten gesteuert sein. Siehe ein praktisches Beispiel: https://kumpfuz.blogspot.com/2021/01/bahnhofsabenteuer-corronarrisch.html

Der wahre Skeptiker ist niemals "von Haus aus" GEGEN etwas, sondern er will nur immer zuerst prüfen, ob es auch stimmt oder stimmen kann. Der "Dagegner" ist von Anfang an schon einmal gefühlsmäßig dagegen und sucht sich erst nachher sog. rationalen Argumente für seine Gegnerschaft zusammen: Und - wie die Welt nun mal beschaffen ist: Argumente finden sich immer und für alles und für jeden, der sie glauben will. 

Die Regeln für echte Zweifler sind nach G. Chr. Lichtenberg:

»Dinge zu bezweifeln, die ganz ohne weitere Untersuchung jetzt geglaubt werden, das ist die Hauptsache überall«,

 »Warum glaube ich dieses? Ist es auch würklich so ausgemacht?«

 »Zweifle an allem wenigstens Einmal, und wäre es auch der Satz: Zweimal zwei ist vier« 

 »Imrner sich fragen: sollte hier nicht ein Betrug stattfinden? und welches ist der natürlichste, in den der Mensch unvermerkt verfallen, oder den er am leichtesten erfinden kann?«

😉

Und es sei an das Grundmotto dieses Blogs erinnert:

Prudenter dubitare!  Zweifle mit Hirn! 

Richtiges

.....daß er ein sehr abgeschlossener, bewußter, eigensinniger Herr ist, der sich nicht fördern und entwickeln, sondern weil er das Richtige bereits zu haben glaubt, dies sein »Richtiges« à  tout prix durchdrücken will. Solche Personen kann ich bis zu einem gewissen Grade anerkennen, aber ich kann nicht mit ihnen leben. Personen, denen irgend etwas absolut feststeht, sind keine Genossen für mich; nichts steht fest, auch nicht einmal in Moral und Gesinnungsfragen und am wenigsten in sogenannten Thatsachen. Taufregister sind sprichwörtlich falsch. 

Fontane

Mittwoch, 11. November 2020

Kritiker kritisch gesehen

 Günter Grass: über Lichtenberg und Reich-Ranitzky:

 „Nach dem Wolkenbruch heute nacht dampft der Garten. Vorsicht! Keine überflüssige Bewegung! Allenfalls Lichtenberg lesen, dessen Prosa kühlt. Wie er die Kritiker zu seiner Zeit (mit Nachhall bis heute) trifft, wie er sich immer wieder - und nicht ohne Genuß - den »Frankfurter Rezensenten« vornimmt. Gleich kommt mir, wie aufgerufen, ein gegenwärtiges Exemplar in die Quere, dessen eloquenter Pfusch sich ungeschmälerter Wirkung erfreut, weil weit und breit kein Lichtenberg dem Beckmesser sein einzig gültiges Werkzeug, die Meßlatte des Sozialistischen Realismus nachweist. Dabei erinnere ich mich an seine umtriebene Präsenz während der letzten Treffen der Gruppe 47: ein amüsanter Literaturnarr, liebenswert noch in seinen Fehlurteilen. Erst als ihm die Chefetage der FAZ Macht zuschanzte - das große Geld weiß, was frommt -, wurden seine Verrisse übellaunig bis bösartig, mißriet er zu Lichtenbergs »Frankfurter Rezensenten«.“

 🔆

Und hier noch ein paar Lichtenberg-Originale:

 » Ich sehe die Rezensionen als eine Art von Kinderkrankheiten an, die die neugebornen Bücher mehr oder weniger befällt. Man hat Exempel, daß die gesündesten daran sterben, und die schwächlichen oft durchkommen. Manche bekommen sie gar nicht. Man hat häufig versucht, ihnen durch Amulette von Vorrede und Dedikation vorzubeugen oder sie gar durch eigene Urteile zu inokulieren, es hilft aber nicht immer.«

 »Dinge zu bezweifeln, die ganz ohne weitere Untersuchung jetzt geglaubt werden, das ist die Hauptsache überall«,

 »Warum glaube ich dieses? Ist es auch würklich so ausgemacht?«

 »Zweifle an allem wenigstens Einmal, und wäre es auch der Satz: zweimal 2 ist 4« -

 »Immer sich fragen: sollte hier nicht ein Betrug stattfinden? und welches ist der natürlichste, in den der Mensch unvermerkt verfallen, oder den er am leichtesten erfinden kann?«

"Zweifel muß nichts weiter sein als Wachsamkeit, sonst kann er gefährlich werden."

Katzengedicht


KATZEN GEDICHT

von Robert Gernhardt



Von einer Katze lernen
heißt siegen lernen.
Wobei siegen »locker durchkommen« meint,
also praktisch: liegen lernen.

Sie sind ein sieghaftes Geschlecht,
diese Katzen.
Es gibt ihrer so viele wie Spatzen im Land.
Doch wer streichelt schon Spatzen?

Sie ist gar kein rätselhaftes Tier,
so eine Katze.
Sie will viel Fraß, etwas Liebe, doch meist
horcht sie an der Matratze.

Was eine einzige Katze uns lehrt,
lehren uns alle:
So viel wie möglich nehmen, ohne zu geben,
und dann ab in die Falle.

Mit einer Katze leben,
heißt die Katze überleben.
Jedenfalls dann, wenn man noch mitten im Leben steht.
Eine Katze steht schneller daneben.

Wie alt wird so eine Katze?
Maximal zwanzig Jahre.
Viele streckt's aber auch schon früher hin
auf die, sagen wir ruhig: Bahre.

Die ist dann vielleicht dein Schreibtisch.
Darauf kriegt sie ihre Injektion.
Sie seicht dir noch rasch die Tischplatte voll,
und das war's dann auch schon.

Eine Katze haben,
heißt eine Katze verlieren.
Andere mögen von Menschen reden,
ich rede von Tieren.