Montag, 31. Oktober 2022

Eine Lichtenberg-Sammlung...

...die ich noch nicht ordnen konnte. Vielleicht gebe ich zu einigen noch einen Kommentar dazu.

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Die Haare stehen einem zu Berge, wenn man bedenkt: was für Zeit und Mühe auf die Erklärung der Bibel gewendet worden ist.  Und was wird am Ende der Preis dieser Bemühungen nach Jahrhunderten oder -tausenden sein? Gewiß kein anderer als der: die Bibel ist ein Buch von Menschen geschrieben, wie alle Bücher. Von Menschen die etwas anderes waren als wir, weil sie in etwas andern Zeiten lebten; etwas simpler in manchen Stücken waren als wie wir, dafür aber auch sehr viel unwissender; daß sie also ein Buch sei worin manches Wahre und manches Falsche, manches Gute und manches Schlechte enthalten ist.

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Ich wüßte nicht welches angenehmer und nützlicher wäre, die Bewegung aller Planeten zu kennen, oder diese Annalen einiger vorzüglicher Menschen. Die Welt würde dadurch sehr gewinnen.

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Ob ich gleich weiß, daß sehr viele Rezensenten die Bücher nicht lesen die sie so musterhaft rezensieren, so sehe ich doch nicht ein was es schaden kann, wenn man das Buch lieset, das man rezensieren soll.

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Der schwächste aller Menschen ist der Wollüstling, der nach dem Leibe sowohl als der nach dem Geist, ich meine der Hurer und der Betbruder, der der mit Mädchen und der mit Religion hurt. Gott bewahre alle Menschen vor einem so hurenden Könige und Minister. Und Gott behüte einen solchen König und Minister vor vernünftigen Untertanen.

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Die Träume können dazu nützen, daß sie das unbefangene Resultat, ohne den Zwang der oft erkünstelten Überlegung, von unserm ganzen Wesen darstellen. 

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Ein Schullehrer und Professor kann keine Individuen erziehn, er erzieht bloß Gattungen

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Wenn man alt wird, muß man sich wieder junge Katzen und junge Ziegen anschaffen, um das bißchen Konsonanz das sich noch in den weichsten Fibern findet wieder zu erwecken.

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Verhunzdeutschen. Er hat es verhunzdeutscht.

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Es ist eine schöne Ehre die die Frauenzimmer haben, die einen halben Zoll vom Arsch abliegt!

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Das Höchste wozu sich ein schwacher Kopf von Erfahrung erheben kann, ist die Fertigkeit die Schwächen besserer Menschen auszufinden.

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Ich vergesse das meiste was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe, ich weiß aber so viel, beides trägt nichts desto weniger zu Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei.

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Was man so sehr prächtig Sonnenstäubchen nennt sind doch eigentlich Dreckstäubchen.

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Der Mann machte sehr viel Wind. B.O nein! wenn es noch Wind gewesen wäre, es war aber mehr ein wehendes Vakuum.

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Die Superklugheit ist eine der verächtlichsten Arten von Unklugheit.

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Wenn nur der Scheidepunkt erst überschritten wäre. Mein Gott wie verlangt mich nach dem Augenblick wenn die Zeit für mich aufhören wird Zeit zu sein, in dem Schoß des mütterlichen Alles und Nichts, worin ich damals schlief als der Hainberg angespült wurde, als Epikur, Cäsar, Lukrez lebten und schrieben und Spinoza den größten Gedanken dachte der noch in eines Menschen Kopf gekommen ist.

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Ich glaube von Grund meiner Seele und nach der reifsten Überlegung, daß die Lehre Christi, gesäubert von dem verfluchten Pfaffenschmier, und gehörig nach unserer Art sich auszudrücken verstanden, das vollkommenste System ist, Ruhe und Glückseligkeit in der Welt am schnellsten, kräftigsten, sichersten und allgemeinsten zu befördern, das ich mir wenigstens denken kann. Allein ich glaube auch daß es noch ein System gibt, das ganz aus der reinen Vernunft erwächst und eben dahin führt, allein es ist nur für geübte Denker und gar nicht für die Menschen überhaupt, und fände es auch Eingang, so müßte man doch die Lehre Christi für die Ausübung wählen. Christus hat sich zugleich nach dem Stoff bequemt, und dieses zwingt selbst dem Atheisten Bewunderung ab. Wie leicht müßte es einem solchen Geist gewesen sein ein System für die reine Vernunft zu erdenken, das alle Philosophen völlig befriedigt hätte. Aber wo sind die Menschen dazu? Es wären vielleicht Jahrhunderte verstrichen, wo man es gar nicht verstanden hätte, und so etwas soll dienen das menschliche Geschlecht zu leiten und zu lenken und in der Todesstunde aufzurichten? Ja was würden nicht die Jesuiten aller Zeiten und aller Völker daraus gemacht haben? Was die Menschen leiten soll muß wahr aber allen verständlich sein. Wenn es ihm auch in Bildern beigebracht wird, die er sich bei jeder Stufe der Erkenntnis anders erklärt. 

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Eine ganze Milchstraße von Einfällen.

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Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, eben so viel ohne allen Sinn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zu Hülfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir müssen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können.  So suchen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vieles Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ist. So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften usw. die sicherlich nicht die Absicht dieser Lagen sind. Symmetrie gehört auch hieher. Silhouette im Dintenfleck pp. Auch die Stufenleiter in der Reihe der Geschöpfe, alles das ist nicht in den Dingen, sondern in uns. Überhaupt kann man nicht gnug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unsere Ordnungen beobachten.

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Die Fliege, die nicht geklappt sein will, setzt sich am sichersten auf die Klappe selbst.

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Man kann würklich nicht wissen ob man nicht jetzt im Tollhaus sitzt.

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Die meisten Glaubens-Lehrer verteidigen ihre Sätze, nicht weil sie von der Wahrheit derselben überzeugt sind, sondern weil sie die Wahrheit derselben einmal behauptet haben.

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Was mögen wohl die Huren in den alten Zeiten geworden sein? Ob es da wohl auch Betschwestern gab?

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Die Vorstellung, die wir uns von einer Seele machen, hat viel Ähnliches mit der von einem Magneten in der Erde. Es ist bloß Bild. Es ist ein dem Menschen angebornes Erfindungsmittel sich alles unter diesen Formen zu denken.

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Wer eine Scheibe an seine Garten-Tür malt, dem wird gewiß hineingeschossen.

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Die Dinge außer uns sind nichts anderes als wir sie sehen, für uns wenigstens nicht, denn wir können bloß Relationen bemerken, weil die beobachtende Substanz ja beständig in das Mittel tritt. Gott selbst sieht in den Dingen nur sich.

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Sehr viele und vielleicht die meisten Menschen müssen, um etwas zu finden, erst wissen, daß es da ist.

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Es gibt große Krankheiten, an denen man sterben kann; es gibt ferner welche die (man), ob man gleich nicht eben daran stirbt, doch ohne viel Studium bemerkt und fühlt; endlich gibt es aber auch welche, die man ohne Mikroskop kaum erkennt, dadurch nehmen sie sich aber auch recht abscheulig aus und dieses Mikroskop ist Hypochondrie. Ich glaube, wenn sich die Menschen recht darauf legen wollten die mikroskopischen Krankheiten zu studieren, sie würden die Satisfaktion haben, alle Tage krank zu sein.

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Man hat vieles über die ersten Menschen gedichtet, es sollte es auch einmal jemand mit den beiden letzten versuchen.

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Um den Menschen nützliche Wahrheiten zu predigen ist alles erlaubt, was niemanden schadet oder kränkt, also auch Feenmärchen. Kein Mensch findet es mehr absurd daß die Tiere in der Fabel sprechen, warum sollte er es abgeschmackt finden, daß es Perlen regnet? Ein weiser Mann wird mehr tun, als mancher Zauberer in einem Feen-Märchen, wenn er einen Dumpfkopf weise machen könnte, warum soll er nicht in der Absicht etwas dichten?

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Bei einem Menschen, der mit Gottesfurcht prahlt, muß man nie eigentliche christliche Gesinnungen suchen.

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Es gibt sehr viele Menschen, die unglücklicher sind als du - gewährt zwar kein Dach darunter zu wohnen, allein sich bei einem Schauer darunter zu retirieren ist das Sätzchen gut genug.

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Neue Bäder heilen gut.

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Vom Wahrsagen läßt sichs wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheit sagen.

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Sympathie ist ein schlechtes Almosen.

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Die Menschen, die erst die Vergebung der Sünden durch lateinische Formeln erfunden haben, sind an dem größten Verderben in der Welt schuld.

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Da gnade Gott denen von Gottes Gnaden.

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Ora & non labora.

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Selbst unsere häufigen Irrtümer haben den Nutzen, daß sie uns am Ende gewöhnen zu glauben, alles könne anders sein, als wir es uns vorstellen. Auch diese Erfahrung kann generalisiert werden, so wie das Ursachen-Suchen, und so muß man endlich zu der Philosophie gelangen, die selbst die Notwendigkeit des principii contradictionis leugnet.

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Die beiden Begriffe von Sein und Nichtsein sind bloß undurchdringlich in unsern Geistes-Anlagen. Denn eigentlich wissen wir nicht einmal was Sein ist, und so bald wir uns ins Definieren einlassen, so müssen wir zugeben daß etwas existieren kann was nirgends ist. Kant sagt auch so was irgendwo.

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Es ist doch fürwahr zum Erstaunen, daß man auf die dunkeln Vorstellungen von Ursachen den Glauben an einen Gott gebaut hat, von dem wir nichts wissen, und nichts wissen können, denn alles Schließen auf einen Urheber der Welt ist immer Anthropomorphismus.

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Ich habe das Register der Krankheiten angesehn, und habe die Sorgen und traurige Vorstellungen nicht darunter gefunden, das ist sehr unrecht.

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Gott, der Vergelder alles Guten.

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Im Namen des Herrn sengen, im Namen des Herrn brennen morden und dem Teufel übergeben, alles im Namen des Herrn.

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Viel Hasen sind der Hunde Tod, sagt der Oberförster, dem man seinen Hund aus Versehen tod geschossen hatte weil der Schützen zu viele waren.

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Wir nehmen Dinge wahr vermöge unsrer Sinnlichkeit. Aber was wir wahrnehmen sind nicht die Dinge selbst, das Auge schafft das Licht und das Ohr die Töne. Sie sind außer uns nichts. Wir leihen ihnen dieses. Eben so ist es mit dem Raume, und der Zeit. Auch wenn wir die Existenz Gottes nicht fühlen, beweisen können wir sie nicht. 

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Für die Seele sorgen nur allein die Pastoren und die Philosophen, die sich oft den Handel einander verderben; für den Leib, außer dem Arzt und Apotheker, die Feldbauern, Müller, Bäcker, Brauer, Fleischer und Brannteweinbrenner, für das adoptierte Fell unzählige Weber, Schneider, Schuster, Hutmacher, Gerber, und dann endlich für das Wohnhaus der Schnecke der Baumeister, Zimmermann, Tischler, Schlosser, also für die Seele der Pastor allein. Freilich müssen hier noch die Wissenschaften eingewebt werden!

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Für den Verlust von Personen, die uns lieb waren, gibt es keine Linderung als die Zeit, und sorgfältig und mit Vernunft gewählte Zerstreuungen, wobei uns unser Herz keine Vorwürfe machen kann.

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Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, ebensoviel ohne allen Sınn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zuhilfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir mussen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können. Dieses ist schon längst gesagt, man kömmt aber von allen Seiten wıeder darauf. So suchen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vieles Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ıst, So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften u.s.w. die sicherlich nicht die Absicht dieser Lagen sind. Symmetrie gehört auch hieher. Silhouette im Tintenfleck pp. Auch die Stufenleiter ın der Reihe der Geschöpfe, alles das ist nicht in den Dingen, sondern ın uns. Überhaupt kann man nicht gnug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unsere Ordnungen beobachten. 

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Mancher Schriftsteller sobald er ein bißchen Beifall erhält glaubt alles von ihm interessiere die Welt, Der Schauspiel-Schmierer Kotzebue hält sich sogar berechtigt dem Publico zu sagen, daß er seiner sterbenden Frau ein Klistier gesetzt habe.

        Daran muß ich immer denken, wenn ein Schauspieler seine politischen Ansichten zum Besten gibt....


 

Sonntag, 2. Oktober 2022

Die Gelassenheit

 Die Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewußtseins.

M.v.Ebner-Eschenbach