Freitag, 8. Juli 2016

Verantwortung

Verantwortung

Die leitenden Staatsmänner und Generale übernehmen „die Verantwortung“ für das Schicksal, das sie den Völkern auferlegen. Aber was heißt in ihrem Fall: Verantwortung? Einer ungeheuren Verantwortung müßte doch ein ungeheures Risiko dessen entsprechen, der sie übernimmt. Ein schlecht ernährter, müdgearbeiteter Motorführer, der durch ungeschicktes Lenken seines Wagens Malheur anrichtet, wird eingesperrt. Was geschieht dem Staatsmann, der durch ungeschicktes Lenken des Staatswagens ein Malheur anrichtet? Er geht in Pension. Wenn durch des Motorführers Verschulden ein Mensch getötet wird, wandert der Motorführer auf Jahre ins Gefängnis. Wenn der Feldherr nutzlos Zehntausende seiner Soldaten in den Tod geschickt hat, was erwartet ihn? Ein Häuschen im Grünen. Dort pflanzt er, im verschnürten Samtrock und das Käppi auf dem Haupt, Rosen. Seine Lieblingssorten. Und schreibt Memoiren. „Ich übernehme die Verantwortung“, sagt der Minister Soundso. Vor der Größe und dem kühnen Stolz dieses Wortes erbleichen die Zeitgenossen. Aber es steckt gar nicht das geringste dahinter. Verantwortung ohne Sühne, deren Ungeheuerlichkeit der Ungeheuerlichkeit jener entspräche, ist ein leeres Wort. Den Motorführer richten die Gerichte. Den Staatsmann und den General richtet die Geschichte. Und das paßt ihnen ausgezeichnet. Der Herr Minister übernahm die Verantwortung? Halt, einen Augenblick! Wieviel Jahre Zuchthaus also, falls die Sache schiefgeht? Oder wie oft wünschen gehängt zu werden? So lächerliche Fragen werden nicht gestellt. Und wenn sie wer stellte, was Würde Exzellenz antworten? Exzellenz würde antworten: „Ich überlasse das Urteil der Geschichte.“

ALFRED POLGAR


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