Dienstag, 26. Juli 2016

Rechtspopulismus

WZ: Beobachten wir einen Siegeszug des Rechtspopulismus?
Konrad Paul Liessmann...Wenn man die von Ihnen genannten völlig unterschiedlichen Phänomene unter dem Begriff "Rechtspopulismus" versammeln wollte, wäre ich überaus skeptisch. Der Terminus hätte dann keinerlei analytische Kraft mehr. Es handelte sich allein um eine Art Verlegenheitsbegriff, der alles Mögliche bezeichnete, all das, was einem aus unterschiedlichen Gründen nicht passt. Wenn man den Blick für jene Differenzen verliert, dass sich hinter den genannten Bewegungen durchaus auch berechtigte oder zumindest verständliche Anliegen verbergen können, wenn man vergisst, dass sich in einer Demokratie Mehrheiten bilden können, die Auffassungen vertreten, die den eigenen entgegenstehen, erklärt man die Welt nicht, indem man schreckenserregt "Rechtspopulismus" schreit, sondern man deckt die Realität mit einem inflationär gebrauchten Wort zu. Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Was kürzlich undenkbar gewesen wäre, ist mit einem Mal politische Realität. Was wir jetzt benötigen, ist der klare Blick auf die Probleme.
WZ: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer mehr, das Zusammenprallen zwischen Modernisierungsgewinnern und -verlierern ist längst Alltag.
Konrad Paul Liessmann: Wie ist denn diese sogenannte Spaltung innerhalb der Gesellschaft zustande gekommen? Wer trägt die Verantwortung dafür, dass weite Teile des kontinentalen Mittelstands Abstiegsängste entwickelt haben, Arbeitsplätze liquidiert wurden, sich für viele Menschen die Armutsfalle aufgetan hat? Doch nicht die Rechtspopulisten! Die Verantwortung dafür tragen jene ökonomischen und politischen Eliten, die gegenwärtig wortreich klagen, dass die Gesellschaft gespalten sei.
Auszug aus einem Interview mit Konrad Paul Liessmann in der WZ vom 23./24.Juli 2016.
Konrad Paul Liessmann ist ein österreichischer Philosoph, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Er wurde am 13. April 1953 in Villach geboren und studierte an der Wiener Universität, an der er jetzt Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik ist. Liessmann ist Österreichs Wissenschafter des Jahres 2006.
Goldene Worte jedenfalls!

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