Freitag, 21. März 2008

Epigramme

Gefunden bei Erich Kästner:
".... Schließlich ließe sich anmerken, daß jedes echte Epigramm, der Poetik gemäß, zwei Regeln erfüllen muß: es soll „Erwartung" wecken und pointierend „Aufschluß" geben. So hat es Lessing formuliert, und er hat es noch den größten Meistern schwer angekreidet, wenn und sooft sie das Gesetz übertreten hatten. Das war keine Beckmesserei. Dieses Gesetz ist keine Spitzfindigkeit der Philologen, sondern es wohnt dem Epigramm inne.
Erwartung und Aufschluß? Ein beliebiges Beispiel mag die Doppelregel veranschaulichen, und zwar ein Vierzeiler, dessen Verfasser wohl kaum in den Verdacht geraten wird, Scaligers, Boileaus, Batteux', Lessings und Herders Theorien über das Epigramm studiert zu haben. Der Vierzeiler steht, in ungelenken Lettern, auf einem Tiroler Marterl und ist dem Andenken an' einen tödlich verunglückten Holzknecht namens Martin Hofer gewidmet.
„Es ist nicht weit zur Ewigkeit"
lautet die gewagte, Erwartung weckende Behauptung. Und die dem verweilenden Wanderer Aufschluß erteilenden, wahrhaftig überraschenden Beweiszeilen hießen:
„Um acht ging Martin fort,
um zehn Uhr war er dort."

Von Meleager und Martial bis zu Martins Marterl - das Gesetz wird von allen respektiert, auch von denen, die es gar nicht kennen. Ausnahmen bestätigen auch auf diesem Gebiete die Regel."


Siehe dazu auch:
http://kumpfus.blogspot.com/
"Triginta toto mala sunt epigrammata libro."
Si totidem bona sunt, Lause, bonus liber est.

(Martial, Buch VII, 81)

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