Dienstag, 20. März 2018

Getrennte Seelenfächer

Egon Friedell:

Die Seele des Engländers
In ihr gibt es keine moralischen Konflikte; infolgedessen hat er die Welt erobert. Er ist in ethischen Dingen ein unerreichter Virtuose der doppelten Buchführung. Er ist ebenso fromm wie geschäftstüchtig, man kann gar nicht sagen, was von. beidem er in höherem Maße ist. Nur befindet sich beides bei ihm in vollkommen getrennten Seelenfächern. Wenn er das eine Öffnet, ist das andere fest geschlossen, ja er erinnert sich gar nicht, daß das andere überhaupt existiert. Er glaubt an den Feiertagen an Gott und die Ewigkeit und Während der Woche an die Physik und den Börsenbericht, und beide Male mit der gleichen Inbrunst. Am Sonntag ist die Bibel sein Hauptbuch und am Wochentag ist das Hauptbuch seine Bibel. 

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Ich würde sagen, das trifft mindestens genauso gut auf die Amerikaner zu:
Amerika spricht viel von Gott.
Ich denke mir - ganz ohne Spott:
Sie meinen damit sicher nur
Den Gott der Kaufleute, Merkur.
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Und das hier münzte Theodor Fontane auf die Niederländer und erntete dafür im 19. Jh., was man heute einen veritablen 'shitstorm' nennen würde:

Die Balinesenfrauen auf Lombok.

           Unerhört,
Auf Lombok hat man sich empört,
Auf der Insel Lombok die Balinesen
Sind mit Mynheer unzufrieden gewesen.
Und die Mynheers faßt ein Zürnen und Schaudern:
»Aus mit dem Brand, ohne Zögern und Zaudern!«
Und allerlei Volk, verkracht, verdorben,
Wird von Mynheer angeworben,
Allerlei Leute mit Mausergewehren
Sollen die Balinesen bekehren.
Vorwärts, ohne Sinn und Plan;
Aber auch planlos wird es getan:
Hinterlader arbeitete gut,
Und die Männer liegen in ihrem Blut.
Die Männer. Aber groß anzuschaun
Sind da noch sechzig stolze Fraun,
All eingeschlossen zu Wehr und Trutz
In eines Buddhatempels Schutz.
Reichgekleidet, goldgeschmückt,
Ihr jüngstes Kind an die Brust gedrückt,
Hochaufgericht't eine jede stand,
Den Feind im Auge, den Dolch in der Hand.
Die Kugeln durchschlagen Trepp und Dach -
»Wozu hier noch warten, feig und schwach?«
Und die Türen auf und hinab ins Tal,
Hoch ihr Kind und hoch der Stahl
(Am Griffe funkelt der Edelstein),
So stürzen sie sich in des Feindes Reihn.
Die Hälfte fällt tot, die Hälfte fällt wund,
Aber jede will sterben zu dieser Stund,
Und die Letzten, in stolzer Todeslust,
Stoßen den Dolch sich in die Brust.
Mynheer derweilen in seinem Kontor,
Malt sich christlich Kulturelles vor.

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