Sonntag, 3. Mai 2015

Saitenspiel

Ich habe nichts dagegen, wenn jemand in mir Saiten zum Mitschwingen bringen will, aber nur dann, wenn er dazu nicht in meine Saiten greifen zu müssen glaubt. In jedem Fall will ich selbst bestimmen, wann und wie stark ich Resonanzkörper bin.

Diese Einstellung missfällt all jenen Menschen (nach meinem Geschmack viel zu vielen), deren größtes Vergnügen darin besteht, die Mitmenschen nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen, wohlverstanden natürlich immer nur zu deren Besten! - Eine bewährte Methode dazu beschreibt Balthasar Gracián in seinem "Handorakel und Kunst der Lebensklugheit", das bezeichnenderweise zur Lieblingslektüre von Wolfgang Schüssel zählt:
"DIE DAUMENSCHRAUBE EINES JEDEN FINDEN. Dies ist die Kunst, den Willen anderer in Bewegung zu setzen.  Man muß wissen, wo einem jeden beizukommen ist. Es gibt keinen Willen, der nicht einen eigentümlichen Hang hätte, welcher nach derMannigfaltigkeit des Geschmacks verschieden ist. Alle sind Götzendiener, einige der Ehre, andere des Interesses, die meisten des Vergnügens. Der Kunstgriff besteht darin, daß man diesen Götzen eines jeden kenne, um mittels desselben ihn zu bestimmen. Weiß man, welches für jeden der wirksame Anstoß sei, so ist es, als hätte man den Schlüssel zu seinem Willen. Man muß nun auf die allererste Springfeder, oder das PRIMUM MOBILE in ihm, zurückgehen, welches aber nicht etwa das Höchste seiner Natur, sondern meistens das Niedrigste ist; denn es gibt mehr schlecht- als wohlgeordnete Gemüter in der Welt. Jetzt muß man zuvörderst sein Gemüt bearbeiten, dann ihm durch ein Wort den Anstoß geben, endlich mit seiner Lieblingsneigung den Hauptangriff machen; so wird unfehlbar sein freier Wille schachmatt."
Dadurch, dass sich mein Leben zwischen meinem 11. und 22. Altersjahr in Gemeinschafts-Institutionen abgespielt hat, habe ich ein feines Sensorium dafür entwickelt, ob und wann mich jemand in seinen Machtbereich eingliedern will; ich habe dabei aber auch wirkungsvolle Gegenmittel gelernt! Sei es nun nur "backside driving" oder auch ein Griff ins Lenkrad, ich bin allergisch dagegen.

Wohlgemerkt: Es kann manchmal nichts Großes vollbracht werden, ohne anderen Menschen seinen Willen aufzuzwingen. Es geht nur darum, ob man als Zwingherr dabei Lustgefühle entwickelt oder nicht. Außerdem kann man verschiedener Ansicht darüber sein, was "groß" genug ist, um seinen eigenen Willen hintanzustellen. In Friedenszeiten jedenfalls zumeist.
Wieder eine andere Sache ist die Erziehung. Die antiautoritäre Erziehungstheorie hat ziemlich katastrophale Ergebnisse gezeitigt. Auch hier ist es das gesunde Maß, das entscheidet, und wann man damit aufhört, andere Menschen zu erziehen; manchen fällt das schwer und sie tauchen dann auch häufig als Über-Ich in der nächsten Generation auf. Auch ein Weg zur Unsterblichkeit.


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