Samstag, 29. Juli 2017

Kein Wetter

"Kein Wetter ist mir zuwider, außer der heftigen Glut einer stechenden Sonne. Ich möchte gerne wissen, durch welche Kunst sich die Perser in so frühen Zeiten, als der Luxus erst entstand, nach Belieben frischen Wind und Schatten verschafften, wie Xenophon es berichtet.* Ich liebe Regen und Dreck, wie die Enten. Der Wechsel der Luft und des Klimas macht mir nicht zu schaffen; mir ist der ganze Himmel einer. Ich bin nur mit den innerlichen Veränderungen geschlagen, die ich selbst in mir hervorbringe, und ebendie drücken mich weniger, wenn ich reise. Ich ziehe keine bestimmte Spur, keine gerade und keine krumme. Finde ich dort, wo ich hingehe, nicht das, was man mir erzählt hat (wie es oft vorkommt, daß die Urteile anderer nicht mit meinen übereinstimmen und ich sie meistens falsch finde), so beklage ich mich darüber nicht; ich habe gelernt, daß das, was man sagte, nicht stimmt. (...) Ich weiß wohl, daß, wenn man es buchstäblich nimmt, diese Lust am Reisen von Unruhe und Unentschlossenheit zeugt. So sind dies denn auch unsere vornehmsten und herrschenden Eigenschaften. Ja, ich gestehe es, ich sehe nichts, nicht einmal in meinen Träumen oder Wünschen, woran ich mich festhalten könnte; nur die Abwechslung und der Besitz der Mannigfaltigkeit befriedigen mich, wenn mich überhaupt etwas befriedigt. Am Reisen gefällt mir eben dies, daß ich ohne bestimmtes Ziel irgendwo anhalten kann und daß ich Gelegenheit habe, mich angenehm zu zerstreuen. (...)"
Montaigne, Essais 

*War wohl ein Bādgir (https://de.wikipedia.org/wiki/B%C4%81dgir)

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