Montag, 27. Mai 2019

Schwan oder nicht Schwan

Darum verfehlt jeder einseitige, rein naturalistisch interpretierende Ansatz die Ganzheit des Lohengrin-Kosmos. Wenn ein Regisseur oder ein aufgeklärter Theatermann sagt, «der Schwan geht nicht mehr, sowas kann man heutzutage nicht mehr machen» dann ist das Argument nicht etwa klug und historisch taktvoll, sondern banausisch. Der Schwan ging, rein rational, nie: der ist nicht nur im Jahre 1990 ein unglaubliches Wunder, sondern war es auch zu Wagners Lebzeiten und sogar zu denen Heinrichs I. Wagner wollte halt das Wunderbare, das Romantische als Folie für ein differenziertes Liebesdrama und er brauchte das Historisch-Exakte als Folie für eine mythologische Tragödie. Wer also sagt, denkt oder fühlt, den Schwan nicht mehr ertragen zu können, weil der ihm zu opernhaft, zu surreal, zu unwirklich sei der kann in Wahrheit die Lohengrin-Oper nicht ertragen. Und sollte nicht etwa einen Lohengrin ohne Schwan geben, sondern auf diese Oper verzichten. …... Eine Aufführung, die für den Schwan zu schlau zu sein meint, ist in Wahrheit zu kleinmütig fürs Märchen: Die Verwandlung eines Menschen in einen Lindwurm oder in einen Schwan gehört im Siegfried wie im Lohengrin zur Sache.
J. Kaiser - schon 1990. - Aber die Regisseure haben sich seither nicht geändert und die Intendanten kuschen vor dem Feuilleton. 

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