Freitag, 24. Juni 2016

Wenig Wonne durch Wagners Walküre

Weh, wie wenig Wonne ward mir wanderndem Wiener Spazierwalt durch Wagners
                      „Walküre“! 

Das ... ist die berühmte verstorbene Alliteration, die der Meister
aus dem Grabe, in dem sie tausend Jahre gelegen, hervorgeholt
hat; in diesen vermoderten Stabreimen halten seine schwatzhaften
Götter und Helden ihre endlosen Zwiegespräche, und wenn man eine
Weile hingehorcht hat, dann hört man diese gespenstischen Reime
unheimlich klappern, als wenn Totengebeine aneinanderschlagen
würden. Aber seine Helden sind trotz ihrer verschrumpften Sprache
nicht die alten deutschen Helden, die gemeinschaftlich sangen und
mit den Schwertern an die Schilder schlugen. Der Chor, ja der mehr-
stimmige Gesang überhaupt, sind aus diesem sonderbaren deutschen
Musikdrama verschwunden, und es herrscht in ihm die langweilige
parlamentarische Übung, derzufolge immer nur einer das Wort er-
greifen darf und die anderen Maulaffen feilhalten, so lange der ge-
ehrte Herr Vorsänger das Rezitativ hat. Auch stört keine Melodie die
erhabene Monotonie dieses Musikwerkes, und statt ihrer hat uns der
Schöpfer desselben großherzig mit der unendlichen Melodie be-
schenkt. Wenn Wagner unsere verpfuschte Welt zu schaffen gehabt
hätte, würde er gewiß der Lerche den Umfang des Rhinozeros und
dem Veilchen die Größe des Krautkopfes gegeben haben.
...
 Im Drama herrschen nur die brutalen Instinkte und
die Launen eines abgewirtschafteten Gottes. Wie die Wilden Tiere
stürzen diese Menschen aus ihren Schlupfwinkeln hervor und paaren
und zerfleischen sich vor den Zuschauern. Und diese Götter sind schon
göttlich. Nicht bei den Hottentotten könnte Wotan Gott sein, ohne
daß ihm schon nach den ersten vierzehn Tagen gekündigt würde.
Ein gespreizter Gott, der sich mit dem ganzen feierlichen Ernst der
Gedankenlosigkeit drapiert, seine Entschlüsse im Handumdrehen
ändert und sich fortwährend eines Schlechteren besinnt. Dank seiner
Allwissenheit weiß er wenigstens, daß man ihn durchschaut hat, und
im dritten Akt sagt er zu seiner Tochter Brünnhilde, er wisse Wohl,
daß sie ihn für „feig und dumm“ gehalten habe. Als gerechte Strafe
folgt ihm seine Gattin Fricka auf dem Fuße, eine Xanthippe, die
ihm vielleicht das eine Auge ausgekratzt hat, das ihm bekanntlich
fehlt. Willst du aber Wissen, was sich ziemt, dann frage ja nicht
bei den Walküren an, denn die „schlimmen Mädchen“, wie sie
Fricka nennt, würden dir die ordinärsten Stallwitze zur Antwort
geben, sie machen den Eindruck von Walhalla-Sennerinnen, nur daß
sie nicht mit Kühen, sondern mit Pferden zu tun haben. Sie juchzen
daher nicht: Ju-hu-hu, Laute, die an das Muhen der Kühe erinnern,
vielmehr ist ihr Lustgeschrei: hojotoho, das mehr dem Wiehern der
Pferde verwandt ist.

DANIEL SPITZER




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