Sonntag, 20. März 2016

License to lie

"Es gibt ein Gentleman's Agreement unserer Medien, daß im Dienste einer guten Sache die Wahrheit nicht so wichtig ist. So rechtfertigt das Deutsche Ärzteblatt einen Fehler in der AIDS-Statistik - nämlich durch sogenanntes »Kumulieren« die aktuellen Krankenstände höher darzustellen als sie wirklich sind - mit den Forschungsgeldern, die so leichter einzuwerben seien. »Wenn die Kumulierung zu diesem Effekt beiträgt«, lesen wir dort schwarz auf weiß, »dann sollten wir es noch eine Weile dabei belassen.«
Dieses Reklamieren einer »License to Lie« im Dienste eines subjektiven oder objektiven guten Zwecks kennt keine Parteigrenzen; es wird von Linken wie Rechten, Progressiven wie Konservativen gleichermaßen praktiziert. Allenfalls nimmt es mit der Gewißheit zu, mit der sich der Daten-Kosmetiker im Besitz der absoluten Wahrheit wähnt. Wer sicher weiß, daß die Welt in zwanzig Jahren untergeht, wenn nicht dieses oder jenes geschieht, fühlt sich durch Konventionen wie Faktentreue und Sachlichkeit in seinem Rettungswerk oft sehr gehemmt. »Je dramatischer wir die Sache sehen, desto besser für die Menschheit«, führt etwa ein amerikanischer Klimaforscher als Entschuldigung für reichlich gewagte Trendextrapolationen unseres Wetters an; als Wissenschaftler müsse man »manchmal auch ein bißchen Panik verursachen, damit man gehört wird«, stößt ein Ozon-Experte aus Deutschland in das gleiche Horn."
Aus: Walter Krämer, So lügt man mit Statistik

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