Mittwoch, 13. Dezember 2023

Wissenschaft & Geldbeutel

 Ich liebe und verehre die Gelehrsamkeit ebensosehr, wie es die Gelehrten tun; richtig angewandt, ist sie des Menschen edelste und mächtigste Errungenschaft. Bei denen jedoch (und deren Zahl ist unendlich), die auf sie allein ihren Wert und ihr Wirken gründen, die den Verstand an ihr Gedächtnis abtreten, die sich hinter dem Schatten andrer verstecken und die ohne ihre Bücher zu nichts taugen, hasse ich sie noch ein bißchen mehr als, wenn ich so sagen darf, tierische Dummheit.

In meinem Land und zu meiner Zeit profitieren von der Wissenschaft oft die Geldbeutel, selten aber die Geister; denn die trägen unter ihnen beschwert und erstickt sie wie eine rohe, unverdauliche Speise. Die beweglichen freilich pflegt sie zu erhellen, zu läutern und bis ins völlig Immaterielle zu verfeinern. An sich ist sie nahezu wertfrei - eine sehr nützliche Bereicherung für einen begabten Geist, einem unbegabten hingegen abträglich und schädlich. Anders gesagt: Recht angewandt, erweist sie sich als höchst fruchtbar, zum Schleuderpreis aber läßt sie sich nicht erwerben. In der einen Hand ist sie ein Königs-, in der andern ein Narrenzepter.

 Welch größeren Sieg erhofft ihr denn, als euren Gegner erkennen zu lassen, daß er euch nicht zu schlagen vermag? Siegt ihr kraft eurer These, hat die Wahrheit gesiegt; siegt ihr kraft eurer wohlgeordneten Argumentation, habt ihr gesiegt. 


Montaigne

 

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