Donnerstag, 4. Juni 2020

Die Dinge sind nicht eben so

.....sonst haben es alle Bereiche der Seele irgendwie mit jedem Objekt zu tun; alle wirken gemeinsam darauf ein; allerdings wird immer nur ein Objekt auf einmal von dieser Einwirkung betroffen, und jedesmal geschieht das nicht nach den Gesetzen, die in den Dingen liegen, sondern nach denen, die in der Seele liegen. Nimmt man die äußeren Dinge für sich, so kann man vielleicht von ihrem Gewicht, ihren Dimensionen, ihrer sonstigen Beschaffenheit sprechen; aber im Innern, in uns, bestimmt die Seele, wie das alles auszusehen hat. Der Tod ist für Cicero fürchterlich, für Cato wünschenswert, für Sokrates ohne Belang. Gesundheit, Gewissen, Einfluß, Wissen, Reichtum, Schönheit und die Gegenbegriffe dazu, alle müssen sich entkleiden, wenn sie in uns eingehen, und bekommen von unserer Seele ein neues Kleid oder eine andere Färbung, die ihr gefällt: braun, hell, grün, düster, bitter, süß, tief, oberflächlich; jedes Ding wieder anders, wie es zu ihm paßt: denn sie richten sich nun nicht etwa alle nach einem Stil, einer Regel und einer Form; jeder dieser Begriffe ist König in seinem Reich. Deshalb sollten wir es uns nicht dadurch bequem machen, daß wir sagen: die Dinge sind eben so; wir müssen von uns aus zu ihnen Stellung nehmen. Nur von uns hängt unser Wohl und Wehe ab. Nicht das Schicksal sollten wir durch Opfergaben und Wünsche zu beeinflussen suchen, sondern uns selber: das Schicksal hat keinen Einfluß auf unseren Charakter; im Gegenteil: der Charakter bestimmt das Schicksal und modelt es um nach seinem Bild.  
Montaigne 

Th. Fontane: "Es kommt auf die Beleuchtung an"

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