Dienstag, 24. April 2018

Erlebnis

Ist ein Erlebnis nur ein Erlebnis, wenn ich es jemanden mitteilen kann?
°°°°°°°°°°°°°°°°°°
Am einem Tag Ende März, dem ersten schönen Tag nach einer längeren Kälteperiode, setzte ich mich zum Ausruhen nach einem längeren Fußmarsch auf eine Bank in Freilassing (Obb). Vor meinen Augen der Untersberg (s.o.) und ein Baum, der gerade aus dem Winterschlaf erwachte - es war einfach schön, das was man ein Erlebnis nennt. 
Unwillkürlich drängte es mich, dieses Erlebnis jemandem mitzuteilen, also mit jemandem zu teilen -  nicht einfach elektronisch zu "teilen", wie es heute "in" ist. Als meine Frau noch lebte, rief ich sie in so einem Fall mit dem Handy an und sie freute sich mit mir. Als ich nun überlegte, wen ich jetzt  und wie in dieses Erlebnis einbeziehen könnte, kam mir in den Sinn, dass ich mich eigentlich auch ganz allein freuen könnte - nur für mich. Da musste ich feststellen, dass ich das gar nicht richtig konnte, sondern jede starke Emotion immer sofort irgendwohin "ableiten" muss. Offenbar prüfe ich sie immer "intern" darauf ab, ob ich sie jemanden jetzt oder später jemandem mitteilen kann und wenn nicht, werte ich sie ab. Es muss aber doch möglich sein, zuerst einmal für sich zu "erleben" und dann erst darüber nachzudenken, ob ich es an die Mitwelt weiterleite; ein "2-Phasen-Erlebnis" sozusagen. Oder: Zuerst zwischenspeichern, dann erst forwarden.

Das erinnerte mich ein wenig an die Zeit, als ich intensiv in der Photographie engagiert war: Jeder schöne Anblick wurde immer wie durch einen Sucher-Rahmen gesehen. Schön war die optische Wirklichkeit nur, wenn sie ein schönes Bild ergab. Es dauerte lange, bis ich die Realität auch ohne "Spiegel-Reflex" zu genießen lernte.

Natürlich gilt nach wie vor, dass geteilte Freude doppelte Freude ist, aber man muss sich auch allein richtig freuen können. Vielleicht ist sie dann auch wertvoller für die Weitergabe.

❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚
Ich fand eine Feldblume, bewunderte ihre Schönheit, ihre Vollendung in allen Teilen, und rief aus: "Aber alles dieses, in ihr und tausenden ihresgleichen, prangt und verblüht, von niemandem betrachtet, ja oft von keinem Auge auch nur gesehn!" - Sie aber antwortete: ,,Du Tor, meinst du, ich blühe, um gesehn zu werden? Meiner und nicht der andern wegen blühe ich, blühe, weil's mir gefällt: darin, daß ich blühe und bin, besteht meine Freude und meine Lust." 
A. Schopenhauer

Keine Kommentare: