Samstag, 26. Dezember 2015

Über Antisemitismus

«Sagen Sie mir, Rabbi», er lehnte sich im Stuhl zurück, «war Professor Hendryx Ihrer Meinung nach ein Antisemit?»
Der Rabbi schob die Lippen vor. «Das möchte ich nicht behaupten! Er war voreingenommen, das wohl. Die meisten Menschen sind gegen die eine oder andere Gruppe eingestellt. Es ist eine natürliche Reaktion auf den Fremden, auf das Mitglied einer Minorität. Wir Juden haben darunter mehr als andere gelitten. Vermutlich, weil wir in so vielen Ländern eine Minorität dargestellt haben. Aber ich nenne es nicht Antisemitismus, wenn man mich nicht mag, auch wenn man mich nicht mag, weil ich Jude bin. Ich betrachte das nicht als Antisemitismus, falls das Vorurteil nicht in politische, legale oder soziale Handlung umgesetzt wird. Zum Funktionieren einer vielschichtig zusammengesetzten Gesellschaft gehört es nicht, dass ein Teil der Bevölkerung jeden anderen Teil schätzt. Das ist utopisch. Es geht schon, wenn jeder Teil dem anderen gleiche Rechte zubilligt, gleichgültig, ob sie sich schätzen oder nicht. Was nun Professor Hendryx anbelangt, so machte er dann und wann abwertende Bemerkungen über Juden, aber das tat er auch bei Iren, Italienern und Schwarzen. Er neigte dazu, fast über jeden bittere, sarkastische Bemerkungen zu machen. 

Harry Kemelman.

Aus seinen Krimis, die in Wirklichkeit Essays über das Judentum sind, habe ich viel darüber gelernt. Das Thema hat mich immer interessiert, aber in der aufdringlichen Form, wie es in den Medien dargeboten wird, kann ich es nicht schmecken und verdauen. Besonders die WZ (Wiener Zeitung) tut sich dabei hervor.

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