Freitag, 17. Januar 2014

Pinot noir und die Statistik-Lüge

"Vor drei Jahren erschien in der Fachzeitschrift «Nature» eine Studie, in der der Reifungsprozess von Pinot-noir-Trauben als Indikator für die Wärme des Klimas verwendet wurde. Der offizielle Beginn der Ernte im Herbst wird nämlich durch die Reife der Trauben bestimmt, die ihrerseits von der Temperatur des vorhergehenden Sommers bestimmt wird. Da die Daten des Erntebeginns im Burgund seit 1370 in den Stadtarchiven registriert werden, könnten sie als Hinweise für die Temperaturentwicklung der vergangenen sechs Jahrhunderte dienen. Eine französische Forschergruppe stellte dazu ein Modell auf. Darin wies das Jahr 2003 die höchste Sommertemperatur seit 600 Jahren auf. Die Schlussfolgerung war klar: Auch im Burgund wird es immer heisser.
Keenan war die Arbeit suspekt, und er wollte den mathematischen Unterbau überprüfen. Dazu benötigte er allerdings die Rohdaten, doch die Autoren waren nicht bereit, sie herauszugeben. Erst nach zwei Reklamationen bei «Nature» rückten sie ihre Unterlagen heraus. Keenan wurde sofort fündig. Die Autoren hatten die Daten ihrer Studie geglättet, Standardfehler und Standardabweichung verwechselt, falsche Parameter benützt, Tagestemperaturen mit Durchschnittstemperaturen verwechselt. Zieht man alle Fehlerquellen in Betracht, so wies das Jahr 2003 zwar eine hohe, aber - bei einer solch langen Zeitreihe - nicht unerwartet hohe Temperatur auf. Dass die Gutachter von «Nature» nichts bemerkt hatten, verwundert nicht, da ihnen das Datenmaterial nie zur Verfügung gestellt worden war und sie es auch nie angefordert hatten. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, den Autoren auf die Schliche zu kommen. Allein schon die Tatsache, dass das Traubenernte-Modell für das Jahr 2003 eine Temperatur ergab, die 2,4 Grad über der tatsächlich von Météo France gemessenen Temperatur lag, hätte die Gutachter stutzig machen sollen."

George Szpiro, NZZ/2007

Keine Kommentare: