I am fond of pigs. Dogs look up to us. Cats look down on us. Pigs treat us as equal.
W. Churchill
Politische, kulturelle und politische Kommentare ; literarische Kletzen. Motto: Prudenter dubitare!
I am fond of pigs. Dogs look up to us. Cats look down on us. Pigs treat us as equal.
W. Churchill
Für Leute, die nur Vergangenheit und Zukunft kennen und nicht in jedem Momente der Gegenwart eine Ewigkeit leben können, ja für solche muß der Tod schrecklich sein! Wenn ihnen die beiden Krücken Raum und Zeit entfallen, dann sinken sie ins ewige Nichts.
H. Heine
Von Georg Biron, geboren 1958, lebt als Schriftsteller, Reporter, Regisseur und Schauspieler in Wien.
Zur Natur-, Kultur- und Mediengeschichte des sagenumwobenen, einzelgängerischen Pelztiers.WZ vom 04.09.2021, 08:00 Uhr I Update: 04.09.2021, 08:11 Uhr
Die geheimnisvolle Katze ist aber nicht nur auf der Musicalbühne zu
finden, sondern in fast jeder Kultur, und schon früh wurde sie als Vermittlerin
zwischen den Welten bewundert.
Die Katze begleitet die Götter auf leisen Pfoten, sie wandelt als
Botschafterin zwischen Heiligen und Menschen umher, sie streift durch die
gespenstischen Landschaften unserer Träume und schützt uns vor den Mächten des
Bösen. Sie hütet die alten Geheimnisse der Natur, und manchmal kann sie sogar
Tote wieder zum Leben erwecken. Ganz nebenbei tragen Katzen die Weisheiten
aller großen Philosophien in sich.
Der amerikanische Poet Dilys Bennett Laing berichtet von einem Gespräch mit seiner Vertrauten: "Ich ließ das Buch ,Die Bedeutung des Zen' sinken und sah die Katze in ihr Fell lächeln, während sie es sorgsam mit ihrer rosa Zunge kämmte. ,Katze, ich würde dir dieses Buch zum Lernen leihen, aber es scheint, als hättest du es schon gelesen.' Sie hob ihren Kopf und sah mich direkt an: ,Sei nicht albern', schnurrte sie, 'ich habe es geschrieben'.
Es ist wie mit den Beatles und den Rolling Stones. Wie mit Georg Danzer
und Wolfgang Ambros. Wie mit Austria und Rapid. Oder wie mit Hund und Katz'. Es
sind unterschiedliche Weltanschauungen, die die Menschen in zwei Gruppen teilen
- und am Ende doch ein Ganzes ergeben. "Ein Hund ist Prosa", sagt ein
Sprichwort, "eine Katze Poesie." Jedenfalls teilen diese rätselhaften
pelzigen Wesen seit vielen Jahrtausenden mit uns Haus und Hof - und doch wissen
wir relativ wenig über diese einzelgängerischen Tiere.
Meine Kätzchen lieben mich. Sie stammen von einem steirischen Bauernhof,
heißen Che und Chica und haben eine neue Qualität in mein Leben
gebracht. Katzen sind perfekte Partner für einen lebenslustigen, verspielten
Schriftsteller und dienen als sinnlich- luxuriöse Musen und emotionale
Energiespender gegen Mangelerscheinungen des modernen Lebens. Kollegin Eva
Demski hat einmal notiert: "Katzen sind das fellgewordene Lob der Geduld,
der Ruhe und der Einkehr. Sie sind die besten Genossen, wenn man allein ist und
nicht allein sein will."
....ihre Liebe beschämt mich an manchen Tagen. Ich habe diese Zuneigung nicht verdient, denke ich - und stehe augenblicklich in ihrer Schuld. Beschämt eile ich zum Kühlschrank, gefolgt von Che und Chica, um ihnen Essen und Trinken zu servieren, und als Zeichen ihrer Zuneigung und Liebe kommen sie nachts zu mir ins Bett und legen mir ihre Pfötchen auf die Schultern.
"Auf
Katzenpfaden"
Viele Frauen werden auch heute noch mit dem Vergleich mit einer Katze
konfrontiert - nicht nur in Österreich, wo der Ausdruck ''klasse Katz" erotisches Verlangen in
die Augen mancher Männer zaubert.
Auch die schöne Carmen aus Spanien soll viel von einer stolzen Katze an sich gehabt haben, die niemals kommt, wenn man(n) nach ihr ruft, sondern sich nur dann nähert, wenn sie selbst es will. Und natürlich ist Carmen in der Vorstellung von Frauenhassern falsch und treulos, wie eine Katze eben, die sich an ein und demselben Tag mehreren Katern lustvoll hingibt.
In der männlichen Phantasie ist die Katze eben mehr als nur ein
schmeichlerisches Wesen mit exzentrischem Sexualtrieb. Die Katze erscheint dann
als die Frau schlechthin. Und in der Geschichte ist sie oft auch die
Begleiterin von sehr eigenständigen Frauen, die ihren Willen nicht von Männern,
sei's Geliebter oder Vater, brechen lassen wollen. Schöne Feen, tapfere
Göttinnen und verfluchte Hexen treiben sich mit Katzen herum - Frauen eben, die
sich nicht so leicht besitzen lassen.
Die Kulturgeschichte der Miezen ist auch Religionsgeschichte. Buddhisten
beispielsweise sind davon überzeugt: "Indem man das Wesen einer Katze
meditiert, vermag man die Erleuchtung zu erlangen." Zu sehr sollte man
sich in Katzen aber nicht verlieben, weil eine solche Liebe vom Nirwana
ablenkt. Deshalb hat der Dalai Lama vor kurzem eine kleine Katze weggegeben,
die ihm zu sehr ans Herz gewachsen ist.
Die alten Ägypter sahen in den Veränderungen an der Pupille im
Katzenauge das Zunehmen und Abnehmen des Mondes. Auch die Inder, die schon vor
mehr als 5.000 Jahren die pelzwangigen Raubtiere zu schätzen wussten, brachten
sie mit dem Mond in Verbindung, den sie sich als weiße schlafende Katze
vorstellten. Weil sich Katzen beim Schlafen zusammenrollen, gelten die kleinen
heiligen Tiere als Symbol des Lebensflusses schlechthin, als Verbindung
zwischen Ende und Anfang. Und natürlich auch als nützliche Hausgeister, die
plündernde Nagetiere von gefüllten Vorratskammern fernhalten.
Der Maler Hieronymus Bosch, Schöpfer üppiger, wilder Welten auf
Leinwand, zeigt uns im Garten Eden die Katze als gnadenlose Jägerin von
Ungeziefer. Und auch Albrecht Dürer lässt zwischen Adam und Eva in
paradiesischer Ruhe eine Katze schlummern.
In den dunklen Zeiten der Hexenverbrennungen warf man Millionen von
Katzen auf die Scheiterhaufen, um die Verbündeten der ''Teufelsweiber"
auch gleich mit auszurotten. Der "Ketzer" und die "Katze",
das klang für die katholischen Inquisitoren verdächtig ähnlich. Verschont wurden
nur Tiere, deren Fellzeichnung auf der Stirn ein "M" zeigte - "M"
wie Maria, die heilige Jungfrau. Die anderen Katzen waren durch die
Gottesmutter nicht geschützt: Sie starben in den Flammen, gemeinsam mit den
Hexen.
"Darum spielen die Katzen in den Hexensagen eine so wichtige Rolle.
Entweder sie bilden das Gespann der Hexen, oder die Hexen nehmen die Gestalt
dieser Tiere an", meinte der tschechische Forscher Friedrich Nork. Die
Verfolgung der Hexen und ihrer heiligen Katzen war nur der schreckliche und
sichtbare Ausdruck für das Zurückdrängen einer Seite des menschlichen Wesens.
Diese wurde von Priesterinnen, Sippenmüttern, Heilkundigen und Hebammen bis ins
Mittelalter vertreten. Die "heilige Hatz auf die Katz" ist heute zwar
vorbei, der Volksmund weiß aber immer noch Bescheid über den sagenhaft
unheilvollen Zusammenhang zwischen Katze und Frau: "Auch die kleinste
Katze kratzt!" und: "Erst leckt die Katze, dann krallt sie!"
"Unter sämtlichen Geschöpfen gibt es nur eines, das nicht zum
Sklaven der Peitsche gemacht werden kann", notierte der Literat Mark
Twain. "Dieses Geschöpf ist die Katze. Wenn der Mensch mit der Katze
gekreuzt werden könnte, dann würde der Mensch wohl verbessert, die Katze aber
verschlechtert werden."
Noch nie gab es in Österreich so viele Haustiere wie heute: mehr als
vier Millionen. Ein gutes Drittel davon sind Katzen. Allein in Wien lebt in
fast jedem dritten Haushalt eine Katze, und fast jedes zweite goldene
Wienerherz ist davon überzeugt, dass ein Tier mehr Wert hat als ein Mensch.
Wer im Alltag mit vielen Menschen zu tun hat, wendet sich in seiner Freizeit oftmals Tieren zu - und fühlt sich dort weitaus besser verstanden als in menschlicher Gesellschaft. Katzenliebhaber sind vielleicht sogar zärtlichere Menschen. Sie sind kühne Abenteurer im Geiste und sind fasziniert vom weltumspannenden Freiheitsgedanken.
"Selbst die kleinste Katze ist ein Wunderwerk", bemerkte
Leonardo da Vinci voller Ehrfurcht. Sie sind empfindliche Tiere, sehen sechsmal
besser als der Mensch und hören auch mit den Augen, weil sie beim Schauen
bestimmte Frequenzen spüren, die außerhalb unserer Wahrnehmung liegen. Bei
Dunkelheit sehen sie ihre Umgebung wie mit einer Infrarotbrille. Außerdem
können sie ihre Ohren wie Antennen einstellen und damit mehr Laute wahrnehmen
als der Mensch. Und in der Nasenspitze sind 19 Millionen Nervenenden - beim
Mensch nur fünf Millionen.
Immer wieder werden Katzen auch als therapeutische Heilmittel eingesetzt
- mit erstaunlichen Erfolgen. Kranke Menschen, die eine Katze an ihrer Seite
haben, so berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", werden
nachweislicher schneller gesund, und deshalb empfehlen 75 Prozent der Ärzte
ihren Patienten in erster Linie Katzen als Haustiere. Das Katzenfell ist eine
Art Mikrowellenstrahler, der in einem für Pflanzen, Tiere und Menschen
besonders günstigen Frequenzbereich von 1,5 bis 6 Gigahertz wirkt. Fühlen wir
uns gerade deshalb in Gesellschaft von Katzen so wohl?
"Die Katze wird als ein Kunstwerk der ganzen Schöpfung erlebt,
deren Schönheit sogar Götter und Feen begeistert", weiß Sergius Golowin,
der über die "Göttin Katze" ein beeindruckendes Buch geschrieben hat.
Tausende Sagen und Märchen hat Golowin gelesen, um die Seele der Katze zu
erforschen. Bis zu seinem Tod vor 15 Jahren hat er sich mit den kleinen
"Glückssternen auf der Erde" befasst - und konnte ihr Geheimnis doch
nicht lüften: "Bei all den schönen Überlieferungen und Regeln darf man
niemals vergessen: Meistens sind es gar nicht wir, die die Katze unseres Lebens
finden. Sie findet uns! Auf einmal haben wir sie, obwohl sie oft gar nicht so
aussieht, wie wir es uns vorher gewünscht haben."
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Und hier Beiträge von mir:
UNTERSCHIED.
Dem Herrchen parieren:
Oberste Hundepflicht!
Derlei Manieren
Braucht mein Kater nicht.
oder aus meinem Twitter:
https://twitter.com/kumpfuz/status/1507754155301027847?s=20&t=MX34hL-rpt-T3qsW10bbGw
Heinz Friedrich
(anläßlich eines lang zurückliegenden Theaterskandals in Stuttgart durch Neuenfels 🕀 )
……….. Die Feuilletonisten brannten Brillantfeuerwerke fortschrittlich-kulturrevolutionärer Schlagworte ab, um für die bedrohte künstlerische Freiheit zu demonstrieren und das repressive Verhalten eines verstockten Kulturestablishments zu brandmarken.………….. Auseinandersetzungen dieser Art gab es beim Theater schon immer - und sie werden auch in Zukunft nicht ausbleiben. Sich deshalb ideologisch zu verausgaben erscheint müßig. Aber Sachlichkeit und vernünftige Gelassenheit ist offenbar nicht das Gebot der feuilletonistischen Stunde. Jede Andeutung eines Skandals wird gern und willig aufgegriffen, um die tierisch-ernste Streiterpose des Gerechtigkeitsfanatikers einzunehmen und meinungsöffentliche Gardinenpredigten vom Stapel zu lassen.
Neuenfels aber, auf theatralische Aggression versessen…… terrorisiert auch die Phantasie des Zuschauers, indem er ihr die
vordergründigste und gemeinste Interpretation des Stoffes agitatorisch
aufzwingt. ……………. oder zumindest zu einem Stichwortgeber für unkontrollierbaren
Theaterzirkus herabwürdigt. Denn schließlich soll und muß sich der
Theaterregisseur (wie jeder Interpret) am Beginn seiner schöpferischen
Auseinandersetzung mit einem vorgegebenen Stoff die Frage stellen, welchen
Absichten den Autor gefolgt sei. Die Antwort auf diese Frage läßt ohnehin schon
Spielraum genug für künstlerische Mißverständnisse, Fehlleistungen und
Eigenmächtigkeiten, die nicht mit dem Urheberrecht in der Hand geahndet werden
können. Wird dieser Spielraum durch die ideologische Willkür des Regisseurs
jedoch noch zusätzlich ausgenutzt, so steigert sich die Interpretation zur
brutalen Vergewaltigung.
Allerdings
ist das Stuttgarter Theatermißgeschick kein Einzelfall, sondern es
veranschaulicht im Gegenteil nur ein Symptom gegenwärtiger Theaterpraxis: Vergewaltigungen dieser und
ähnlicher Art ereignen sich nämlich allenthalben auf unseren Bühnen; nur kann
sich die Mehrzahl der Autoren…., nicht
mehr wehren, weil sie längst unter der Erde modert und auch kein finanziell
interessierter Sachwalter und kein Urheberrecht für ihre postumen Interessen
eintritt - wir meinen die Klassiker, die mehr und mehr dem ideologischen
Regietheater zum Opfer fallen. In der ebenso flachen wie irrigen Meinung, die Klassiker
seien gesellschaftlich überholt oder repräsentierten gar den Höhepunkt
bürgerlicher Repression, kühlen zahlreiche Jung-Regisseure ihr szenisches
Mütchen an den Uropas der Schaubühne. ….. Schließlich
stellt man gotische Madonnen ja auch nicht in öffentlichen Bedürfnisanstalten
aus, um auf ihre Kritisierbarkeit aufmerksam zu machen ...
Gewiß:
Kunstwerke sind keine starren Denkmalgrößen, die unreflektierte Bewunderung
erheischen. Sie müssen sich, wollen sie lebendiger Wirkung nicht entraten,
späteren Generationen stets erneut zur Auseinandersetzung stellen. Aber es ist
immerhin ein Unterschied, ob diese Auseinandersetzung auf gleichrangigem Niveau
oder in Form gemeiner Notzucht erfolgt. Politisch-tendenziöse Verfälschung
eines Kunstwerkes aber ist Notzucht, weil sie die freie Meinungsäußerung
des Autors manipuliert oder gar verhindert (ob der Autor längst tot ist oder
noch unter den Lebenden weilt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle).
Steht es den kultur- und sozialrevolutionären Provokateuren doch frei, sich
ihre Stücke selbst zusammenzuzimmern oder sie zusammen mit einem
gleichgesinnten Autorenteam zu erarbeiten. Niemand wird sie daran hindern, dann
von ihrer so mimosenhaft verteidigten Gedankenfreiheit praktischen Gebrauch zu
machen und ihre szenischen Visionen in dem geistigen Parterre vorzuführen, das
ihnen gemäß erscheint.
Um so nachdrücklicher aber scheint angesichts solcher
Toleranz Achtung vor den Werken anderer Autoren geboten; denn wie soll
Diskussion entstehen, wenn alle Texte über den gleichen ideologischen
Theaterleisten manipuliert werden? Nur
die Werktreue garantiert die geistige Auseinandersetzung, weil sie dem
Autor ohne selbstherrliches Dreinreden das entscheidende Wort läßt. In diesem
Sinn ist Werktreue kein leerer oder gar repressiver Wahn, sondern ein
Gebot, durch dessen Nichtachtung künstlerische Interpretation sich selbst
stranguliert………... Oder sollte gar zutreffen, daß künstlerische Freiheit nur
dem zusteht, der sich modisch-progressiv gebärdet? Dann allerdings wären wir bald
an dem Punkt angelangt, an dem die Freiheit, die solche Fortschrittler meinen,
ihre repressiven, terroristischen Züge zynisch enthüllt nach dem Motto: Willst du nicht meiner Meinung sein, so
schlag ich dir den Schädel ein.
Heinz Friedrich: Weitere Zitate zum "modernen" Theater:
... selbstgefällig projizieren sie ihre eigenen Hirngespinste an das Zeltdach und behaupteten keck, dies sei die Wirklichkeit. Nun aber, da diese Wirklichkeit nicht standhält und die Trapeze über leeren Sitzreihen schaukeln, predigen sie Besinnung und begeben sich ins Parterre, um den verachteten Brüdern die Hand zu reichen und der engagierten Subkultur das Wort zu reden. So geraten sie von einem Extrem ins andere. Denn sowenig die Kunst im luftleeren Raum über den Köpfen der Gesellschaft sich etablieren kann, so wenig sollte sie sich unmittelbar mit der Gesellschaft gemein machen und mit ihr auf die Barrikaden der alltäglichen Bedürfnisse (oder auch nur Scheinbedürfnisse) steigen. Kunst manifestiert sich nämlich weitaus häufiger in einem Spannungsverhältnis zur Gesellschaft als in Übereinstimmung mit ihr. Das liegt nicht zuletzt in der anthropologischen Tatsache begründet, daß der täterische Mensch geschichtlich bestimmender auf die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse einwirkt als der schöpferisch reflektive, dessen geistiger Einfluß sich in der Regel nur allmählich (und oft erst über Generationen hinweg) durchsetzt.
Viele
Parnass-Wanderer litten an ihren Zeitgenossen, die für sie nur die Qual der
Ignoranz bereithielten. Genies sind gesellschaftlich unbequem. Seit den Tagen
der Renaissance, als sich die Künstler ihrer schöpferischen Individualität
bewußt wurden, kämpfen die Dichter, Komponisten und Maler nicht nur um ihr
Publikum, sondern meist auch gegen ihr Publikum. Wer nicht bereit ist, sich der
Tagesrhetorik zu unterwerfen und dem Für und Wider der Meinungen zu huldigen,
kurzum: wer sich gesellschaftsideologisch nicht integrieren läßt, dem wird
erbarmungslos die Außenseiterrolle zugewiesen; um den Preis der Einsamkeit und
Verkennung muß er sein Werk schaffen.
Denn große
Kunst strebt, und zwar auch dort, wo sie sich zu engagieren scheint, stets nach
Ausdruck überzeitlicher Sachverhalte; die Bindung an das Zeitliche widerstrebt
ihrem innersten Antrieb und Auftrag. Aus dem Sieg über die Zeit bezieht sie
ihre Faszination und ihre Dauer über den Tag hinaus. Wäre die Schilderung
gesellschaftlicher Verhältnisse das Hauptmerkmal Shakespearescher Trauerspiele,
so würden uns heute kaum noch die Schicksale Hamlets, Othellos oder Romeos
erschüttern - ganz zu schweigen von den Inhalten der antiken Tragödie, die mit
unserer modernen Gesellschaftsstruktur ebensowenig oder ebensoviel gemein haben
wie ein Überschallflugzeug mit dem Schneider von Ulm. Auch der Apoll von
Belvedere, auf seine gesellschaftliche Aussagekraft beschränkt, erschiene uns
lediglich als kunstfertig gerundeter Marmor und nicht als Inkarnation
vergöttlichter und zum geistig-sinnlichen Leitbild erhobener Menschengestalt.
Es sind
also kaum die gesellschaftlichen Konstellationen vergangener Epochen, die uns
in den überlieferten Kunstwerken ergreifen. Ebensowenig aber ist
bildungsbürgerliche Kulturheuchelei für die Präsenz künstlerischer
Überlieferung verantwortlich: musealer Kunstgenuß, zum Statussymbol erhoben,
würde unweigerlich in interesseloser Langeweile versanden, falls ihm nicht eine
aktivierende Kraft antwortete.
Was
vielmehr aus den Kunstwerken der Vergangenheit in die Gegenwart hineinspricht,
das ist ihr überzeitlicher Gehalt an menschlicher Wahrheit - einer Wahrheit,
die, in welcher gesellschaftlichen Konstellation auch immer, seit den Tagen, in
denen der Mensch seinen geschichtlichen Weg antrat, die gleiche geblieben ist:
das tragische Bewußtsein der zeitlichen Existenz und damit die individuelle
Absonderung von dem universalen Gang des Weltganzen.
Dieser Einsicht freilich widersetzten sich die
Verfechter der totalen Gesellschaft mit dialektischer Leidenschaft. Verstrickt
in die Utopie zukünftiger Sozialparadiese und überzeugt von dem
spätkapitalistisch-repressiven Charakter der Kultur, erblicken sie im
überzeitlichen Wahrheitsanspruch der Kunst einen Feind des Fortschritts. Größe
ist ihnen als Ausdruck autoritären Machtanspruchs verdächtig, und das
Ergreifende oder Erschütternde bietet sich ihnen nur dar als Manipulation der Gefühle
zum Zweck gesellschaftlicher Unterdrückung.
Ich wollte Mißtrauen erwecken gegen jene transzendente Ventriloquenz, wodurch mancher glauben gemacht wird, etwas das auf Erden gesprochen ist, käme vom Himmel; Ich wollte hindern, daß, da grober Aberglaube aus der feineren Welt verbannt ist, sich nicht ein klügelnder an dessen Statt einschliche, der eben durch dıe Maske der Vernunft, die er trägt, gefahrlicher wırd, als der grobe.
Lichtenberg
Lichtenberg:
Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, eben so viel ohne allen Sinn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zu Hülfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir müssen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können. Dies ist schon längst gesagt, man kömmt aber von allen Seiten wieder darauf. So suchen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vielen Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ist. So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften usw. die sicherlich nicht die Absichten dieser Lagen sind. Symmetrie gehört auch hieher. Silhouette im Dintenfleck pp. Auch die Stufenleiter in der Reihe der Geschöpfe, alles das ist nicht in den Dingen, sondern in uns. Überhaupt kann man nicht genug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unsere Ordnungen beobachten.
Erich Fromm:
Unsere bewußten Motivationen,
Ideen und Überzeugungen sind eine Mischung aus falschen Informationen,
Vorurteilen, irrationalen Leidenschaften, Rationalisierungen und
Voreingenommenheit, in der einige Brocken Wahrheit schwimmen, die uns die (freilich
falsche) Gewißheit geben, daß die ganze Mischung real und wahr sei. Unser
Denkprozeß ist bestrebt, diesen ganzen Pfuhl voller Illusionen nach den
Gesetzen der Logik und Plausibilität zu organisieren….
Bedacht im Erkundigen B. Gracian
– (Schopenh Übs.)
Man lebt
hauptsächlich auf Erkundigung. Das Wenigste ist, was wir sehn; wir leben auf
Treu und Glauben. Nun ist aber das Ohr die Nebentüre der Wahrheit, die
Haupttüre der Lüge. Die Wahrheit wird meistens gesehn, nur ausnahmsweise
gehört. Selten gelangt sie rein und unverfälscht zu uns, am wenigsten, wenn sie
von weitem kommt: da hat sie immer eine Beimischung von den Affekten, durch die
sie ging. Die Leidenschaft färbt alles, was sie berührt, mit ihren Farben, bald
günstig, bald ungünstig. Sie bezweckt immer irgendeinen Eindruck.
Erich Fromm:
Die Bereitschaft zu schenken manifestiert sich in jedem, der wirklich
liebt. »Falsche Liebe«, das heißt Egoismus zu zweit, macht die Menschen noch
selbstsüchtiger (und das ist oft genug der Fall). Wahre Liebe vermehrt die
Fähigkeit, zu lieben und anderen etwas zu geben. In der Liebe zu einem bestimmten Menschen liebt der wahre Liebende die
ganze Welt.