Dienstag, 22. Februar 2022

Selbst-Denken

 Lichtenberg:

 Man empfiehlt Selbst-Denken oft nur, um die Irrtümer anderer beim Studieren von Wahrheit zu unterscheiden. Es ist ein Nutzen, aber ist das alles? wie viel unnötiges Lesen wird uns erspart. Ist denn Lesen Studieren? Es hat jemand mit großem Grunde der Wahrheit behauptet, daß die Buchdruckerei Gelehrsamkeit zwar mehr ausbreitet aber im Gehalt vermindert hätte. Das viele Lesen ist dem Denken schädlich. Die größten Denker, die mir vorgekommen sind, waren gerade unter allen den Gelehrten, die ich habe kennen gelernt die, die am wenigsten gelesen hatten. Ist denn Vergnügen der Sinne gar nichts?

 Wenn man die Menschen lehrt, wie sie denken sollen und nicht ewig hin, was sie denken sollen: so wird auch dem Mißverständnis vorgebeugt. Es ist eine Art von Einweihung in die Mysteria der Menschheit. Wer im eignen Denken auf einen sonderbaren Satz stößt, kommt wohl wieder davon ab, wenn er falsch ist. Ein sonderbarer Satz hingegen, der von einem Mann von Ansehen gelehrt wird, kann Tausende, die nicht untersuchen, irre führen. Man kann nicht vorsichtig genug sein in Bekanntmachung eigner Meinungen, die auf Leben und Glückseligkeit hinaus laufen, hingegen nicht emsig genug, Menschen Verstand und Zweifel einzuschärfen. Hieher gehört die Sentenz every man's reason is every man's oracle.

Die Gottes-Gelehrten können nicht behutsam genug sein bei Ausdehnung des Richteramts der Offenbarung über Dinge, wo die Vernunft auch dereinst entscheiden wird. Bei dem jetzigen Zustand unserer Kenntnisse spricht sie mit Recht die Sprache des Zweifels, allein wird sie immer so zu sprechen Ursache haben? Die Vernunft macht täglich Eroberungen aus dem Vergangnen und durch diese Eroberungen gestärkt nützt sie das Gegenwärtige. Es könnte sein, ich hoffe es nicht, daß die christliche Religion durch Begebenheiten künftiger Zeiten vieles verlöre.

Die Naturkündiger der vorigen Zeit wußten weniger als wir, und glaubten sich sehr nahe am Ziel: wir haben sehr große Schritte darauf zu getan und finden nun, daß wir noch sehr weit ab sind. Bei den vernünftigsten Weltweisen nimmt die Überzeugung von ihrer Unwissenheit zugleich mit ihrem Wachstum an Erkenntnis zu.

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 Man wird bei allen Menschen von Geist eine Neigung finden sich kurz auszudrücken, geschwind zu sagen was gesagt werden soll. Die Sprachen geben daher keine schwache Kennzeichen von dem Charakter einer Nation ab. Wie schwer ist es nicht einem Deutschen den Tacitus zu übersetzen. Die Engländer sind schon konziser als wir, ich meine ihre guten Schriftsteller. 

Sonntag, 6. Februar 2022

Zeitgeschmack

 Ich kann nicht leugnen, mein Mißtrauen gegen den Geschmack unserer Zeit ist bei mir vielleicht zu einer tadelnswürdigen Höhe gestiegen. Täglich zu sehen wie Leute zum Namen Genie kommen, wie die Keller-Esel zum Namen Tausendfuß, nicht weil sie so viele Füße haben, sondern weil die meisten nicht bis auf 14 zählen wollen, hat gemacht, daß ich keinem mehr ohne Prüfung glaube.

G.Ch. Lichtenberg


"Keller-Esel" meint Kellerassel.

Fanatiker

 "Als Beispiele könnte man fanatische Vegetarier anführen, die destruktive Impulse verdrängen; fanatische Abtreibungsgegner, die ihre Mordgelüste verdrängen; sowie Tugendfanatiker, die ihre eigenen »sündigen« Neigungen nicht wahrhaben sollen. Es kommt dabei weniger auf die jeweiligen Überzeugungen an als auf den Fanatismus, mit dem sie vertreten werden. Jeder Fanatismus legt den Verdacht nahe, daß er dazu dient, andere, und gewöhnlich die entgegengesetzten Impulse zu verdecken."

E. Fromm


Dienstag, 11. Januar 2022

Eigentum

 

Eigentum


Ich weiß, daß mir nichts angehört 

Als der Gedanke, der ungestört 

Aus meiner Seele will fließen, 

Und jeder günstige Augenblick, 

Den mich ein liebendes Geschick 

Von Grund aus läßt genießen.


J. W. Goethe

 

Mittwoch, 5. Januar 2022

Der kleine Unterschied

 Der Meteorologe berichtet:

"Die Termperatur liegt 10° über dem mehrjährigen Durchschnitt"

In den Medien wird sie wie folgt wiedergegeben:

"Die Temperatur ist um 10° zu hoch".

??

Kein Unterschied?

Ich denke, ein gewaltiger! 

Im ersten Statement wird ein Sachverhalt mitgeteilt, im zweiten kommt eine Bewertung dazu, wird der Sachverhalt  "eingerahmt" (framing) in ein Bezugssystem und das ist immer die zeitgeistige Strömung, aktuell also die sog. "Klimakrise".

Nach dieser Methode werden seit langem die wissenschaftlichen Erkenntnisse von den Journalisten unter das Volk gebracht. Und dieses Volk hat kaum eine Chance, dieser verbogenen Darstellung der Wirklichkeit zu entkommen.

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Und übrigens wäre ja noch zu hinterfragen, wie die erste Aussage zustande kam: 

Welcher "Durchschnitt" ist eigentlich gemeint: Arithmetisches, Geometrisches Mittel  oder gar ein Median?

Und: Wieviele Jahre.....welche geographische Bezugsgröße.....

Fauler Zauber

 Im KURIER hat G. Tartarotti in seiner Glosse bedauert, dass es gegen Depression keine Impfung gibt. Mein Leserbrief  dazu:

Nein, eine Impfung gibt es nicht, aber mittlerweile sehr gute Psycho-Pharmaka. Diese wirken allerdings erst nach einigen Wochen, im Gegensatz zu den ‚happy pills‘, die einen wie Ikarus sofort der Sonne entgegen tragen, dann aber bald zum Absturz führen, es sei denn, man nimmt sie immer und immer wieder – der Absturz ist aber trotzdem unvermeidlich und ist dann um so schrecklicher. Die Langfrist-Pharmaka hingegen ermöglichen es, die Hologramme, die uns die Botenstoffe im Hirn vorgaukeln, als solche zu entlarven.

Freitag, 24. Dezember 2021

Bandlwurm

Gedenken an den 19.11.2021, den Tag, an dem meine geliebte Djamila gestorben wurde.

Meine Kartenhaus-Idylle wurde weggeblasen.

                        
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Das ist mein Flucht-Vehikel:
 aber:

 "I hab ka Lust, i hab ka Freid,

I hab den Bandlwurm im Leib.

Und steig' i auf den Stephansturm,

So steigt mit mir der Bandlwurm."


Donnerstag, 16. Dezember 2021

Der Zufall lebe hoch!

 NESTROY:

Wenn der Zufall nicht wär', wie viel gelinget denn in der Welt?

Der Zufall ist die Muttermilch, an der sich jeder Plan vollsaugen muß, wenn er zum kräftigen Erfolg heranreifen soll.

Dem Zufall danken wir alles, dem seelenguten Kerl, dem der menschliche Eigendünkel fast immer das Verdienst abstreit' t. 

Lassen wir ihn leben. Der Zufall lebe hoch!