Mittwoch, 11. September 2024

Der Brandstifter in uns (Brandstetter)

 Es gibt ja genug falsches Pathos in der Literatur, jede Menge künstlicher politischer Aufregung unter den Schriftstellern, moralischen Abscheu vor dem oder jenem wirklichen oder vermeintlichen Schurken, die Leute steigern sich in etwas hinein und kommen sich dann weiß Gott wie gerecht vor, die Selbstgerechtigkeit der Schriftsteller ist grenzenlos, auch die Besserwisserei. (Sie sind etwa gegen Faschisten und landen unweigerlich bei der faschistischen Menschenverachtung.) In dieser Atmosphäre der hektischen moralischen Betriebsamkeit, des Aufrufe- und Appelleunterschreibens, das einige nicht mehr zur eigentlichen Literatur kommen läßt, in diesem Treibhausklima der künstlichen, bloß behaupteten, aber leeren und schalen Tugendhaftigkeit, in all diesen Kampagnen und Kreuzzügen, den Feldzügen und dem Zufeldeziehen tut es sicher gut, wenn sich einmal jemand ehrlich selbst erforscht und einbekennt, daß der Drang, Schaden zu spenden, Unheil anzurichten, gerade so groß und stark in ihm ist wie jener des Schadenverhinderns und -abwendens. Der Brandstifter ist in uns genauso groß wie der freiwillige Feuerwehrmann. Und die Medien gehen dementsprechend bei ihrer Berichterstattung über Eisenbahnunglücke, einen Waldbrand in Spanien, über Flugzeugentführungen und anderen Terror weit über das Informationsbedürfnis hinaus. Befriedigt wird nicht bloß das Informationsbedürfnis, sondern die alte Neugier, die eine häßliche Gier ist. Der Mensch genießt die Meldung, insofern er die Neugier befriedigt und sich in seinem Mitleid genießt. Er befriedigt letztlich seine Schadenfreude, wie entrüstet er ein so niedriges Motiv auch von sich weisen und in Abrede stellen würde.

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