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Freitag, 22. August 2025

Feine Geschichten


 Von Zoe ]enny ( aus DIE PRESSE)

 "...Gestern war wieder der Schriftsteller bei mir, der von seinem paranoiden Verleger an der kurzen Leine gehalten wird. Er saß wie angeschossen mit eingesacktem Oberkörper im Sessel. ,,Es ist vorbei",' sagte er, ,,meine Zunft ist am Ende." Was denn los sei, fragte ich, und er erzählte mir von einer Freundin, deren Tochter im Deutschunterricht ein Gedicht über den Frühling hatte schreiben müssen. Die Tochter habe sich mit ein paar Klassenkameraden abgemüht, um ein halbwegs passables Ergebnis zu präsentieren, während eine andere Gruppe einfach ChatGPT benutzt habe. Das von der KI generierte Gedicht stieß bei dem ahnungslosen Lehrer auf größte Begeisterung, er klatschte in die Hände, sprach von lyrischem Talent und hängte das Gedicht an die Wand.

„Das gab mir zu denken", fuhr der Schriftsteller fort „und ich habe ChatGPT gebeten, eine Geschichte in meinem Stil zu schreiben." Er lehnte sich vor. ,,Dreißig Sekunden, Frau Doktor Grünwald", er streckte drei Finger in die Luft, ,,und die KI spuckte eine feine Geschichte aus. In ein paar Jahren wird sie so gut sein, dass man keinen Unterschied mehr erkennt. Ich bin im Begriff, obsolet zu werden - wie alle Künstler, Schriftsteller und Journalisten. Ein Damoklesschwert hängt über uns, wir werden in der Bedeutungslosigkeit versinken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Roman einen Literaturpreis erhält und sich dann herausstellt, dass er von einer KI verfasst wurde."


Es ist eh nur mehr eine Frage der Zeit, bis ein KI-Text den Bachmann-Preis gewinnt.

 

Mittwoch, 11. September 2024

Der Brandstifter in uns (Brandstetter)

 Es gibt ja genug falsches Pathos in der Literatur, jede Menge künstlicher politischer Aufregung unter den Schriftstellern, moralischen Abscheu vor dem oder jenem wirklichen oder vermeintlichen Schurken, die Leute steigern sich in etwas hinein und kommen sich dann weiß Gott wie gerecht vor, die Selbstgerechtigkeit der Schriftsteller ist grenzenlos, auch die Besserwisserei. (Sie sind etwa gegen Faschisten und landen unweigerlich bei der faschistischen Menschenverachtung.) In dieser Atmosphäre der hektischen moralischen Betriebsamkeit, des Aufrufe- und Appelleunterschreibens, das einige nicht mehr zur eigentlichen Literatur kommen läßt, in diesem Treibhausklima der künstlichen, bloß behaupteten, aber leeren und schalen Tugendhaftigkeit, in all diesen Kampagnen und Kreuzzügen, den Feldzügen und dem Zufeldeziehen tut es sicher gut, wenn sich einmal jemand ehrlich selbst erforscht und einbekennt, daß der Drang, Schaden zu spenden, Unheil anzurichten, gerade so groß und stark in ihm ist wie jener des Schadenverhinderns und -abwendens. Der Brandstifter ist in uns genauso groß wie der freiwillige Feuerwehrmann. Und die Medien gehen dementsprechend bei ihrer Berichterstattung über Eisenbahnunglücke, einen Waldbrand in Spanien, über Flugzeugentführungen und anderen Terror weit über das Informationsbedürfnis hinaus. Befriedigt wird nicht bloß das Informationsbedürfnis, sondern die alte Neugier, die eine häßliche Gier ist. Der Mensch genießt die Meldung, insofern er die Neugier befriedigt und sich in seinem Mitleid genießt. Er befriedigt letztlich seine Schadenfreude, wie entrüstet er ein so niedriges Motiv auch von sich weisen und in Abrede stellen würde.