Donnerstag, 19. September 2024

Psychodame

Eine der köstlichsten Satiren über die Psychoanalyse findet sich im Roman "Ein  Hund mit Charakter" von Sándor Márai  im Kapitel "Psychoanalyse". Leider ist der Text zu lang, um hier eingefügt zu werden, aber vielleicht ein paar Tupfer: Eine mir der Familie befreundete "Psychodame" tritt auf und will klären, warum der Hund - der Puli Tschutora - Probleme macht:

.....»Er kläfft also?« erkundigt sie sich honigsüß und nickt mit ernster Miene. Sie will damit wohl sagen: »]a, ja, natürlich kläfft er, genau das habe ich erwartet.« Nach einer kurzen Pause wendet sie sich an die Dame: »Hast du dich gelegentlich in seiner Gegenwart ausgezogen?« Die Angesprochene kramt verlegen in ihrem Gedächtnis, doch da mischt sich der Herr ein und berichtet, daß er sich öfter ausgezogen hat, wenn Tschutora im Zimmer war. »Na also«, stellt die Analytikerin zufrieden fest. »Hat er Sie dann ... im Schlafrock gesehen? Mehrfach? Als er noch ganz klein war? Eventuell erst ein paar Wochen alt?« All das fragt sie leise und mit großem Ernst.

Offenbar ist jedes Detail wichtig; sie will auch wissen, ob Tschutora nicht vielleicht im Bad war, als die Dame oder der Herr gebadet hat? »Nicht? ... Überlegen Sie nur!« Dame und Herr beginnen nachzudenken, wechseln verlegene Blicke und senken dann verschämt die Köpfe. Das wäre schon möglich, entgegnet hastig der Herr, wieder anstelle der Dame, und keinesfalls auszuschließen, die Wohnung sei klein, und der Hund schleiche in den Zimmern herum, möglich, daß er gelegentlich unbemerkt auch ins Badezimmer gekommen sei, wenn einer von beiden ein Bad nahm. Doch warum sie das frage?

»Oh, eigentlich nicht so wichtig«, antwortet die Expertin liebenswürdig und mit verständnisvollem Lächeln. » Im Schlafrock also ... der Kleine hat Sie im Schlafrock gesehen?« möchte sie dann ganz nebenbei noch wissen. Im Schlafrock? ... Der Herr grübelt.

»Besser gesagt in Unterhosen«, sagt er dann schuldbewußt. Um es genauer zu sagen, das Tier hatte öfter die Möglichkeit, seinen Herrn in Unterhosen zu sehen, als ganz Kleiner und auch später, morgens und abends, beim Anziehen und beim Ausziehen. Ja, ja, natürlich habe er ihn in Unterhosen gesehen. »Aber hat das etwas zu bedeuten? ... «

Oh, sie hätte nur gern gewußt.................

......Die sanften, aber bestimmten Diagnosen, die sicheren Meinungsäußerungen der Analysedame wie auch die unfehlbaren Urteile in all den Wirrnissen kann der Herr nur staunend bewundern. Diese Kompetenz, denkt er anerkennend, auf welch festem Fundament sie doch stehen, wieviel Routine in einer Düsternis, in der sich selbst Schopenhauer nur schwer zurechtfand! Odium figulinum, erinnert er sich an den Lieblingsbegriff des großen deutschen Pessimisten, möglicherweise verhilft ihnen das zum derartig erfreulichen selbstbewußten Zusammenhalt. Wohl die zur Zunft gehörende Mißgunst der Töpfer! Jedenfalls packt einen der Neid, wenn jemand auf die Frage, woran ein analysierter Mensch denn zu erkennen sei, mit sanftem Verständnis antwortet, das wisse er nicht, aber den Nichtanalysierten erkenne man mühelos und untrüglich an seiner Angst vor der Analyse ... Damit ist doch alles klar.


odium figulinum 


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