Dienstag, 11. Januar 2022

Eigentum

 

Eigentum


Ich weiß, daß mir nichts angehört 

Als der Gedanke, der ungestört 

Aus meiner Seele will fließen, 

Und jeder günstige Augenblick, 

Den mich ein liebendes Geschick 

Von Grund aus läßt genießen.


J. W. Goethe

 

Mittwoch, 5. Januar 2022

Der kleine Unterschied

 Der Meteorologe berichtet:

"Die Termperatur liegt 10° über dem mehrjährigen Durchschnitt"

In den Medien wird sie wie folgt wiedergegeben:

"Die Temperatur ist um 10° zu hoch".

??

Kein Unterschied?

Ich denke, ein gewaltiger! 

Im ersten Statement wird ein Sachverhalt mitgeteilt, im zweiten kommt eine Bewertung dazu, wird der Sachverhalt  "eingerahmt" (framing) in ein Bezugssystem und das ist immer die zeitgeistige Strömung, aktuell also die sog. "Klimakrise".

Nach dieser Methode werden seit langem die wissenschaftlichen Erkenntnisse von den Journalisten unter das Volk gebracht. Und dieses Volk hat kaum eine Chance, dieser verbogenen Darstellung der Wirklichkeit zu entkommen.

***

Und übrigens wäre ja noch zu hinterfragen, wie die erste Aussage zustande kam: 

Welcher "Durchschnitt" ist eigentlich gemeint: Arithmetisches, Geometrisches Mittel  oder gar ein Median?

Und: Wieviele Jahre.....welche geographische Bezugsgröße.....

Fauler Zauber

 Im KURIER hat G. Tartarotti in seiner Glosse bedauert, dass es gegen Depression keine Impfung gibt. Mein Leserbrief  dazu:

Nein, eine Impfung gibt es nicht, aber mittlerweile sehr gute Psycho-Pharmaka. Diese wirken allerdings erst nach einigen Wochen, im Gegensatz zu den ‚happy pills‘, die einen wie Ikarus sofort der Sonne entgegen tragen, dann aber bald zum Absturz führen, es sei denn, man nimmt sie immer und immer wieder – der Absturz ist aber trotzdem unvermeidlich und ist dann um so schrecklicher. Die Langfrist-Pharmaka hingegen ermöglichen es, die Hologramme, die uns die Botenstoffe im Hirn vorgaukeln, als solche zu entlarven.

Freitag, 24. Dezember 2021

Bandlwurm

Gedenken an den 19.11.2021, den Tag, an dem meine geliebte Djamila gestorben wurde.

Meine Kartenhaus-Idylle wurde weggeblasen.

                        
***
Das ist mein Flucht-Vehikel:
 aber:

 "I hab ka Lust, i hab ka Freid,

I hab den Bandlwurm im Leib.

Und steig' i auf den Stephansturm,

So steigt mit mir der Bandlwurm."


Donnerstag, 16. Dezember 2021

Der Zufall lebe hoch!

 NESTROY:

Wenn der Zufall nicht wär', wie viel gelinget denn in der Welt?

Der Zufall ist die Muttermilch, an der sich jeder Plan vollsaugen muß, wenn er zum kräftigen Erfolg heranreifen soll.

Dem Zufall danken wir alles, dem seelenguten Kerl, dem der menschliche Eigendünkel fast immer das Verdienst abstreit' t. 

Lassen wir ihn leben. Der Zufall lebe hoch!

Montag, 1. November 2021

Ueber das metaphysische Bedürfniß des Menschen

 Ueber das metaphysische Bedürfniß des Menschen

Schopenhauer: Kapitel 17 der "W.a.W.u.V"/II

Eine Religion hingegen, für die Unzähligen bestimmt, welche, der Prüfung und des Denkens unfähig, die tiefsten und schwierigsten Wahrheiten sensu proprio nimmermehr fassen würden, hat auch nur die Verpflichtung sensu allegorico wahr zu seyn. Nackt kann die Wahrheit vor dem Volke nicht erscheinen. Ein Symptom dieser allegorischen Natur der Religionen sind die vielleicht in jeder anzutreffenden Mysterien, nämlich gewisse Dogmen, die sich nicht ein Mal deutlich denken lassen, geschweige wörtlich wahr seyn können. Ja, vielleicht ließe sich behaupten, daß einige völlige Widersinnigkeiten, einige wirkliche Absurditäten, ein wesentliches Ingredienz einer vollkommenen Religion seien: denn diese sind eben der Stämpel ihrer allegorischen Natur und die allein passende Art, dem gemeinen Sinn und rohen Verstande fühlbar zu machen, was ihm unbegreiflich wäre, nämlich daß die Religion im Grunde von einer ganz andern, von einer Ordnung der Dinge an sich handelt, vor welcher die Gesetze dieser Erscheinungswelt, denen gemäß sie sprechen muß, verschwinden, und daß daher nicht bloß die widersinnigen Dogmen, sondern auch die begreiflichen, eigentlich nur Allegorien und Akkommodationen zur menschlichen Fassungskraft sind. …. Von diesem Gesichtspunkte aus wird auch begreiflich, wie Tertullian, ohne zu spotten, sagen konnte: Prorsus credibile est, quia ineptum est; – – certum est, quia impossibile. (De carne Christi, c. 5.) – Diese ihre allegorische Natur entzieht auch die Religionen den der Philosophie obliegenden Beweisen und überhaupt der Prüfung; statt deren sie Glauben verlangen, d.h. eine freiwillige Annahme, daß es sich so verhalte. Da sodann der Glaube das Handeln leitet, und die Allegorie allemal so gestellt ist, daß sie, in Hinsicht auf das Praktische, eben dahin führt, wohin die Wahrheit sensu proprio auch führen[194] würde; so verheißt die Religion Denen, welche glauben, mit Recht die ewige Säligkeit. Wir sehn also, daß die Religionen die Stelle der Metaphysik überhaupt, deren Bedürfniß der Mensch als unabweisbar fühlt, in der Hauptsache und für die große Menge, welche nicht dem Denken obliegen kann, recht gut ausfüllen, theils nämlich zum praktischen Behuf, als Leitstern ihres Handelns, als öffentliche Standarte der Rechtlichkeit und Tugend, wie Kant es vortrefflich ausdrückt; theils als unentbehrlicher Trost in den schweren Leiden des Lebens, als wo sie die Stelle einer objektiv wahren Metaphysik vollkommen vertreten, indem sie, so gut wie diese nur irgend könnte, den Menschen über sich selbst und das zeitliche Daseyn hinausheben: hierin zeigt sich glänzend der große Werth derselben, ja, ihre Unentbehrlichkeit. …. Der einzige Stein des Anstoßes hingegen ist dieser, daß die Religionen ihre allegorische Natur nie eingestehn dürfen, sondern sich als sensu proprio wahr zu behaupten haben. Dadurch thun sie einen Eingriff in das Gebiet der eigentlichen Metaphysik, und rufen den Antagonismus dieser hervor, der daher zu allen Zeiten, in denen sie nicht an die Kette gelegt worden, sich äußert. – Auf dem Verkennen der allegorischen Natur jeder Religion beruht auch der in unsern Tagen so anhaltend geführte Streit zwischen Supernaturalisten und Rationalisten. Beide nämlich wollen das Christenthum sensu proprio wahr haben: in diesem Sinne wollen die ersten es ohne Abzug, gleichsam mit Haut und Haar, behaupten; wobei sie, den Kenntnissen und der allgemeinen Bildung des Zeitalters gegenüber, einen schweren Stand haben. Die andern hingegen suchen alles eigenthümlich Christliche hinaus zu exegesiren; wonach sie etwas übrig behalten, das weder sensu proprio noch sensu allegorico wahr ist, vielmehr eine bloße Platitüde, …

Religionen sind dem Volke nothwendig, und sind ihm eine unschätzbare Wohlthat. ….Der Werth einer Religion wird demnach abhängen von dem größern oder geringern Gehalt an Wahrheit, den sie, unter dem Schleier der Allegorie, in sich trägt, sodann von der größern oder geringern Deutlichkeit, mit welcher derselbe durch diesen Schleier sichtbar wird, also von der Durchsichtigkeit des letztern.


https://kumpfuz.blogspot.com/2016/10/religion-und-glaube.html

Donnerstag, 28. Oktober 2021

Unmündig

Immanuel Kant: 

,,Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht an Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen ... , dennoch gern zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein."

Untergehende Sonne

B. Gracian:  Nicht abwarten, daß man eine untergehende Sonne sei.

Es ist eine Regel der Klugen, die Dinge zu verlassen, ehe sie uns verlassen. Man wisse, aus seinem Ende selbst sich einen Triumph zu bereiten. Sogar die Sonne zieht sich oft, noch bei hellem Scheine, hinter eine Wolke zurück, damit man sie nicht versinken sehe und ungewiß bleibe, ob sie untergegangen sei oder nicht. Man entziehe sich zeitig den Unfällen, um nicht vor Beschämung vergehn zu müssen. Laßt uns nicht abwarten, daß .die Welt uns den Rücken kehre und uns, noch im Gefühl lebendig, aber in der Hochachtung gestorben, zu Grabe trage. Der Kluge versetzt seinen Wettrenner bei Zeiten in den Ruhestand und wartet nicht ab, daß er, mitten auf der Rennbahn niederstürzend, Gelächter errege. Eine Schöne zerbreche schlau bei Zeiten ihren Spiegel, um' es nicht später aus Ungeduld zu tun, wenn er sie aus ihrer Täuschung gerissen hat.

So habe ich es immer, wenn es möglich war, gehalten: Selbst bestimmen, wann man abtritt.