Günter Grass: über Lichtenberg und Reich-Ranitzky:
„Nach dem Wolkenbruch heute nacht dampft der
Garten. Vorsicht! Keine überflüssige Bewegung! Allenfalls Lichtenberg lesen, dessen Prosa kühlt. Wie er die Kritiker zu
seiner Zeit (mit Nachhall bis heute) trifft, wie er sich immer wieder - und
nicht ohne Genuß - den »Frankfurter Rezensenten« vornimmt. Gleich kommt mir,
wie aufgerufen, ein gegenwärtiges Exemplar in die Quere, dessen eloquenter
Pfusch sich ungeschmälerter Wirkung erfreut, weil weit und breit kein
Lichtenberg dem Beckmesser sein einzig gültiges Werkzeug, die Meßlatte des
Sozialistischen Realismus nachweist. Dabei erinnere ich mich an seine
umtriebene Präsenz während der letzten Treffen der Gruppe 47: ein amüsanter
Literaturnarr, liebenswert noch in seinen Fehlurteilen. Erst als ihm die
Chefetage der FAZ Macht zuschanzte - das große Geld weiß, was frommt -, wurden
seine Verrisse übellaunig bis bösartig, mißriet er zu Lichtenbergs »Frankfurter
Rezensenten«.“
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Und hier noch ein paar Lichtenberg-Originale:
» Ich sehe die Rezensionen als eine Art von
Kinderkrankheiten an, die die neugebornen Bücher mehr oder weniger befällt. Man
hat Exempel, daß die gesündesten daran sterben, und die schwächlichen oft
durchkommen. Manche bekommen sie gar nicht. Man hat häufig versucht, ihnen
durch Amulette von Vorrede und Dedikation vorzubeugen oder sie gar durch eigene
Urteile zu inokulieren, es hilft aber nicht immer.«
»Dinge zu bezweifeln, die ganz ohne weitere Untersuchung
jetzt geglaubt werden, das ist die Hauptsache überall«,
»Warum glaube ich dieses? Ist es auch würklich
so ausgemacht?«
»Zweifle an allem wenigstens Einmal, und wäre
es auch der Satz: zweimal 2 ist 4« -
»Immer sich fragen: sollte hier nicht ein
Betrug stattfinden? und welches ist der natürlichste, in den der Mensch
unvermerkt verfallen, oder den er am leichtesten erfinden kann?«
"Zweifel muß nichts weiter sein als Wachsamkeit,
sonst kann er gefährlich werden."
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