Posts mit dem Label Polgar werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Polgar werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 6. Juli 2025

Höhergesellschaftliche Moral


Die sozialen Gründe, die gegen den Alkohol sprechen, sind überzeugend. Aber er ist immerhin Tröster in Augenblicken der Zerrüttung und Dumpfheit, ein Helfer über tote Punkte ein Auflockerer der Käsigkeit geronnener Seelen. Vollsinnigen Menschen den Alkohol zu verbieten, scheint Eingriff in ihre Menschenrechte, gegen den sich aller Freiheitsinstinkt auflehnen muß , wie gegen jederlei Erweiterung staatlicher Vormundsbefugnisse. Und es gibt schlimmere Gifte als den Alkohol, die frei sind. Zum Beispiel die Liebe, deren Übung noch nicht einmal mit einer Wollustbarkeitssteuer belegt ist. Aufgabe des Staates kann es nur sein, mich zu hindern, den anderen zugrunde zu richten. Will ich mich selbst zugrunde richten, so geht ihn das nichts an. Er verbietet ja auch seinen Bürgern nicht, sich den Magen oder die Augen zu verderben, in zerrissenen Schuhen durch den Kot zu wandern, in Operettentheatern und an Zeitungslektüre zu verdummen oder sich in die Hörigkeit hysterischer Weiher zu begeben. Tausend Wege führen zum Untergang. Warum gerade der alkoholisch beleuchtete - der immerhin beleuchtet ist - verboten sein soll, ist nicht einzusehen. Schaffen wir dem Menschen Lebensbedingungen, die ihm gestatten, seiner Vernunft bewußt zu werden und die Freude-Möglichkeiten auszuschöpfen, die aus dem Gebrauch der Vernunft erfließen, dann wird er die Hilfe des Alkohols nicht töricht mißbrauchen. Der Arbeiter, der drei Viertel seines Wochenlohnes an einem Abend versoffen hat - höhergesellschaftliche Moral ist über ihn in sittliches Schäumen geraten - ist kein Beweis für die Entartung der Arbeiter, sondern für die Entartung durch Arbeit. Der Mann hat gewiß nicht, - wie Ihr, Schäumende - genug Stunden der Freiheit und des beschaulichen Müßiggangs und der leichten Daseinsführung gehabt, um die besseren Lebensgenüsse schmecken zu lernen. Nichts, was die heutige Generation der Robotenden tut, keine Rohheit, Dummheit, Niedrigkeit, zeugt wider die Robotenden, alles nur wider die Seelenverheerung durch Robot. Es ist borniert, den Gaumen rohen Geschmacks anzuklagen, der gezwungen ward, sich abzustumpfen. 

A. Polgar

Sonntag, 23. September 2018

Polgar-Findlinge


 »Ich habe nur eine idée fixe: es gibt nur eine idée flexible!«
 °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°
  » ... auch  das Dämonische und das Gewaltige verführen; und auch der Schrecken, ins Großartige gesteigert, hat seine Anziehungskraft. Vielleicht ist es zum Zweck des  "Nie wieder Krieg" besser, von der Erbärmlichkeit, der erstickenden Dummheit und Dumpfheit, der grenzenlosen, infernalischen Lächerlichkeit jener räudigen Zeit (die die  »große« genannt wurde) zu sprechen, als von ihren Greueln.«
...gefunden in der Polgar-Biographie von U. Weinzierl. 

Samstag, 6. Februar 2016

Alfred Polgar über Gesinnungstheater

ZEITTHEATER
Es wird gefordert, daß die Bühne, Spiegel und Chronik der Zeit, mithelfe, die Welt vom Übel zu erlösen. Solcher Zweck heiligt alle künstlerischen Mittel, sogar deren Abwesenheit. Theater um seiner selbst willen, sagen die radikalen Forderer, ist Mißbrauch von Zeit und Raum, Gesinnung im Haus erspart Talent, und solange die Menschendinge zum Himmel schreien, wie sie's ja leider unüberhörbar tun, hat die Bühne keine andere Aufgabe, als diesem Schrei ihre Resonanz zu leihen. Dagegen könnte niemand etwas einwenden ... würde nur vorerst ein fundamentales Mißverständnis beseitigt, dadurch hervorgerufen, daß die einen unter Theater mehr ein Kunstphänomen verstehen, die anderen mehr einen Apparat, dazu tauglich - Kunst hin, Kunst her - etliche hundert Menschen auf einmal unter bestimmten moralisch-geistigen Druck zu setzen.
DER THEATER-MACHER
Was er anrührt, wird Täuschung. Wenn sein Hauch ein gebratenes Huhn trifft, verwandelt es sich in eines aus Pappendeckel. Unter seinem Blick lassen die Menschengesichter das Antlitz von der Maske fallen. Wenn er Gott in den Bart faßt, zeigt sich dieser als angeklebt und bleibt in der Hand. Das Herzblut, das seine Figuren rötet, geht mit Vaselin weg.
Heiß und salzig entquillt dem Aug' des Dichters die Zähre,
In sein erklügeltes Stück fällt sie als Schmieröl hinab!
(Zur Überprüfung dieser Thesen eignet sich vorzüglich das Burgtheater.)
Hingegen:
DER VOLLBLUT-SCHAUSPIELER
Wie wurschtig wird sofort alles theoretische Geschwätz, wie gleichgültig, ob neues oder altes Theater, wenn ein Mensch in der lebendigen Fülle seiner Menschlichkeiten auf der Bühne steht und Geist und Gefühl der Zuschauer mühelos in jede Falle lockt, die sein Spiel ihnen legen mag. Wie fegt er mit einer Handbewegung, einem Blick, einem Lachen ganze Pakete von Prinzipien in den Müll, wo sie hingehören, und schöpft, soweit er Schöpfer ist, alles aus der Tiefe.
Ich erinnere mich an einen Burgschauspieler mit Sprachfehler und an einen anderen, der einen starken tschechischen Akzent hatte; beide waren aber politisch wahnsinnig gut vernetzt. Nun gut, heute muss man irgendeinen Akzent haben am besten einen aus Berlin oder Hamburg, um am Burgtheater ein Star werden zu können.