Die sozialen Gründe, die gegen den Alkohol sprechen, sind überzeugend. Aber er ist immerhin Tröster in Augenblicken der Zerrüttung und Dumpfheit, ein Helfer über tote Punkte ein Auflockerer der Käsigkeit geronnener Seelen. Vollsinnigen Menschen den Alkohol zu verbieten, scheint Eingriff in ihre Menschenrechte, gegen den sich aller Freiheitsinstinkt auflehnen muß , wie gegen jederlei Erweiterung staatlicher Vormundsbefugnisse. Und es gibt schlimmere Gifte als den Alkohol, die frei sind. Zum Beispiel die Liebe, deren Übung noch nicht einmal mit einer Wollustbarkeitssteuer belegt ist. Aufgabe des Staates kann es nur sein, mich zu hindern, den anderen zugrunde zu richten. Will ich mich selbst zugrunde richten, so geht ihn das nichts an. Er verbietet ja auch seinen Bürgern nicht, sich den Magen oder die Augen zu verderben, in zerrissenen Schuhen durch den Kot zu wandern, in Operettentheatern und an Zeitungslektüre zu verdummen oder sich in die Hörigkeit hysterischer Weiher zu begeben. Tausend Wege führen zum Untergang. Warum gerade der alkoholisch beleuchtete - der immerhin beleuchtet ist - verboten sein soll, ist nicht einzusehen. Schaffen wir dem Menschen Lebensbedingungen, die ihm gestatten, seiner Vernunft bewußt zu werden und die Freude-Möglichkeiten auszuschöpfen, die aus dem Gebrauch der Vernunft erfließen, dann wird er die Hilfe des Alkohols nicht töricht mißbrauchen. Der Arbeiter, der drei Viertel seines Wochenlohnes an einem Abend versoffen hat - höhergesellschaftliche Moral ist über ihn in sittliches Schäumen geraten - ist kein Beweis für die Entartung der Arbeiter, sondern für die Entartung durch Arbeit. Der Mann hat gewiß nicht, - wie Ihr, Schäumende - genug Stunden der Freiheit und des beschaulichen Müßiggangs und der leichten Daseinsführung gehabt, um die besseren Lebensgenüsse schmecken zu lernen. Nichts, was die heutige Generation der Robotenden tut, keine Rohheit, Dummheit, Niedrigkeit, zeugt wider die Robotenden, alles nur wider die Seelenverheerung durch Robot. Es ist borniert, den Gaumen rohen Geschmacks anzuklagen, der gezwungen ward, sich abzustumpfen.
A. Polgar
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