Dienstag, 30. September 2025

Otrovert Inoxman

                     Darin 👤erkenne ich mich wieder ... jedenfalls das, was nach meiner rigiden 11-jährigen Erziehung in  Gemeinschaftseinrichtungen übrig geblieben ist!

Otrovertiert: Was hinter dem dritten Persönlichkeitstyp steckt

Lange war immer nur von introvertiert und extrovertiert die Rede. Ein Psychiater hat allerdings einen dritten Persönlichkeitstyp entdeckt: Otrovertiert.

MarlenePolywka

 Die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen setzen sich aus vielen verschiedenen Faktoren zusammen. Grundsätzlich unterteilt man dabei aber schon lange in introvertiert und extrovertiert (wissenschaftlich auch extravertiert); die Unterscheidung und Bezeichnung geht auf den Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung und sein 1921 erschienenes Werk „Psychologische Typen“ zurück. Die Begriffe werden oft als Gegensatz zueinander verstanden und beschreiben dabei die zwei Enden einer Skala. Das stimmt auch in Teilen, da sich beide Begriffe auf den Persönlichkeitsfaktor der sogenannten „Extraversion“ beziehen. Dabei leiten sich die Bezeichnungen aus dem Lateinischen ab, in dem „intro“ so viel bedeutet wie „hinein“ und „extra“ dagegen mit „heraus“ übersetzt wird. „Vertere“ bedeutet hingegen „wenden“.

Das Maß an Extraversion auf der erwähnten Skala ist wichtig für das Verhalten einer Person in einem sozialen Umfeld. Extrovertierten Menschen wird nachgesagt, dass sie die Gesellschaft anderer Personen genießen und Kraft aus dem sozialen Kontakt ziehen. Das hat zur Folge, dass Personen, die auf andere offen, herzlich und gesellig wirken, oft auch als extrovertiert beschrieben werden. Introvertierte Menschen hingegen verbringen ihre Zeit dieser Theorie zufolge lieber allein oder mit ausgewählten Personen. Lange galt deshalb das Vorurteil, dass introvertierte Menschen zwangsläufig schüchtern und zurückhaltend seien. Das stimmt allerdings nur bedingt. Grob gesagt kann man aber festhalten, dass Extrovertierte ihre Energie eher nach außen richten, während sie bei Introvertierten ins Innere abzielt.

Oft kann man eine Person aber auch nicht einfach klar zu einer der beiden Seiten zuweisen. Stattdessen bewegen sie sich, um beim Bild der Skala zu bleiben, auf verschiedenen Stufen der Extraversion. Der US-amerikanische Psychiater Rami Kaminski bringt auch deshalb einen weiteren Persönlichkeitstyp ins Gespräch, den viele noch nicht kennen: den sogenannten otrovertierten Typ. Doch was genau zeichnet ihn aus und wie findet man heraus, ob man dazu gehört?

Weder introvertiert noch extrovertiert – aber vielleicht otrovertiert

Seine Theorie baute Kaminski auf der Beobachtung auf, dass viele seiner Klientinnen und Klienten nicht wirklich in einen der beiden beschriebenen Typen passen wollten. Und auch bei sich selbst stellte er das fest. Um seine Beobachtungen wissenschaftlich zu untermauern, arbeitete der Psychiater mit einem Biostatistiker zusammen, mit dem er unter anderem einen Fragebogen entwickelte, um über eine sogenannte „Otherness Scale“, also eine „Skala der Andersartigkeit“, bestimmte Muster zu erkennen. Bereits 2023 gründete er darauf aufbauend das „Otherness Institute“, das sich ganz der Forschung von Otrovertierten oder auch Otroverts widmet. Dabei haben otrovertierte Menschen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zu den anderen Persönlichkeitstypen.

Ein wesentlicher Unterschied besteht bereits in der Herangehensweise. Denn während sich Extro- und Introvertiertheit auf die Interaktion mit anderen Menschen konzentriert, konzentriert sich Kaminski auf einen dritten Typ abseits dessen. Solche Personen müssen sich weder aus einer Gruppe zurückziehen, um Kraft zu tanken, noch gibt es ihnen per se Energie, mit einer Gruppe zu interagieren. „Es ist nicht die Gruppe, die sie erschöpft – es ist die Konfrontation mit dem Gruppendenken“, erklärt der Psychiater. Otrovertierte seien deshalb eigenständiger und stünden oft am Rande einer Gemeinschaft; immer noch Teil davon, allerdings unabhängig. Im „Guardian“ beschreibt Kaminski diese Personen als „Solisten, die nicht in einem Orchester spielen können“.

Otrovertierte sind oft unangepasst und kreativ

Otrovertierte zeichnen sich dem Experten zufolge durch ein hohes Maß an Eigenständigkeit und dem Bedürfnis nach Ruhe aus, weshalb man sie auf den ersten Blick auch für introvertiert halten könnte. Oft treten sie dabei selbstbewusst und vor allem selbstbestimmt auf, wobei sie so lange gesellig sind, wie sie ihre Unabhängigkeit wahren können. Wenn sie ein Gespräch suchen, dann eher am Rande einer Gruppe und oft gezielt mit einer Person. Solche Gespräche, am besten in einer ruhigen Umgebung geben Otrovertierten durchaus auch Energie, während dieselbe Situation einen Introvertierten meistens genauso auslaugen würde wie einen Extrovertierten.

Dafür haben Otrovertierte oft ein Problem mit gesellschaftlichen Zwängen, Ritualen, Regeln und genereller Anpassung. Das hat häufig zur Folge, dass sie anecken und von anderen Personen als unangepasst wahrgenommen werden. Als historische Beispiele für Otrovertiertheit nennt Rami Kaminski etwa Frida Kahlo oder Albert Einstein.

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Wir kennen Introvertierte, die lieber für sich bleiben, und Extrovertierte, die im Rampenlicht aufblühen. Doch was ist mit Menschen, die sich in keiner dieser Schubladen wiederfinden?    

·         BARBARA SCHECHTNER (Die PRESSE)

Man kennt sie: Die einen blühen auf, sobald sie im Mittelpunkt. stehen, werfen mit Pointen um sich und mischen sich lautstark in jede Debatte ein. Je mehr Publikum, desto besser. Die anderen halten sich dagegen lieber am  Rand, beobachten still und sind in sich gekehrt. Sie schöpfen Energie aus der mit sich selbst. Introversion und Extroversion, die zwei klassischen Pole der Persönlichkeitspsychologie. Oft wirken sie wie ein Entweder-Oder. Doch tatsächlich bewegen sich die meisten von uns irgendwo dazwischen.

Das Gefühl, nicht dazuzugehören, kann auch Vorteile haben. Hier setzt der New Yorker Psychiater Rami Kaminski an. Er definiert einen weiteren Persönlichkeitstyp: den der „Otrovertierten". In seinem Buch "Wie schön es ist, nicht dazugehören zu müssen" schreibt er über Menschen, die sich in keine der beiden klassischen Kategorien zugehörig fühlen. Die sich "anders" fühlen: Er leitet das Wort vom spanischen "otro" für "anders" ab und verbindet es mit dem Suffix "-vert", das aus dem Lateinischen „vertere" (wenden) stammt und auch in intro- und extrovertiert steckt. Demnach ist ein otrovertierter Mensch jemand, der in eine „andere Richtung" schaut.

Otrovertierte Menschen haben viele Facetten, doch ein Merkmal ist allen gemeinsam: das Gefühl, nirgendwo wirklich dazuzugehören. Nicht, weil sie sozial unfähig wären, sondern, weil sie sich bewusst nicht mit Gruppen oder Normen identifizieren - und dies auch nicht wollen. Genau darin unterscheiden sie sich von intro- oder extrovertierten Menschen, die ihre Identität gerade über Zugehörigkeit oder deren Abwesenheit definieren. ,,Extrovertierte und Introvertierte sind im Wesentlich Spiegelbilder innerhalb der Gruppe. Im Gegensatz dazu stehen Otrovertierte außerhalb der Gruppe und ihre Haltung macht Gemeinschaft unmöglich - anders als bei Extrovertierten und Introvertierten", erklärt Kaminski gegenüber der "Presse am Sonntag".

Otrovertierte spüren oft einen  inneren Widerspruch zu Erwartungen, Gruppennormen oder dem, was „alle" machen oder erwarten. Sie haben weniger Interesse daran, sich anzupassen. Sie lehnen Herdendenken ab und stehen zu ihren eigenen Meinungen und Überzeugungen. Sie sind nicht abgestoßen von Menschen, nein, sie sind in der Regel sozial und freundlich. Sie bauen tiefe Beziehungen auf, bevorzugen diese jedoch in einem kleineren, vertrauteren Rahmen. Sie führen lieber intensive Gespräche mit einem Freund unter vier Augen als in geselliger Runde und bevorzugen wenige, aber tiefgehende Begegnungen statt vieler ober- flächlicher. Sie sind ausgesprochen unabhängigkeitsliebend und suchen bewusst die Randposition. „Otrovertierte Menschen sind Solisten, die nicht in einem Orchester spielen können", schreibt Kaminski in seinem Buch.

Potenzial im Anderssein. In seinen mehr als vier Jahrzehnten als Arzt und Psychiater hat Rami Kaminski viele Menschen begleitet, die sich als anders erleben und sich zwischen den Polen von Intro- und Extroversion nicht wiederfinden. Er betont, daß es Zeit braucht, dieses Anderssein zu verstehen. Und daß siech darin neue Möglichkeiten eröffnen können, sobald man bereit ist, es anzunehmen.

Kaminski spricht aus Erfahrung: Schon als Kind kannte er dieses Gefühl.  In seiner Pfadfindergruppe, in der es darum ging, die eigenen Bedürfnisse dem Gemeinwohl unterzuordnen, irritierte ihn der Moment des Pfadfinderversprechens. Während die anderen es feierlich aufsagten, fühlte er nichts. Keine Verbundenheit, keine Nähe. „Ich habe innig versucht dazuzugehören, bis ich etwa 25 Jahre alt war", erinnert er sich. Wenn er auf seine Jugend zurückblickt, beschreibt er sich als „beliebter Außenseiter": Er hatte Freunde, war witzig und fand leicht Anschluss. ,,Aber ich hatte nie das Gefühl, irgendwo dazuzupassen. Immer trennte mich eine unsichtbare Mauer von den anderen." Noch heute empfindet er seine Teenagerjahre als traumatisch, obwohl weder seine Freundin noch seine Familie geahnt hat, wie fremd er sich gefühlt hat .

„Als Otrovertierter würde ich jungen Menschen wohl raten, keine Ratschläge zu befolgen - · auch nicht meinen", schmunzelt er bei der Frage, wie junge Menschen, die sich ebenfalls „anders" fühlen, den Mut zum eigenen Weg finden. ,,Aber im Ernst", setzt er nach, ,,die meisten Ratschläge, die wir von anderen bekommen, basieren auf den gemeinsamen Überzeugungen der Gesellschaft darüber, wie das Leben zu sein hat. Für jemanden, der sich nicht zugehörig fühlt, ist gruppenorientierter Rat im besten Fall nutzlos - und im schlimmsten Fall irreführend." Denn all diese Empfehlungen zielten letztlich darauf ab, sich anzupassen, Teil einer Gruppe zu werden und eine bestimmte Gruppenidentität anzunehmen. ,,Kinder und Jugendliche, die sich anders fühlen, greifen nach jedem Rat, der ihnen hilft dazuzugehören. Sie sehnen sich zutiefst danach."

Den eigenen Weg gehen. Die meisten .Nichtdazugehörigen", denen er begegnet, haben jedoch bereits erkannt, daß es sinnlos ist, krampfhaft zu versuchen dazuzugehören. ,,Sie haben den Mut gefunden, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie wissen nur nicht, wie sie als Außenseiter gedeihen können. Ich zeige ihnen, daß Nichtdazugehören ein einzigartiger Vorteil sein kann, und ich zeige ihnen, daß es sehr glücklich machen kann, ein Außenseiter zu sein - solang sie nicht versuchen, Teil der Gruppe zu werden."

Der Otrovertierte will sich nicht automatisch in Gruppenidentitäten einfügen. Da sie sich nicht verpflichtet fühlen, die allgemeine Position, Meinung oder Sichtweise zu unterstützen, sind Otrovertierte etwa äußerst unabhängig und denken unkonventionell. Sie gehen Probleme aus neuen Blickwinkeln an, was oft zu kreativen Entdeckungen und Originalität führt. Sie messen ihren Erfolg an ihren eigenen Leistungen und brauchen den Vergleich mit anderen nicht. Sie wissen, was ihnen guttut und was nicht. Und sie haben begriffen: ,,Es ist in Ordnung, ich selbst zu sein."

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