Der angebliche wissenschaftliche Konsens zum Klimawandel macht skeptisch - und
neugierig.
WZ vom 22.01.2020
Rudolf Bretschneider
ist Sozialforscher. Er war
von 1973 bis 2007 Geschäftsführer und anschließend Konsulent von GFK-Austria.
"Wenn alle das Gleiche denken, wird nicht viel gedacht", sagte
Karl Valentin. Wenn das stimmt, verläuft die Medienberichterstattung zum
Klimawandel recht gedankenarm. Immer wieder hört und liest man: "Die
Wissenschaft ist sich einig ... ", " ... es besteht Konsens, dass ...
die Erderwärmung durch den Menschen und die Zunahme des (bösen) C02 verursacht
wird ... der Meeresspiegel meterhoch ansteigen wird" und es fast schon zu
spät für die "Umkehr" ist. Vom Weltklimarat und den Klimaforschern
der UNO-Gründung IPCC wird die Verringerung der Emissionen von C02 und
anderen Treibhausgasen als (fast) einzige Möglichkeit verkündet, um "das
Klima zu retten".
Der angebliche wissenschaftliche Konsens in Fragen des Klimawandels
macht skeptisch und neugierig zugleich. Klimawandel besteht von jeher: von
Warmzeit zu Eiszeit und zurück. Aber Einigkeit in der Wissenschaft ist selten -
außer in totalitären Staaten. Zwar weiß man, dass staatliche Fördersysteme,
Gruppendruck und Festhalten an gewohnten Forschungsparadigmen (zum Beispiel an
jenem von der menschengemachten Erderwärmung) zu einem Gleichklang in der
öffentlichen Diskussion führen können; aber abweichende Theorien und Analysen
sind immer nötig - schon um Sackgassen zu vermeiden. Freilich werden Vertreter
anderer Auffassungen im gegenständlichen Fall rasch und teils recht brutal als
"Klimaleugner", "fossile Eliten", "Knechte der
Ölindustrie" oder einfach als Anhänger einer "bösen" politischen
Gruppierung diffamiert. Auch Behinderungen bei Publikationen, Ausschluss von
Begutachtungsverfahren etc. soll es gegeben haben.
Eine alte und notwendige Frage
Dennoch stellt sich auch beim anthropogenen Modell des Klimawandels die
alte und notwendige Frage, die schon der Naturforscher Georg Christoph
Lichtenberg (1742 bis 1799) stellte: "Ist das wirklich die einzige Art,
dieses zu erklären?" Erste Bemühungen, etwas über den Klimawandel, seine
Ursachen und mögliche Folgen zu erfahren, bringen vermischte und verwirrende
Befunde. 201 5 sei das wärmste
Jahr gewesen, das es je gegeben habe, sagte der damalige US-Präsident Barack
Obama. Und: "Die Debatte ist entschieden."
Natürlich sagen Menschen mit "Erdgeschichtsbewusstsein", ein
Klimagleichgewicht habe nie geherrscht; das Klima konstant halten zu wollen,
sei eine Illusion. Die heutige Erwärmung sei bedrohlich, so die einen. Sie
mache rund 1 Grad Celsius über
die vergangenen 100 Jahre aus,
so die anderen. Außerdem habe es in diesem Zeitraum auch Unterbrechungen der
Erwärmung gegeben (zwischen 1945 und 1975). Von einem
meterhohen Anstieg des Meeresspiegels reden die Warner, von 2 Millimeter
Zuwachs pro Jahr jene, die an alte und neue Messtechnik und weniger an
Modellsimulationen glauben. Und dann gibt es noch jene Skeptiker, die eine
Weltdurchschnittstemperatur für statistischen Unfug halten.
Ja, und dann ist da noch die Frage, was bisherige und künftige
Temperaturveränderungen antreibt: das C02, das unter anderem
als Treibhausgas wirkt? Der Mensch als C02rProduzent? Oder beeinflussen andere
Veränderungen den Temperaturwechsel? Verursacht etwa gar die Erwärmung den
steigenden C02Gehalt in der Atmosphäre, und der menschliche Anteil daran entpuppt
sich als zu vernachlässigende Größe (wie das Geologen sehen)? Frei nach Johann
Nestroy könnte man sagen: "Es scheint alles ganz klar. Das Problem ist
nur, man kennt sich alle Augenblick net aus." Dennoch kristallisieren sich
durch Fachlektüre ein paar Dinge heraus.
Zunächst: Die Debatte ist mitnichten entschieden. In Ländern wie
Österreich hat sie allerdings noch kaum begonnen, und auch in Deutschland
versucht man, sie zu verdrängen oder als Verschwörungstheorie zu
stigmatisieren. Ja, den Klimawandel gibt es. Zur Zeit des Römischen Reichs und
zwischen 950 und 1250 nach Christus war es sehr wahrscheinlich
deutlich wärmer als heute, dafür gab es zwischen dem 15. und dem Anfang des 19. Jahrhunderts eine "kleine Eiszeit".
Klimaforscher, die die Einmaligkeit der heutigen Entwicklung beweisen wollen,
glätten derartige Veränderungen in den Daten. Auch relativ schnelle
Temperaturanstiege sind kein Phänomen des 21. Jahrhunderts, sondern können an alten Eiskernen und Seeablagerungen
nachgewiesen werden.
Erkenntnisse der Erdgeschichte bringen überhaupt mache Dinge in den
Blick, die Forscher, die die Klimaentwicklung nur durch Computersimulationen
analysieren, geflissentlich übersehen. Sie gehen beharrlich von einer ganz
zentralen Rolle des C02 bei den Temperaturveränderungen aus: Bei einer Verdopplung des C02 in der
Atmosphäre (0,04 Prozent)
komme es zu einem berechenbaren Anstieg der oberflächennahen Temperatur
(Klimasensitivität). Die Werte für diese variieren je nach Forschungsansatz
außerordentlich stark; auch nimmt man implizit an, dem C02Anstieg folge der
Temperaturanstieg. Das ist aber offensichtlich nicht zwangsläufig der Fall -
zwischen 1940 und 1975 gab es trotz steigendem C02Gehalt der Atmosphäre
einen Temperaturrückgang. Und noch peinlicher: Viele Modellrechnungen des IPCC
zeigten eine klare Differenz zwischen beobachteten (gemessenen) und via Modell
errechneten Temperaturen. Normalerweise verwirft man ein Modell, das die
bekannte Realität nicht abbildet. Noch dazu, wo andere Analysen zu deutlich
niedrigeren Treibhauseffekten für C02 kommen.
Ursache
und Folge
Vor allem sind es die Untersuchungen an sogenannten Eisbohrkernen, an
denen die großen Aufeinanderfolgen von Temperaturanstieg und C02Konzentration
abgelesen werden können; diese Eisbohrkerne - einer aus der Antarktis
erschließt die vergangenen 420.000 Jahre - legen folgende Kausalität nahe: Die Temperaturveränderung ist
eine Ursache, und die C02Konzentrationsveränderung ist unter anderem die Folge
dieser Temperaturveränderung. Erwägen die IPCC-Forscher das alles nicht? Ist
das möglich? Die Frage führt in die Labyrinthe der hoch dotierten
Forschungspraxis, auf die auch führende Klimaforscher und ehemalige Mitarbeiter
des IPCC immer wieder hinweisen: In den gängigen Modellen gehe es eben darum, den
menschengemachten Klimawandel herauszuarbeiten. Dass bei den periodischen
Temperaturveränderungen Folgen von Sonnenaktivitäten und kosmischer Strahlung
(Wolkenbildung) eine Rolle spielen könnten, ist nicht Gegenstand der gängigen
Forschung beziehungsweise Modellrechnungen.
Infolge der unsicheren Modellrechnungen ist es hoch an der Zeit (aber
vielleicht zu spät), sich von der Fixierung auf eine Ursache namens
"menschengemachte C02Emissionen" zu lösen. Es besteht durchaus die
Gefahr, dass man das Pferd von hinten aufzäumt und vernünftigere Investitionen
hintanstellt. Zumindest sollte man bescheidener in den Behauptungen sein: Wenn man die massiven Klimawechsel
der Erdgeschichte nicht hinreichend erklären kann, wieso glaubt man dann, die
Minimalverschiebungen der vergangenen 100 Jahre genau zu verstehen - und das trotz wiederholtem Scheitern der
eigenen Prognosen?
Eine
andere Sichtweise
Nein, die Debatte ist eben nicht zu Ende. In den Niederlanden finanziert
das Ministerium für Infrastruktur eine Dialogplattform für Klimaforscher mit
unterschiedlichen Standpunkten. Bedeutende Naturwissenschafter und
Klimaforscher mit IPCC-Erfahrung stufen die Rolle und Wirkung von C02 deutlich
anders ein als der Weltklimarat. Unerschrockene Altpolitiker wie Helmut Schmidt
kritisierten seinerzeit (2011) Forschungspraktiken des IPCC und sprachen sogar von
"Betrügereien". Es brauchte Jahre, bis die Techniken bei den Modellrechnungen
teilweise offengelegt wurden (etwa bei "Data-Tuning", was man mit
"Daten frisieren" übersetzen kann).
Was, wenn wieder ein alternatives Forschungsparadigma an Boden gewinnt:
Dass die Sonnenaktivitäten, kosmische Strahlung und die damit verbundene
Wolkenbildung die Treiber der Temperatur sind? Dass der tatsächliche
menschliche Anteil am gesamten C02Kreislaufprozess eher irrelevant ist? Dass
Erwärmung und C02Anreicherung auch Chancen bieten (die Erde wird dadurch
grüner)? Was immer das C02 "tut" (oder nicht) - es zu
bekämpfen, ist höchstwahrscheinlich verlorene Angstmüh. Dass es wärmer wird,
ist realistisch, und sich darauf einzustellen, ist auch vernünftig. Es ist
immer sinnvoll, sich um die Reinhaltung von Luft, Boden und Wasser zu kümmern,
in Baum- und Pflanzenschutz zu investieren, in neue und boreale Wälder, in
Energieeffizienz, in große Wasserreservoirs, ins "Grünen der Erde",
in den Schutz vor Überflutungen, in sichere Bauformen, in die Verhinderung von
Müll und vor allem in "Schools for Future"; in denen
Naturwissenschaft und Mathematik und wissenschaftliche Grundsätze vermittelt
werden.
Und am Rande sei noch auf die Tatsache verwiesen, dass auch die
Eispolarkappen auf dem Mars derzeit schmelzen. Marsmännchen schuld?