Von Antisemiten und Anti-Antisemiten und Anti-Anti-Antisemiten...
Frankfurter Rundschau vom 7. Juni 2002 ( Ulrich Speck)
Frankfurter Rundschau vom 7. Juni 2002 ( Ulrich Speck)
Wenn man wissen will, was eigentlich Antisemitismus ist,
sollte man nicht den Fehler begehen, die zu befragen, die man für Antisemiten
hält. Denn in der Regel halten sich Antisemiten für alles andere als für
Antisemiten, und sie werden diese Zuschreibung entsprechend weit von sich
weisen. Nein, man muss bei denen nachfragen, die man als Anti-Antisemiten
bezeichnen könnte. Der Anti-Antisemit weiß nämlich, dass der Antisemit sich
nicht für einen solchen hält. Er weiß, dass der Antisemit sagt und meint, er habe
nichts gegen Juden. Der Anti-Antisemit weiß aber auch, dass der Antisemit vor
allem deshalb Antisemit ist, weil er sich als Opfer fühlt: als Opfer einer
Weltverschwörung oder - in der soften Variante - als Opfer etwa einer
Medienmacht, gegen die er glaubt, sich wehren zu müssen. Weil sich der
Antisemit nicht als Antisemit versteht und zu erkennen gibt, muss der
Anti-Antisemit mit dem Instrument des Verdachts arbeiten: mit der Prämisse,
dass es neben dem eher seltenen offenen Antisemitismus auch einen "latenten"
Antisemitismus, einen Antisemitismus "der Mitte" gibt.
Damit begibt er sich aber in schwieriges Gelände, in das der
Deutung von Sprache und Rhetorik. Der Anti-Antisemit muss den Nachweis führen,
dass das explizit Gesagte nicht das implizit Gemeinte ist, er muss Sprache als
doppelbödig entlarven. Er muss ein Raster entwickeln, das unterscheidet:
zwischen persönlicher Animosität (die grundsätzlich legitim ist) und Kritik an
Entscheidungen jüdischer Institutionen oder der israelischen Regierung (die ebenso
legitim ist) auf der einen Seite und auf der anderen Seite einer Haltung, bei
der Animosität und Kritik nur Ausdruck einer tieferliegenden Einstellung gegen
Juden sind. Ob die jeweilige Zuordnung zum einen oder anderen Typus zutrifft,
kann der Anti-Antisemit nie mit letzter Gewissheit beweisen, weil ihm eben nur
Indizien und Interpretationen zur Verfügung stehen.
Richtig kompliziert wird die Sache dadurch, dass es längst
nicht nur mehr Antisemiten und Anti-Antisemiten gibt, sondern auch
Anti-Anti-Antisemiten. Der Anti-Anti-Antisemit kritisiert die Haltung des
Anti-Antisemiten, weil er glaubt, dass sich nicht nur der Antisemit in einem
Wahnsystem bewegt, sondern auch der Anti-Antisemit. Ihm zufolge kultiviert
nicht nur der Antisemit die fatale Haltung, Phänomene als Indizien für eine
kollektive Verschwörung zu deuten, sondern auch der Anti-Antisemit, der
ebenfalls dazu neige, sprachliche und andere Phänomene für bloßen Schein, ja
für Nebel zu halten zu halten, hinter dem sich ein andersartiges Sein verbirgt
- ohne dies aber vollends schlüssig beweisen zu können.
Der Anti-Anti-Antisemit ist also ein
Anti-Verschwörungstheoretiker. Er meint, dass Antisemiten wie Anti-Antisemiten
in die gleiche Falle tappen. Er plädiert dafür, aus der Spirale der
gegenseitigen Zuschreibungen auszusteigen und Äußerungen nicht als Ausdruck von
etwas Latentem zu sehen, sondern sie zum Nennwert zu nehmen.
Das ruft freilich
eine weitere Überbietungsfigur auf den diskursiven Plan: den
Anti-Anti-Anti-Antisemiten. Dieser wirft dem Anti-Anti-Antisemiten vor, ins
gegenteilige Extrem zu verfallen und daher zu übersehen, dass das Phänomen des
latenten Antisemitismus tatsächlich existiert - obwohl eben nicht jeder
Verdacht auf latenten Antisemitismus sich als tatsächlich begründet erweist.
Man müsste also, meint er, ein Raster, eine Methode entwickeln, um latenten
Antisemitismus von legitimer Kritik sinnvoll unterscheiden zu können ...
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https://kumpfuz.blogspot.com/2012/04/antisemitismus.html
........dazu wird es nicht kommen, weil niemand, also wirklich keiner! daran Interesse hat!
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