Und doch will ich zu Ehren der Frömmigkeit unserer Könige lieber glauben, daß sie,
weil sie nicht konnten, was sie wollten,
so getan haben,
als wollten sie, was sie konnten.
Montaigne
Politische, kulturelle und politische Kommentare ; literarische Kletzen. Motto: Prudenter dubitare!
Und doch will ich zu Ehren der Frömmigkeit unserer Könige lieber glauben, daß sie,
weil sie nicht konnten, was sie wollten,
so getan haben,
als wollten sie, was sie konnten.
Montaigne
Was wir heute Wahrheit nennen, ist nicht, was wahr ist, sondern was man andern einreden kann: so wie wir Geld nicht nur die gesetzmäßig geschlagene Münze nennen, sondern auch die falsche, die mit umläuft.
Montaigne
Hinter allen unseren Handlungen finden wir Pläne, Ziele, Erwartungen und Entscheidungen, die uns zu unserem Verhalten veranlassen, deren wir selbst aber nicht gewahr sind. Die meisten unserer Handlungen sind die Konsequenzen von Denkprozessen, deren wir uns nicht bewußt sind, die wir nicht erkennen und oft nicht kennen wollen. Sie haben aber den entscheidenden Einfluß auf unser Handeln. Alle diese Denkprozesse, die niemals zur Schwelle des Bewußtseins kommen, können als private Logik angesehen werden. Wenn immer wir anders handeln, als unser Gewissen es uns vorschreibt, dann handeln wir im Sinne unserer »privaten« Logik. Dies trifft aber nicht nur zu, wenn wir uns den Geboten der Situation entziehen wollen; im täglichen Leben beziehen wir uns nicht auf tatsächliche Gegebenheiten, sondern stehen unter dem Eindruck von einer Welt, die nicht immer der Realität entspricht. Wir nennen diese subjektive Beurteilung der Gegebenheiten das »phänomenologische Feld«, auf dem jeder Mensch sich bewegt und das nur für ihn allein gültig ist. Wir können niemals »Tatsachen« als solche erkennen; wir haben nur mehr oder weniger akkurate Eindrücke und Vorstellungen von ihnen. Diese aber bestimmen unsere Handlungen, unsere Einstellung und unsere Ziele.
Wenn jemand wirklich objektiv sein könnte und alle Gegebenheiten objektiv erkennen könnte, dann würde er kaum an dem Prozeß der sozialen Entwicklung teilnehmen können, denn jedes Für hat auch ein Wider. Subjektivität ist notwendig, um eine bestimmte Richtung einzuhalten und eine andere aufzugehen. Jeder muß ständig wählen, vorziehen oder zurückweisen, im Rahmen seiner eigenen Einstellung, in dem dialektischen Prozeß, der allein zu Fortschritt und Entwicklung führt.
Was sind nun die Gedankenvorgänge, die kognitiven Prozesse, die sich unterhalb der Schwelle des Bewußtseins abspielen und für unsere Handlungen ausschlaggebend sind? Wir können hier eine Hierarchie von Zielen feststellen, die nur das eine gemeinsam haben, daß sich der Mensch ihrer nicht gewahr ist. Da sind zuerst die weitgehenden und grundsätzlichen Ziele des Lebensstils. Jeder Mensch bildet sich, wie wir schon gesehen haben, in seinen ersten Entwicklungsjahren eine Vorstellung über sich, über die anderen und über das ganze Lehen. Das sind die Fiktionen, nach denen er handelt. Niemand ist sich aber seiner grundsätzlichen Einstellung bewußt. Verschiedene Faktoren tragen zu dieser bemerkenswerten Lage bei. Erstens werden diese grundsätzlichen Vorstellungen zu einer Zeit gebildet, wo das Kind kaum bewußt erfassen kann, was in ihm und um es herum vorgeht. Es folgt seinen »Eingebungen«, seinen momentanen Impulsen, ohne sich Gedanken über deren Bedeutung machen zu können. Der andere, viel tiefere Grund, warum wir die allbedeutenden Ziele des Lebensstiles nicht kennen können, ist die Notwendigkeit der subjektiven Einstellung. Jeder muß so handeln, »als ob« seine Beurteilung die einzig mögliche und absolut richtige sei.
R. Dreikurs
Der Kult des Vegetarismus ist eine Art minderer Religion, eine falsche Askese, eine niedrige und auf gemeine Weise hypokritische Moral.
E. Ionesco
***
Gegen Vegetarismus als solchen ist nichts einzuwenden, aber "Kult" macht aus allem, auch aus Sinnhaften, Verzweckung.
Dabei kannte er noch gar nicht den Veganismus, der eine reine Kopfgeburt übersättigter, frustrierter Liberaler ist.
Der englische Schriftsteller Samuel Butler (1835-1902) berichtet in einem seiner «Notebooks» vom Besuch eines Blasorchesters, bei welchem er seinen Begleiter mit der Feststellung amüsiert habe, die Oboe sei eine Klarinette mit einer Erkältung im Kopf, und das Fagott dasselbe Instrument, aber mit einer Erkältung in der Brust.
Man kann als gegeben annehmen, daß Butler in der Nähe des Orchesters gesessen hat; aus seiner nächsten Notiz geht hervor, daß dies tatsächlich zu seinen Gewohnheiten gehörte, sie lautet nämlich:
«Gestern besuchten wir ein Konzert der Philharmoniker und saßen auf den billigen Orchesterplätzen, so daß wir sehen und hören konnten, was jedes Instrument machte.»
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...das ist übrigens auch meine Methode: Ich sitze auf den billigen hinteren Plätzen der Parterre-Logen in Orchesternähe und sehe den Philharmonikern zu, die in der Oper allerdings "Orchester der Wiener Staatsoper" heißen....
G. B. Shaw schrieb dies im Jahre 1935:
Meanwhile a Russian doctor named Pavlov devoted himself to the investigation of the same subject by practising the horrible voodoo into which professional medical research had lapsed in the nineteenth century. For quarter of a century he tormented and mutilated dogs most abominably, and finally wrote a ponderous treatise on reflexes in which he claimed to have established on a scientific basis the fact that a dog's mouth will water at the sound of a dinner bell when it is trained to associate that sound with a meal, and that dogs, if tormented, thwarted, baffled, and incommoded continuously, will suffer nervous breakdown and be miserably ruined for the rest of their lives. He was also able to describe what happens to a dog when half its brains are cut out.
What his book and its shamefully respectful reception by professional
biologists does demonstrate is that the opening of the scientific professions
to persons qualified for them neither by general capacity nor philosophic moral
training plunges professional Science, as it has so often plunged professional
Religion and Jurisprudence, into an abyss of stupidity and cruelty from which
nothing but the outraged humanity of the laity can rescue it.
In the department of biology especially, the professors, mostly brought
up as Fundamentalists, are informed that the book of Genesis is not a
scientific document, and that the tribal idol whom Noah conciliated by the
smell of roast meat is not God and never had any objective existence. They
absurdly infer that the pursuit of scientific knowledge: that is, of all
knowledge, is exempt from moral obligations, and consequently that they are
privileged as scientists to commit the most revolting cruelties when they are
engaged in research.
Their next step in this crazy logic is that no research is scientific
unless it involves such cruelties. With all the infinite possibilities of legitimate
and kindly research open to anyone with enough industry and ingenuity to
discover innocent methods of exploration, they set up a boycott of brains and a
ritual of sacrifice of dogs and guinea pigs which impresses the superstitious
public as all such rituals do. Thereby they learn many things that no decent
person ought to know; for it must not be forgotten that human advancement
consists not only of adding to the store of human knowledge and experience but
eliminating much that is burdensome and brutish. Our forefathers had the
knowledge and experience gained by seeing heretics burnt at the stake and
harlots whipped through the streets at the cart's tail. Mankind is better
without such knowledge and experience.
If Pavlov had been a poacher he would have been imprisoned for his
cruelty and despised for his moral imbecility. But as Director of the
Physiological Department of the Institute of Experimental Medicine at St
Petersburg, and Professor of the Medical Academy, he was virtually forced to
mutilate and torment dogs instead of discovering the methods by which humane
unofficial investigators were meanwhile finding out all that he was looking
for.
The reaction against this voodoo is gathering momentum; but still our
rich philanthropic industrialists lavish millions on the endowment of research
without taking the most obvious precautions against malversation of their gifts
for the. benefit of dog stealers, guinea pig breeders, laboratory builders and
plumbers, and a routine of cruel folly and scoundrelism that perverts and
wastes all the scientific enthusiasm that might otherwise have by this time
reduced our death and disease rates to their natural minimum. I am sorry to
have to describe so many highly respected gentlemen quite deliberately as fools
and scoundrels; but the only definition of scoundrelism known to me is
anarchism in morals; and I cannot admit that the hackneyed pleas of the
dynamiter and the assassin in politics become valid in the laboratory and the
hospital, or that the man who thinks they do is made any less a fool by calling
him a professor of physiology.
I should add that there is no reason to suppose that Pavlov was by
nature a bad man. He bore a strong external resemblance to myself, and was
wellmeaning, intelligent, and devoted to science. It was his academic
environment that corrupted, stultified, and sterilized him. If only he had been
taught to sing by my mother no dog need ever have collapsed in terror at his
approach.
In der
Zwischenzeit widmete sich ein russischer Arzt namens Pawlow der Erforschung
desselben Themas, indem er den schrecklichen Voodoo praktizierte, dem die
professionelle medizinische Forschung im neunzehnten Jahrhundert verfallen war.
Ein Vierteljahrhundert lang quälte und verstümmelte er Hunde auf abscheuliche
Weise und schrieb schließlich eine schwerfällige Abhandlung über Reflexe, in
der er behauptete, auf wissenschaftlicher Grundlage festgestellt zu haben, daß
einem Hund beim Klang einer Essensglocke das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn
er darauf trainiert wurde, diesen Klang mit einer Mahlzeit zu assoziieren, und daß
Hunde, wenn sie ständig gequält, ausgebremst, verwirrt und belästigt werden,
einen Nervenzusammenbruch erleiden und für den Rest ihres Lebens elendiglich
ruiniert sind. Er war auch in der Lage zu beschreiben, was mit einem Hund
passiert, wenn man ihm die Hälfte seines Gehirns herausschneidet.
Was sein Buch
und seine beschämend respektvolle Aufnahme durch die Berufsbiologen zeigt, ist,
daß die Öffnung der wissenschaftlichen Berufe für Personen, die weder durch
allgemeine Fähigkeiten noch durch eine philosophisch-moralische Ausbildung
dafür qualifiziert sind, die Berufswissenschaft, wie schon so oft die
Berufsreligion und die Jurisprudenz, in einen Abgrund von Dummheit und
Grausamkeit stürzt, aus dem nichts als die empörte Menschlichkeit der Laien sie
retten kann.
Vor allem im
Fachbereich Biologie werden die meist fundamentalistisch erzogenen Professoren
darüber belehrt, daß das Buch Genesis kein wissenschaftliches Dokument ist und daß
der Stammesgötze, den Noah durch den Geruch von gebratenem Fleisch besänftigte,
nicht Gott ist und nie eine objektive Existenz hatte. Daraus leiten sie
absurderweise ab, daß das Streben nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, d. h.
nach jeglichem Wissen, von moralischen Verpflichtungen befreit ist und daß sie
als Wissenschaftler das Privileg haben, die abscheulichsten Grausamkeiten zu
begehen, wenn sie in der Forschung tätig sind.
Der nächste
Schritt in dieser verrückten Logik ist, daß keine Forschung wissenschaftlich
ist, wenn sie nicht solche Grausamkeiten beinhaltet. Mit all den unendlichen
Möglichkeiten der legitimen und freundlichen Forschung, die jedem offen stehen,
der genug Fleiß und Einfallsreichtum hat, um unschuldige Methoden der
Erforschung zu entdecken, führen sie einen Boykott von Gehirnen und ein Ritual
des Opfers von Hunden und Meerschweinchen ein, das die abergläubische
Öffentlichkeit beeindruckt, wie es alle solchen Rituale tun. Auf diese Weise
lernen sie viele Dinge, die kein anständiger Mensch wissen sollte; denn man
darf nicht vergessen, daß der menschliche Fortschritt nicht nur darin besteht,
den Vorrat an menschlichem Wissen und Erfahrung zu erweitern, sondern auch
vieles zu beseitigen, was lästig und brutal ist. Unsere Vorfahren hatten das Wissen
und die Erfahrung, die sie gewonnen haben, als sie sahen, wie Ketzer auf dem
Scheiterhaufen verbrannt und Huren am Schwanz des Karrens durch die Straßen
gepeitscht wurden. Die Menschheit ist besser ohne dieses Wissen und diese
Erfahrung.
Wäre Pawlow ein
Wilderer gewesen, hätte man ihn wegen seiner Grausamkeit ins Gefängnis geworfen
und wegen seiner moralischen Schwachheit verachtet. Aber als Direktor der
physiologischen Abteilung des Instituts für experimentelle Medizin in St.
Petersburg und Professor der Medizinischen Akademie war er praktisch gezwungen,
Hunde zu verstümmeln und zu quälen, anstatt die Methoden zu entdecken, mit
denen humane inoffizielle Forscher inzwischen alles herausgefunden haben,
wonach er suchte.
Die Reaktion
gegen diesen Voodoo gewinnt an Schwung; aber immer noch verschwenden unsere
reichen philanthropischen Industriellen Millionen für die Forschung, ohne die
offensichtlichsten Vorsichtsmaßnahmen gegen den Mißbrauch ihrer Gaben zugunsten
von Hundedieben, Meerschweinchenzüchtern, Laborbauern und Klempnern zu treffen,
und eine Routine grausamer Torheit und Schurkerei, die all den
wissenschaftlichen Enthusiasmus pervertiert und verschwendet, der andernfalls
unsere Todes- und Krankheitsraten auf ihr natürliches Minimum reduziert hätte.
Es tut mir leid, daß ich so viele hoch angesehene Herren ganz bewusst als
Narren und Schurken bezeichnen muss; aber die einzige Definition von
Schurkerei, die ich kenne, ist Anarchismus in der Moral; und ich kann nicht
zugeben, daß die abgedroschenen Plädoyers des Sprengmeisters und des Mörders in
der Politik auch im Labor und im Krankenhaus gelten, oder daß der Mann, der das
glaubt, weniger ein Narr ist, wenn er sich Professor für Physiologie nennt.
Ich möchte
hinzufügen, daß es keinen Grund gibt, anzunehmen, daß Pawlow von Natur aus ein
schlechter Mensch war. Er hatte eine starke äußere Ähnlichkeit mit mir selbst
und war wohlmeinend, intelligent und der Wissenschaft zugetan. Es war sein
akademisches Umfeld, das ihn korrumpiert, verdummt und sterilisiert hat.