"Unsre Sinne geben uns ein sehr unvollkommenes Weltbild; Wir nehmen bei weitem nicht alle Vorgänge (Was dasselbe ist: Dinge) um uns wahr. Noch mehr: unsere Sinne geben uns ein falsches Weltbild. Das Nächste -- ein Jucken am Hals, einen bellenden Hund vor der Tür, ein Kerzenlicht auf dem Tisch -- drahten uns die Sinne mit aufdringlicher Deutlichkeit. Sie verschweigen uns aber den Donner der Protuberanzen, die riesenhaften Nebelsysteme der Milchstraße.
Den Mond und die Sonne zeigen uns die Sinne nicht größer als zwei Melonen im Garten. Der Verstand sollte den Irrtum unsrer Eindrücke korrigieren: und er versagt; wir können nur Gegenstände in ihrem Umfang begreifen, die wir gebaut, erklettert, abgetastet haben: einen Kirchturm, einen Berg. Schon die Höhe der Wolken über dem Meer ist uns nicht mehr bewußt. Uns sind nur Entfernungen vorstellbar, die wir gegangen sind: drei Kilometer -- hundert Kilometer - tausend. Eine Strecke etwa wie fünf Millionen Meilen oder ein Lichtjahr - wir vermögen uns solche Größen nur durch Vergleich und Verjüngung nahzubringen.
Geben wir nun unsrer Sonne die Größe eines Wagenrades, so ist die Erde eine Erbse, hundert Meter weit von ihr; und spannweit von der Erde ein Stecknadelkopf: der Mond. Dann aber ist der nächste Fixstern, Alpha Centauri, immer noch unvorstellbar weit. Wir müssen den Maßstab abermals verringern -- die Sonne zu einer Nuß machen --, dann erst rückt uns Alpha Centauri in begreifliche Nähe: tausend Kilometer. Es ist die Entfernung von Hamburg bis Triest. Die Sonne also -- eine Nuß -- in Hamburg; Alpha Centauri -- eine Nuß -- in Triest. Dazwischen Nacht und Kälte. Die Erde ist zu einem Körnchen geworden von einem Drittel Millimeter. Doch Sonne und Alpha Centauri sind ja selbst nur geringe Körper - bei ihrer Betrachtung dürfen wir uns nicht aufhalten. Pressen wir das Weltall in die Strecke Hamburg-Triest (die größte, die wir uns noch vorstellen können): dann ist die Sonne selbst nicht mehr da, geschweige die Erde. Die Geschichte der Menschheit ist von fünftausend Jahren zusammengescbrumpft auf eine Zehntausendstelsekunde.
Und nun erst wissen wir um die Bedeutung des Menschen im All: sie ist gleich Null. Das organische Leben auf unserem Planeten ist eine Episode. Der Mensch, durch das Korrektiv seiner falschen Maßstäbe vom GrößenWahn geheilt, sieht seine völlige Zwecklosigkeit ein. Der Mensch hat keine Aufgabe in der Welt, also auch keine Pflichten. Die Erhaltung des Selbst und der Art - Urquellen unsrer Leidenschaften - sind zwecklos. Wer sich ein einziges Urteil bildet, ohne das All mitzudenken, ist bewußtlos.
Was ist Anlaß des Lachens? Nach Kant (so sagt er ungefähr): Auflösung einer großen Erwartung in Nichts. Nun, alle große Erwartung der Menschheit ist verdammt, in Nichts aufgelöst zu werden.
Was ist Satire? Das Zurückführen einer aufgeblähten Scheingröße auf ihr Maß.
Wer sich ein einziges Urteil bildet, ohne das All mitzudenken, ist bewußtlos. Wir sehen ein, daß es eine andre als die komische, satirische Kunst gar nicht geben sollte und nicht gibt. Die Menschen sind den Läusen näher als den Göttern. Dichter, die den Menschen anders sehen, sind bewußtlos.
Der Mensch ist überaus klein; seine Größe Humbug. Der eine darf den winzigkleinen Menschen mitleidig anschauen: der Humorist; der andre verächtlich: der Satiriker."
RodaRoda
Und an anderer Stelle sagt er über Satire:
"...dem Bombast die Stelzen wegschlagen..."
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