Samstag, 24. Februar 2007

Nathan

Eigentlich wollte ich, angeregt durch die Nathanvorstellung (siehe Blog vom 16. d.M.) einige Gedanken zum Antisemitismus niederschreiben, aber ich lasse es doch lieber bleiben. Bei diesem Thema ist leider Schweigen am besten:

Worüber man nicht reden kann,
darüber muss man schweigen.*
Aus Unsagbarem irgendwann
Wird Untat sich erzeugen.
*(Frei nach L.Wittgenstein)

Weil alle jene, die gemäßigte, d. h. differenzierte Anschauungen zu diesem Thema äußern, von Eiferern medial niedergebrüllt werden, ziehen es die meisten vor, den Mund zu halten, vor allen jene, die von der Öffentlichen Meinung in irgendeiner Weise abhängig sind. Ich halte das nicht für gut, weil alles Unterdrückte, möge es noch so falsch sein, irgendwann mit gewaltigem Druck nach außen drängt.

In meinen jungen Jahren war ich eingebettet in eine katholische Umwelt, die von salesianischem Geist geprägt war, der - auf Liebe, Güte und Verständnis basierend - dem jesuitischen diametral entgegengesetzt ist. Damals gehörte meine ganze uneingeschränkte Sympathie den Juden und dem Staate Israel aufgrund des unfassbaren Unrechts, das vorangegangen war. Im 6-Tage-Krieg focht ich "virtuell" an der Seite einheimischer Zeitungen gegen die Araber.
Einen ersten Riss bekam diese freundliche Einstellung, als ich zu Zeiten der Waldheim-‚campaign’ auf einem Campingplatz in Frankreich von französischen Campern daraufhin angesprochen wurde, ob es stimme, dass ganz Österreich ein Nazi-Land sei; so wurde es damals vom JWC und den Medien verbreitet. Nun war bzw. ist ja Waldheim für die meisten Österreicher ein „Unsympathler“ erster Ordnung, aber eben kein typischer Nazi - aber schon diese Unterscheidung wird einem ja als Nichtjuden nicht zugestanden, selbst wenn man wie ich aufgrund des Alters durchaus „echte (alte) Nazis“ gekannt hat. Dass viele Österreicher sehr tatkräftig beim Holocaust mitgewirkt haben, wurde zu lange camoufliert, aber deswegen waren und sind hierzulande noch lange nicht alle Nazis… doch genug davon.
In der Folge ertappte ich mich bei der Beurteilung von Äußerungen zu diesem Thema bei der typischen Antisemitenfrage: "Ist er ... oder ist er nicht?"
Betroffen beschäftigte ich mich daraufhin ein bisschen genauer mit der "Judenfrage" und der Entstehungsgeschichte Israels (vorwiegend anhand nicht-deutscher Quellen) und - 'audiatur et altera pars' - auch mit der arabischen Sicht der Dinge. Ich musste u. a. entdecken, dass auch die Engländer „da unten viel Mist gebaut“ haben. Und was sich damals bei der Teilung in der UNO abgespielt hat, war bei Gott nicht alles „koscher“.

NACHGESTORBENE.
Wenn im fernen Nahen Osten
Muslim, Jude sich ermorden,
Sind das späte Folgekosten
Für Schulden aus dem nahen Norden.

ALGEBRA.
Zweimal Minus ergibt Plus,
Daraus ziehen sie den Schluss,
Dass Unrecht sich in Recht verwandelt,
Wenn es sich um Rache handelt.

Heute ist die Situation leider die, dass jemand, der den Mundtotschlägern entgehen will, mit Heuchelei am besten durchkommt: Man gibt sich am besten in der Öffentlichkeit als strammer Antifaschist und Philosemit, ganz gleich, welches moralische Schwein im Privatleben man sonst sein mag. Für mich beginnt aber Moral und Anstand in jedem Menschen selber und zwar nicht im Kopf und bei den Lippen, sondern in seinem alltäglichen, praktischen Verhalten zu Partnern, Freunden und Kollegen - und wer sich hier nichts vorzuwerfen braucht, der soll sich in der Welt ruhig als Moralapostel profilieren.

REZEPT.
Um die Teilung zu vermeiden,
In gute Menschen und in schlechte,
Behilft man sich, zu unterscheiden
In linke Wähler und in rechte.

Nun habe ich doch nicht geschwiegen, aber es tut mir einfach weh, dass das Thema so in der Hand von Fanatikern ist, die mit Hilfe der Medien etwas erzwingen wollen, was man nicht erzwingen kann:

DRUCKSACHE.
Zwingt uns, zu ducken,
Ingrimm zu schlucken,
Liebe erzwingen
Kann nicht gelingen.

Das schreibt einer, zu dessen „geliebtesten“ Schöpfungen in Literatur und Kunst die Werke jüdischer Autoren gehören. Aber es stört mich, wenn mir etwas deshalb gefallen MUSS, weil es jüdisch ist, ich will das selbst entscheiden und zwar aufgrund künstlerischer oder moralischer Kriterien. Als Privatmann kann ich mir ja meine differenzierte Einstellung – d. h. das Gute schätzen und das Schlechte ablehnen – doch noch leisten.

Wie ich mir "differenziert" vorstelle (wieder ein Rückgriff auf den Blog vom 16. d.M. und eine Ref/verenz zu Th.F.):
http://www.luise-berlin.de/lesezei/Blz01_05/text06.htm

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